Wird die „Gorch Fock“ neu gebaut?: Flaggschiff mit Schlagseite

Die Sanierungskosten für das Segelschulschiff „Gorch Fock“ haben sich verzehnfacht, auch weil das Verteidigungsministerium offenbar nicht prüfte.

Die "Gorch Fock" segelt über die Kieler Förde.

Sorgt für Ärger: Das Schulschiff der Marine „Gorch Fock“ Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | Ein weißes Schiff unter einem blauen Himmel voller federleichter Wölkchen – so präsentiert sich die „Gorch Fock“ auf dem Titelbild des aktuellen Kalenders, den die „Bordkameradschaft“ des Segelschulschiffs der deutschen Marine 2019 auf den Markt gebracht hat. Doch jenseits der Posterromantik sieht es düster aus für den Traditionssegler.

Am Mittwoch stand das Thema auf der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Die Abgeordneten berieten darüber, ob der 60 Jahre alte Segler saniert werden soll – oder ob eine neue „Gorch Fock“ her muss. Für Die Linke kommt weder das eine noch das andere in Frage: „Marinetraditionen reichen mir nicht, um öffentliches Geld einzusetzen“, sagte Matthias Höhn, Vertreter der Linken im Ausschuss, am Rand der Sitzung.

Das Segelschulschiff mit dem Albatros am Bug, einst Stolz der Marine, ist zum Pannenboot geworden. Seit Ende 2015 liegt der 60 Jahre alte Segler mit Heimathafen Kiel in der Werft, zunächst im niedersächsischen Elsfleth, später im Schwimmdock in Bremerhaven (siehe Kasten). Aus der ursprünglich geplanten, vergleichsweise kleinen Reparatur wurde eine Totalsanierung, aus Kosten von knapp zehn wurden 135 Millionen Euro – und Höhn bezweifelte, ob das überhaupt ausreiche: „Es ist zu vermuten, dass die Sanierungskosten heute noch deutlich höher liegen“, sagte er.

Neben den explodierten Reparaturkosten ist von der Verwendung illegal gewonnener Tropenhölzer die Rede. Die Arbeiten wurden im Dezember gestoppt, um einem Korruptionsvorwurf bei der Vergabe der Aufträge aufzuklären.

Oktober 2016: Das Schiff liegt in Bremerhaven im Dock. Immer mehr Schäden tauchen auf, die Kosten steigen auf 35 Millionen Euro.

März 2018: Kosten von 135 Millionen Euro stehen im Raum. Die Arbeiten sollen dennoch weitergehen.

Herbst 2018: Neue Zeugen sagen, beim Tod einer Kadettin 2008 habe es sich um Mord gehandelt. Außerdem gibt es Kritik, dass vermutlich illegal geschlagenes Holz aus Myanmar verarbeitet wird.

Dezember 2018: Ein Marine-Mitarbeiter zeigt sich selbst an – er soll einen vergünstigten Kredit von einem Unternehmen erhalten haben, das an der Sanierung beteiligt ist. Kurz vor Weihnachten stellt von der Leyen die Zahlungen ein.

Nun steht auch noch der Vorwurf im Raum, Marine, Beschaffungsamt und Verteidigungsministerium hätten im Vorfeld nicht geprüft, ob eine Sanierung überhaupt wirtschaftlich sinnvoll sei. Der Spiegel zitiert einen Bericht des Bundesrechnungshofs, nach dem es vor Beginn der Bauarbeiten keine Kontrolle und Wirtschaftlichkeitsberechnung gegeben habe. Die Gorch Fock war offenbar seit Jahren in schlechtem Zustand. Sogar von Löchern in der Außenwand ist die Rede.

Die Politik ist sauer. Immer mehr Stimmen in Berlin wie in Kiel sprechen sich dafür aus, die teure Endlossanierung zu beenden. Grüne und FDP können sich vorstellen, einen Neubau in Auftrag zu geben. Beide Parteien sind im Bundestag Teil der Opposition und regieren an der Förde gemeinsam mit der CDU.

Der Kieler Landtag hat seit den 80er-Jahren eine Patenschaft für den Segler. Noch im Dezember hatte sich unter anderem Landtagspräsident Klaus Schlie dafür ausgesprochen, das Original-Schiff zu erhalten. Sein Parteifreund und Landtags-Fraktionschef Tobias Koch sagte nun den Kieler Nachrichten, er sei weiter dafür, das Schiff zu erhalten. Auch Kai Dolgner (SPD) sprach sich dafür aus.

Die Entscheidung liegt aber beim Bundesverteidigungsministerium. Ministerin Ursula von der Leyen hatte im Dezember einen Zahlungsstopp verhängt und gesagt, sie mache sich „große Sorgen“ um die Zukunft des Schiffes.

Die heutige Gorch Fock ist bereits das zweite Schiff dieses Namens. Negativ-Schlagzeilen machte sie durch zwei Todesfälle von Kadettinnen. Der Stapellauf der Gorch Fock war 1958 – die Feier zum Jubiläum sagte die Marine wegen der offenen Fragen rund um die Zukunft des Schiffes kürzlich ab.

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