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Wikileaks' Rolle im US-WahlkampfWie Assange sich auf Clinton stürzt

Wikileaks enthüllt immer neue Informationen über die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Clintons Rivale Trump wird geschont.

Keiner wird geschont, alle Information muss ans Licht – was mal oberste Maxime bei Wikileaks war, verschwimmt im US-Wahlkampf Foto: ap

Berlin taz | Wer in den letzten Monaten die Tweets von @wikileaks verfolgte, bekam das Gefühl, einer konservativen Wahlkampforganisation in den USA zu folgen und nicht einem internationalen Enthüllungsportal. Mit niemandem beschäftigt sich der Twitter-Account so ausführlich wie mit Hillary Clinton. Da wird die erste TV-Debatte live kommentiert (zugunsten Donald Trumps), da werden Umfrageergebnisse publiziert und Anti-Clinton-Texte retweetet.

Das Thema Clinton beschäftigt die Twitterer nicht erst, seit Wikileaks unmittelbar vor Beginn des Nominierungsparteitags der Demokraten im Juli die gehackten Mails des Vorstands der Demokratischen Partei (DNC) veröffentlichte, aus denen der unfaire Umgang mit dem Kandidaten Bernie Sanders zugunsten Hillary Clintons hervorging. Die damalige Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz und weitere drei Funktionäre mussten gehen.

Hillary Clinton ist für Wikileaks und deren Chef Julian Assange spätestens zur Erzfeindin geworden, nachdem die Enthüllungswebseite Ende 2010 Tausende vertraulicher Mitteilungen aus dem State Department veröffentlichte – überwiegend Einschätzungen und Lageberichte der Botschaften an die Zentrale in Washington.

Für Clinton als amtierende Außenministerin war dies eine extrem peinliche Situation. Ihre Reaktion gegen Assange fiel beinhart aus. In internen Besprechungen soll sie, so schreiben es jetzt verschiedene US-Medien unter Berufung auf anonyme Quellen aus dem damaligen State Department, ernsthaft die Ermordung Assanges per Drohne diskutiert haben.

Nicht überprüfbare Infos werden ausgeschlachtet

Das wiederum schlachtet Wikileaks nun groß aus – nachprüfbar ist die Information nicht. Spätestens seit den DNC-Enthüllungen ist Wikileaks fester Bestandteil des US-Wahlkampfs geworden. Trump-Berater setzen auf eine „Oktober-Überraschung“ mit neuen Enthüllungen, die Clinton den Todesstoß versetzen könnten – und so hatte Wikileaks ja zunächst auch die Pressekonferenz vom Dienstag in Berlin angekündigt, wohl um sich der internationalen Aufmerksamkeit zu versichern.

Nach den DNC-Veröffentlichungen begann die Gegenpropaganda. Ohne bislang dafür wirkliche Beweise vorzulegen, einigten sich Clinton, die Demokratische Partei und die eher liberalen Medienorgane darauf, unter Berufung auf manche Sicherheitsexperten die DNC-Leaks russischen Hackern zuzuschreiben.

Assange und Wikileaks seien willige Marionetten des Kreml, um die US-Wahl zugunsten Trumps zu beeinflussen. Der hat mehrfach seine Bewunderung für Putins Führungsstil ausgedrückt, und der russische Staatschef seinerseits hat mit seiner Sympathie für Trump nicht hinterm Berg gehalten.

Assange versucht, solche Vorwürfe als vollkommen absurd wegzulachen. Gegenüber der linken US-Journalistin Amy Goodman hat Assange auf die Frage, ob er Clinton oder Trump bevorzuge, gesagt, das sei eine Wahl zwischen Cholera und Durchfall. Aber aktiv ist er gegen Clinton. Trump lässt er ganz brav in Ruhe.

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21 Kommentare

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  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Zumindest verdanken wir Hillary Clinton eine neue, eingängige Redewendung: "to drone sb.".

     

    Der verschmitzt-verlogene Gesichtsausdruck... https://www.youtube.com/watch?v=Utf7bqBLA4k

  • Das stink ein wenig danach, dass Trump ihm einen Deal angeboten hat...oder Wikileaks gar selbst (oder seine Anhänger) mit "Informationen" versorgt?

    In diesem Wahlkampf ist doch nichts mehr unmöglich.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Wikileaks stürzt sich auf Clinton weil sie viel Macht hatte und mit dieser dann auch viel taktiert hat. Man kann sie angreifen weil sie durch ihre Heuchelei viel Angriffsfläche bietet. Das Assange wütend auf Clinton ist weil sie in Betracht gezogen hat ihn wegzubomben ist wohl verständlich.

     

    Der Artikel betrachtet die Enthüllungen im Kontext der Wahlen und stellt sich auf Clintons Seite, weil man alles tun möchte um Trump abzuwehren.

    In diesem Prozess hat man scheinbar vergessen das Clinton alles andere als eine "progressive" Wunschkandidatin ist. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch das sie ihr Fett zurecht wegbekommen hat.

     

    Trump wird von den Menschen gewählt weil er ein Anti-Politiker ist. Er kackt dem politischen Establishment vor laufender Kamera vor die Füße. Das ist es was die Menschen an ihm mögen. Würde mich nicht wundern wenn auch der ein oder andere Sanders-Anhänger am Ende Trump wählt um seine Ablehnung der politischen Klasse zum Ausdruck zu bringen.

  • Es läßt einen natürlich schmunzeln, wenn die deutsche Presse sich beschwert, daß sich jemand im US-Wahlkampf 2016 parteiisch verhält.

    Aber nehmen wir das mal für einen Moment ernst. Wo in diesem Artikel finde ich denn einen Hinweis darauf, was man zu Trump noch leaken könnte ?

  • "In internen Besprechungen soll sie, so schreiben es jetzt verschiedene US-Medien unter Berufung auf anonyme Quellen aus dem damaligen State Department, ernsthaft die Ermordung Assanges per Drohne diskutiert haben."

     

    Ich an seiner Stelle würde sie zur Wahl empfehlen, eine Frau, die bereit ist zum Mord aus niederen Motiven

  • Ich meine Frau Clinton und ihr Ehemann haben bei weitem genug Schaden angerichtet. Warum sollte man ihr auch noch das mächtigste Amt der Welt an die Hand geben? Die Frau hat NACHWEISLICH genug Dreck am stecken, WÄHREND sie politische Verantwortung wahrnahm.

    • @insLot:

      und was hat sie sich auf die schenkel geschlagen als ihr ehem. pol. freund ghaddafi ins jenseits befördert wurde...

  • Wenn Assange "Trump [...] ganz brav in Ruhe [lässt" und "aktiv [nur] gegen Clinton [ist]", dann muss das nicht zwingend bedeuten, dass er – wie man in Schweden glaubt – Frauen grundsätzlich nicht besonders mag oder – wie hier suggeriert wird – ein konservativer Trump-Fan ist. Es kann auch schlicht damit zusammenhängen, dass Trump bisher noch keine Macht hatte, die leakbare Spuren hätte hinterlassen können - und Herr Assange sehr stolz ist auf die Leaking-Fertigkeiten, die er (früher) hat(te).

     

    Trump mag ja eine Art von Cholera sein. Der Durchfall aber, den man bereits hat, ist meistens erheblich dringlicher als jede Cholera, die einem für die Zukunft in Aussicht gestellt wird. Vor allem, wenn die, die einen warnen, selbst nie von einem tödlichen Drohnenangriff bedroht waren. Und zwar vor allem deshalb, weil sie sich bisher immer mit den offiziellen Verlautbarungen zufrieden gegeben haben.

     

    Übrigens: Ich persönlich bin kein großer Assange-Fan. In meinem Leben haben Wettrüsten aller Art bereits genug Verheerungen verursacht. Dass Assange ein (missbrauchsverdächtiger) Mann ist, ist allerdings kein Grund für mich, Hillary Clinton für ein kleineres Übel zu halten, nur weil sie hin und wieder einen Rock und Pumps trägt und sich gewählt auszudrücken beliebt.

    • @mowgli:

      "...ein (missbrauchsverdächtiger) Mann..."

       

      ... die Details sind lesenswert: http://www.zeit.de/2011/01/Sexualstrafrecht-Schweden/komplettansicht

      • @jhwh:

        Der Zeit-Artikel liegt ziemlich daneben. Nicht nur haben beide Frauen inzwischen angegeben, dass es keine Vergewaltigung gab. Auch hat die schwedische Staatsanwaltschaft nach wie vor keine Anklage erhoben. Sie hat trotz mehrfacher Angebote Assange nicht in der Botschaft vernommen und hat keine Garantie der Nichtauslieferung an die USA gegeben. Auch die Kachelmann-Referenz ist überholt: Inzwischen ist es gerichtsfest, dass der Vorwurf der Vergewaltigung von Frau Claudia Simone Dinkel eine Falschaussage war - und nicht wie in dem 6 Jahre alten Artikel steht, die Vergewaltigung nur nicht ausreichend beweisbar war.

        Man muss Assange von seiner Persönlichkeit her nicht mögen. Er hat aber mit Wikileaks der Menschheit einen grossen Dienst geleistet und ist auch nachweislich kein Krimineller.

  • Clinton als ehemalige Außenministerin und Vertreterin des Staats ist natürlicherweise ein bevorzugteres Ziel für Wikileaks als Trump, der noch nie ein offizielles Amt bekleidet hat. Erklärt das vielleicht, warum Trump (noch) verschont bleibt?

  • Über Trump gibt es ja auch nichts zu enthüllen. Das ist der ganze Wahnsinn öffentlich und recherchierbar und keinen schert es.

    • @Ansgar Reb:

      Da gäbe es nicht nur Steuererklärungen, sondern so manches andere geschäftliche Gebaren, dem man nachgehen könnte, wenn man denn wollte.

      • @Thiemo4:

        Aber genau das schadet Trump leider nicht. Es macht nur, dass sich seine Gegner anhören wie er selbst. Steuern sind komplexe Fragen, und man kann es eben nicht in der 30 Sekunden Medienlandschaft auf knackige Formeln bringen ohne die Beschimpfungen, die man ohne die Fakten auch schon weiß.

         

        Wenn man Trump als Con-Man beschimpft, dann ist das für die eigene Seite nichts originelles und für die Anhänger eine Beschimpfung, die sie um so weniger an den Beschimpfungen von Trump zweifeln lässt.

         

        Wenn man mit Schweinen sich wälzt wird man dreckig.

  • Wikileaks hat schon lange ausgedient. Es ist nichtmehr als zuverläassige Quelle zu bewerten.

    Aber durch die permanente Stichelung gegen Clinton hat Wikileaks die Grenze überschritten. Ein solches Organ muss neutral sein.

     

    Herr Assange kann ja gerne mal erklären warum es keinerlei Enthüllungen über Trump gibt.

     

    Man sollte daher, auch die deutsche Presse, Wikileaks nurnoch als parteiische und Meinungsbildende Platform ansehen und ignorieren.

    • @WortAbstrakt:

      Wikileaks ist kein "Organ". Wikileaks hat sich auch nicht der "Neutralität" im Sinne einer Ausgewogenheit verpflichtet. Wikileaks hat sich der Veröffentlichung von authentischen Informationen verpflichtet. Es gibt bislang keinen einzigen Fall in dem Wikileaks die Veröffentlichung von Fälschungen auch nur vorgewurfen - geschweige denn bewiesen - wurden. Es gibt auch keinen einzigen Fall, in dem jemand Wikileaks das Zurückhalten von Informationen vorgeworfen wurde.

      Wikileaks recherchiert nicht selbst. Wenn also Wikileaks nichts über Donald Trump erhält, wird es auch nichts veröffentlichen.

      Sie wünschen sich vermutlich ein parteiisches Wikileaks, welches wie die deutsche Presse die Straftaten von positive besetzten Personen unter den Tisch kehrt. Wäre Wikileaks so wie Sie sich das wünschen, dann hätte Wikileaks tatsächlich ausgedient. So beweist Wikileaks aber wie wichtig es ist. Das gilt gerade auch dann, wenn es unbequem beim Kampf gegen den entsetzlichen Donald Trump ist. Die Wahrheit ist nicht parteiisch - auch nicht zu Gunsten des "Guten".

    • @WortAbstrakt:

      Wäre Wikileaks aber nur gegen Trump vorgegangen, wäre das natürlich vollkommen okay gewesen und hätte die Glaubwürdigkeit von Wikileaks gefestigt, nicht wahr?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Da fragt man sich nebenbei auch nach der aktuellen Relevanz der Enthüllungsplattform.

    Die Schonung Trumps dürfte sich wohl kaum auf das Wählervotum auswirken.

  • Clinton droht Assange mit einem "Drohnen-Tod" - und ja, Clintons Pressesprecher hat vorgestern diesen Vorwurf nicht widersprochen, und gestern Clinton selber meinte, die Bemerkung sei "ein Witz" gewesen - aber die TAZ schreibt dazu, Assange "stürzt sich auf Clinton?" Nun wer auf wen stürzt, kann man an Hand der Emails, die Wikileaks dankenswerterweise uns zugängig gemacht hat... Ob es darum ging Sanders zu sabotieren/erpressen, Ghadaffi umzubringen, andere Whistleblowers zu vernichten: wer hier eine Gefahr für die Welt sei - Assange oder Clinton - kann jeder für sich selbst entscheiden.

     

    Diese müde Behauptung: dass Assange damit Trump unterstutzt, ist lächerlich. Der Dreck, der auf Hilary Clinton haftet, ist ihre eigene Kreation.

  • Herr Pickert zeigt leider die inzwischen bei uns typische schwarz-weiß-Denke. Wer die korrupte Hillary Clinton kritisiert, muss für Donald Trump sein. Abgesehen davon, dass Frau Clinton einen Mordanschlag auf Assange vorgeschlagen hat und vermutlich dafür verantwortlich ist, dass er seit 5 Jahren in der Botschaft gefangen ist, hat Frau Clinton einen politischen Track Record, der sie angreifbar macht. Wenn da die Medien nicht so lange weggesehen hätten, wäre Frau Clinton nie nomminiert worden und die US-Amerikaner hätten jetzt nicht die Wahl zwischen Pest und Cholera. Doch halt - ganz ist dies nicht der Fall. Es gibt unabhängige Kandidat_innen. Diese hätten durchaus eine reelle Chance, würden die Medien sie nicht ignorieren.

    Vielleicht ist der unschuldig festsitzende Assange tatsächlich mit einem Präsidenten Trump der Freiheit näher als mit einer Präsidentin Clinton. Von daher wäre ihm eine Einseitigkeit sicher weniger zu verübeln, als die Einseitig z.B. hier in der taz. Maßstab kann allerdings nur die Frage sein, ob Wikileaks falsche Informationen über Clinton streut oder richtige Informationen über Trump zurückhält. Weder steht oder stand jemals Ausgewogenheit auf der Charta von Wikileaks noch hat sich Wikileaks verpflichtet, die weniger bösen Bösen zu schonen um die mehr bösen Bösen von der Macht fern zu halten.

  • Da hat Bernd Pickert vielleicht Ursache und Wirkung verwechselt, oder ist er inzwischen in der TAZ-Lager der Clinton Propandisten gewechselt? Dann kann man schon mal Ursache und Folge verdrehen: "Hillary Clinton ist für Wikileaks und deren Chef Julian Assange spätestens zur Erzfeindin geworden, nachdem die Enthüllungswebseite Ende 2010 Tausende vertraulicher Mitteilungen aus dem State Department veröffentlichte – überwiegend Einschätzungen und Lageberichte der Botschaften an die Zentrale in Washington." Oder will er damit sagen, die Inhalte der geleakten Mitteilungen haben Assange so wütend auf Clinton gemacht.

    Würde nicht umgekehrt gelten, dass Clinton "spätestens" nach den Enthüllungen Assange zum Erzfeind erklärt haben könnte. Ja sie soll "ernsthaft die Ermordung Assanges per Drohne diskutiert haben". So was qualifiziert ja ungemein für den Posten, den sie anstrebt (und steht ja voll in der Drohnenkriegsstrategie der US-Regierung, der sie als Außenministerin angehört.)

    Vielleicht ist der Artikel einfach ein Teil der TAZ-Kampagne der Clinton-Reinwaschung, denn wer kann sich in der TAT schon ein Urteil vorstellen wie die Wähler in den USA hätten die "Wahl zwischen Cholera und Durchfall"?