Windpocken in Berlin: Neue Viren für die Impfgegner
Nach den Masern kämpft Berlin nun auch gegen steigende Fallzahlen von Windpocken-Infektionen. Schuld sei die Impfmüdigkeit, meint eine Behörde.
BERLIN taz | Die Impfmüdigkeit vieler Berliner hat der Hauptstadt einen weiteren Anstieg vermeidbarer Infektionskrankheiten binnen weniger Monate gebracht: Nach den Masern sind nun auch die Windpocken auf dem Vormarsch, teilte eine Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Soziales am Mittwoch mit.
In den ersten beiden Monaten des Jahres habe es 240 Fälle gegeben, allein in der vergangenen Woche seien 22 Neuinfektionen registriert worden. Bereits im Vorjahr habe es einen deutlichen Anstieg gegeben. Damals habe sich die Zahl der Erkrankungen innerhalb eines Jahres auf 1577 verdreifacht.
Windpocken zählen zu den hoch ansteckenden Viruserkrankungen, gegen die es keine Therapie gibt. Schutz bietet lediglich eine zweifache Impfung, die die Ständige Impfkommission seit 2004 ab dem 11. Lebensmonat empfiehlt. Das Virus wird durch Tröpfchen übertragen, die beim Atmen oder Husten ausgeschieden werden; von 100 Nicht-Geimpften erkranken 90, teilt das Robert-Koch-Institut, Deutschlands oberste Seuchenbehörde, mit.
Windpocken sind wegen ihrer möglichen Komplikationen gefährlich. Bei jedem fünften erkrankten Erwachsenen führt sie nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu einer Lungenentzündung, die gewöhnlich 3 bis 5 Tage nach Krankheitsausbruch auftritt und schwer verlaufen kann. Selten (bei 0,1 Prozent der Erkrankten) greift die Krankheit das zentrale Nervensystem an; Gleichgewichtsstörungen und eine Reizung der Hirnhäute sind mögliche Folgen.
In den ersten sechs Monaten der Schwangerschaft können Windpocken selten zu schweren Fehlbildungen, Augenschäden, neurologischen Erkrankungen oder zum Tod des Kindes führen. Erkrankt die Schwangere um den Geburtstermin, kann eine Windpocken-Infektion für Neugeborene lebensbedrohlich sein; 30 Prozent der Kinder sterben.
Die Windpocken brechen 8 Tage bis 4 Wochen nach Ansteckung aus. Erkrankte sind aber schon 1 bis 2 Tage ansteckend, bevor der Ausschlag zu sehen ist und bis zu 5 bis 7 Tage, nachdem sich die letzten Bläschen gebildet haben. Wer eine Erkrankung überstanden hat, ist lebenslang immun.
Erst seit 2013 sind Windpocken meldepflichtig, weswegen verlässliche Daten über die bundesweite Verbreitung in den vergangenen Jahrzehnten fehlen. Die Impfquoten bei Schulanfängern lagen 2012 laut Robert-Koch-Institut bundesweit bei gut 60 Prozent für die zweite Windpockenimpfung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“