Wohin mit dem Atommüll?: Zwischenlager-Konzept gescheitert
Auch Schleswig-Holstein will keinen deutschen Atommüll aus England mehr aufnehmen. Wie kann es weitergehen?
BERLIN taz | Bei der Zwischenlagerung von deutschem Atommüll aus dem Ausland ist das bisherige Konzept der Bundesregierung gescheitert. Schleswig-Holstein, bislang das einzige Land, das sich zur Aufnahme von Castoren aus der britischen Wiederaufbereitung in Sellafield bereit erklärt hatte, sieht sich dazu nicht mehr in der Lage.
Nach dem Brunsbüttel-Urteil von vor einer Woche habe das Land „faktisch keine Möglichkeit mehr, Castoren aufzunehmen“, sagte der grüne Umweltminister Robert Habeck am Freitag vor dem Kieler Landtag. „Unsere Bereitschaft zur Hilfe passt nicht mehr zur Wirklichkeit. Der Bund muss sich darauf einstellen, dass wir nicht mehr helfen können.“ Wo der deutsche Atommüll aus Frankreich und England hin soll, ist damit wieder völlig offen.
Der Streit um die Altlasten der Atomkraft tobt seit Jahren. Der deutsche Müll aus La Hague und Sellafield, insgesamt 26 Castoren, muss wieder nach Deutschland.
Das grün-rote Baden-Württemberg hat fünf Castoren aus Frankreich Asyl angeboten, 21 suchen noch ein Zwischenlager. Das rot-grüne Schleswig-Holstein wollte einen „fairen Anteil“ für 40 Jahre aufnehmen, wenn sich noch andere –vorzugsweise CDU-regierte –Bundesländer dazu bereit fänden. Die aber hielten sich zurück. Und jetzt fällt offenbar auch noch der Norden aus.
Offenbar nicht viel zu diskutieren
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zeigte Verständnis dafür, dass es „mit dem Urteil zu Brunsbüttel schwieriger wird, die Aufnahme von Castoren in Schleswig-Holstein umzusetzen“. Sie sei froh, dass das Land „seine Zusage nicht grundsätzlich in Frage stellt“, nun werde man „die Optionen mit der Landesregierung diskutieren“.
Nach Habecks Ansage gibt es da aber offenbar nicht viel zu diskutieren: Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das im Effekt die Betriebsgenehmigung am AKW Brunsbüttel für unrechtmäßig erklärt hatte, falle das Land für die Aufnahme von britischen Castoren praktisch aus, hieß es aus Kiel. Zwar könnte Vattenfall als Betreiber den Neubau eines Zwischenlagers in Brunsbüttel beantragen - aber das gilt als unwahrscheinlich und würde viel Zeit kosten.
Ohne legales Zwischenlager aber muss Brunsbüttel seine Castoren abgeben. Die neun Behälter mit eigenem Atommüll, die dort bisher stehen, sind nur noch für drei Jahre geduldet, neue nicht erlaubt. Zwar hofft der Bund heimlich darauf, dass im AKW Brokdorf mit seinen 100 Stellplätzen noch Raum für den Atommüll aus Sellafield wäre - aber da rechnet Habeck anders: Beim Abriss von Brunsbüttel und Brokdorf fielen noch so viele Brennelemente an, dass Brokdorf voll wäre. Und auch in Krümmel, dem dritten Reaktor in Schleswig-Holstein, seien keine Stellplätze mehr zu finden, wenn der Rückbau voranschreite.
Nun drohe eine Sackgasse, sagte der Minister. Nötig sei ein bundesweiter Neuanfang, der die Entscheidung über die Zwischenlager mit der Endlagersuche „verzahne“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten