piwik no script img

Wirtschafts- und KlimaministeriumEnergiewende als Familienprojekt

Deutschlands Unternehmen organisieren sich gern in Clans und Verwandtenzirkeln. Das gilt jetzt auch für das grüne Wirtschafts- und Klimaministerium.

Gut mit Ökostrom und auch noch brandsicher: Elektrische Kerzen am Weihnachtsbaum Foto: imago

A lle Jahre wieder die gleiche Debatte: elektrische Lichter oder echte Kerzen am Weihnachtsbaum? Aus meiner Kindheit kenne ich die Elektroleuchten, meine Frau schwört auf brennende Kerzen. Ich führe Ökostrom und Feuergefahr an, meine Familie beharrt auf Gemütlichkeit und CO2-Ausstoß. Jetzt stellen Sie sich so eine Debatte mit drei EnergieexpertInnen und zwei Staatssekretären aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vor. Das könnte bei Familie Graichen passieren. Denn seit Mittwoch ist klar: Die Energiewende in Deutschland ist in Zukunft auch Familiensache.

Und das kommt so: Beamteter Staatssekretär im Ministerium von Robert Habeck ist Patrick Graichen, ehemaliger Chef des Thinktanks „Agora Energiewende“ und Experte für selbige. Parlamentarischer Staatssekretär im gleichen Haus ist jetzt Michael Kellner, politischer Geschäftsführer der Grünen und Abgeordneter im Bundestag. Er ist verheiratet mit Verena Graichen, der Schwester seines Kollegen und Schwagers Staatssekretär. Verena Graichen wiederum arbeitet als „Senior Researcher“ beim Öko-Institut zu den Themen Klimapolitik und Emissionshandel und ist gleichzeitig Vorsitzende des Umweltverbands BUND in Berlin.

Und als wäre das noch nicht genug Öko-Power, arbeitet auch das dritte Kind der Eltern Graichen, Jakob, als „Senior Researcher“ zu Klima- und Energiefragen beim – genau – Öko-Institut, Seite an Seite mit seiner Schwester, der Ehefrau und Schwester der Staatssekretäre. Wenn Familienfeiern langweilig werden, kann der Graichen/Kellner-Clan also immer noch über die Reform der Marktstabilitätsreserve im Emissionshandel oder die Ausgleichmechanismusverordnung im EEG plaudern.

Organisiert über Familienbande

Deutschland organisiert übrigens auch andere lebenswichtige Infrastrukturen über Familienbande: Die Fußball-Bundesliga war von der Familie Hoeneß dominiert, Volkswagen und seine „House of Cars“-Intrigen wären ohne die Rosenkriege der Porsches und Piëchs undenkbar. Die Aldi-Brüder versorgen uns mit Billigfleisch und die Neuköllner Clans mit der Bad-Boy-Attitude für Berlin.

Damit aber bei Graichen/Kellner aus der Schwäger- keine Vetternwirtschaft wird, macht das Ministerium die Wahlverwandschaften im Amt gleich öffentlich. Außerdem werde „selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“, heißt es. Die „hierfür notwendigen Schritte und Strukturen“ würden „rechtssicher eingerichtet und umgesetzt“.

Was also passiert, wenn sich das Öko-Institut um Aufträge aus dem Klimaministerium bewirbt? Einfach ausschließen darf man das Institut nicht. Dann wird wohl anderes Leitungspersonal als Graichen oder Kellner eingebunden. So langsam ahnen wir, wofür Robert Habeck sieben StaatssekretärInnen braucht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Schöner Beweis der Unabhängigkeit



    der Taz. Habe mein ABO-Beitrag



    gleich erhöht

  • Vielen dank an Herrn Pötter für das klare Aufzeigen der Familienverhältnisse des Graichen-Klans im Grünen Wirtschaftsministerium aber vor allem auch zu der familiären Verbindung der zwei führenden Meinungsmachenden Beratungsorganisationen im Bereich Klima/Energiewende, Ökoinstitut und AGORA. Das war mir so nicht Bewusst.



    Schade das damit wohl mehr oder weniger alle Maßnahmen in den nächsten vier Jahren zur abmilderung der Klimakrise auf aus Naturschutzsicht rücksichtslosen Ausbau der Erneuerbaren und pimpern der Elektromobilität hinauslaufen werden.



    Ich bin gespannt welche Institutionen und Verbände in Zukunft dann das Wirtschaftsministerium aus ökologischer Sicht kritisch Begutachten und wegweisende Vorderungen stellen, wenn Ökoinstitut, AGORA und teile der BUND-Führung zusammen mit dem Wirtschaftsministerium Händchen halten.

  • RS
    Ria Sauter

    Überall der gleiche Filz! Welche Farbe dahintersteht, politisch, ist völlig schnurz.



    Es ist nicht mehr schön, gar nicht schön und keinesfalls vertrauenswürdig.

  • "Aus meiner Kindheit kenne ich die Elektroleuchten, meine Frau schwört auf brennende Kerzen. Ich führe Ökostrom und Feuergefahr an, meine Familie beharrt auf Gemütlichkeit und CO2-Ausstoß."



    Als Kompromiss empfehle ich Stearin ( de.wikipedia.org/w...earin#Umweltbilanz ).



    Ökostrom würden Sie anderen Elektoleuchtern sowieso nur vom Baum stehlen, und ihnen dafür mehr konventionellen Strom reindrücken. Nicht gut für's Ökogewissen.

    • @sollndas:

      Ob Elektro oder Kerze ist wurscht.

      Wer die Umwelt schonen will, verzichtet auf den abgehackten Baum.

      Halte ich seit vierzig Jahren so. Den Planeten habe ich damit nicht gerettet, dafür habe ich mehr Platz und keine Nadeln in der Wohnung.