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Wiederaufbau der Dresdner Carola-BrückeVierspurig über die Elbe

Am Donnerstag könnte der Dresdner Stadtrat eine autofreundliche Brückenvariante beschließen. Doch Ver­kehrs­ex­per­t:in­nen warnen vor den Folgen.

Erst Totalschaden, dann protzig-teurer Neubau? Die Carola-Brücke in Dresden Foto: Sylvio Dittrich/imago

Berlin taz | Während die Abrissarbeiten für die Carola-Brücke noch im vollen Gange sind, entscheidet der Dresdner Stadtrat an diesem Donnerstagnachmittag darüber, wie groß der Ersatzneubau der im September kollabierten Brücke ausfallen soll. Gute Chancen hat ein gemeinsamer Antrag von CDU, FDP und Team Zastrow, der einen vierspurigen Wiederaufbau fordert. Mo­bi­li­täts­ex­per­t:in­nen fürchten dagegen, diese Variante würde die Verkehrswende torpedieren und zu deutlich mehr Verkehr in der Innenstadt führen.

Seit Monaten debattiert die Dresdner Stadtgesellschaft hitzig darüber, in welcher Form die Carola-Brücke wiederaufgebaut werden soll. 1971 errichtet, war das Bauwerk eine der vier Elbbrücken Dresdens. Als Verbindung zwischen Alt- und Neustadt in zentraler Lage war sie entsprechend viel befahren. Im September 2024 kollabierte die 375 Meter lange Brücke im laufenden Betrieb, verletzt wurde zum Glück niemand.

Aufgrund der verkehrspolitischen Bedeutung will Dresdens Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) die Brücke so schnell wie möglich wiederaufbauen. Bislang strebt die Verwaltung einen sogenannten Ersatzneubau an. Durch die entsprechende Richtlinie im Baurecht können einige langwierige Planungsschritte übersprungen werden, solange die Dimensionen des Vorgängerbauwerks nicht überschritten werden.

Da die Anforderungen für die Breite von Rad- und Fußwegen gestiegen sind, plante Kühn, die neue Brücke mit zwei statt vier Spuren für den Autoverkehr wiederaufzubauen. Mit dem Schnellverfahren wäre auch eine breitere Beteiligung des Dresdner Stadtparlaments vom Tisch. Dagegen rebellierte vor allem die CDU, die sich mit der Zweispurigkeit nicht abfinden wollte.

Mehr Mitbestimmung und mehr Spuren

Zusammen mit den rechts-mittigen Fraktionen von FDP und Team Zastrow forderte sie in einem Stadtratsantrag einen Ingenieurswettbewerb und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Auch solle die neue Brücke wie bisher mit vier Spuren für den motorisierten Individualverkehr wiederaufgebaut werden. Der Antrag hat gute Erfolgsaussichten. Am Montag sprach sich bereits der Verkehrsausschuss mit einer knappen Mehrheit für einen Beschluss aus.

„Es geht um Zukunftssicherheit“, sagt Verkehrspolitiker Veit Böhm, der für die CDU im Stadtrat sitzt. Für den Autoverkehr würde sich nichts verändern, zusätzliche Spuren könne man in Zukunft immer noch umwidmen, etwa in Spuren für autonome Busse.

Doch mit den vier Autospuren würde die Brücke deutlich breiter werden als ihr Vorgänger. Statt der bisherigen 34 Meter würde sie auf 41 Meter anwachsen. Das wiederum treibt die Kosten in die Höhe und macht im schlimmsten Fall das reguläre Planungsverfahren notwendig, weil die Ersatzneubauregelung nicht mehr gilt, fürchtet der Dresdner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Da wird eine Stadtautobahn hinbetoniert

Florian Wendler, BUND Dresden

„Da wird eine Stadtautobahn hinbetoniert, die einen klaren Anreiz setzt“, sagt Florian Wendler, Geschäftsführer des BUND Dresden. Der umweltpolitische Verein plädiert für eine möglichst schmale Variante. Diese sei nicht nur kostengünstiger für das kürzungsgeplagte Dresden, sondern auch verkehrspolitisch sinnvoller.

Brücken als „verkehrliche Schlüsselstellen“

Bis zuletzt waren die Verkehrszahlen in Dresden rückläufig. Laut aktueller Prognose wäre das Kfz-Aufkommen auf der Carola-Brücke bis 2030 um ein weiteres Drittel gesunken. Wendler fürchtet, dass die vierspurige Variante wieder mehr Verkehr in die Innenstadt lockt. Für die aufwendige Ortsumfahrung, die gerade um Dresden gebaut wird, gäbe es dann für Au­to­fah­re­r:in­nen kein Grund mehr.

Die Sorge teilt eine Gruppe von 15 Verkehrsforscher:innen, die sich vergangene Woche mit einem offenen Brief an den Stadtrat wandten und sich deutlich gegen die vierspurige Variante aussprachen: „Brücken sind verkehrliche Schlüsselstellen, dort gesetzte Prioritäten strahlen weit in das regionale Verkehrsnetz hinein.“

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9 Kommentare

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  • Das verkürzte genehmigungsverfahren ist natürlich ein Argument, um schnell wieder zu einer Brücke zu kommen.

    "Wendler fürchtet, dass die vierspurige Variante wieder mehr Verkehr in die Innenstadt lockt. Für die aufwendige Ortsumfahrung, die gerade um Dresden gebaut wird, gäbe es dann für Au­to­fah­re­r:in­nen kein Grund mehr."

    Klingt dagegen etwas merkwürdig. Wer die Verkehrsverhältnisse in Dresden etwas kennt, weiß, dass man jede Möglichkeit nutzt, um die Innenstadt zu umfahren. Egal wie viele Spuren die Brücke hat. An den Zufahrten durch die Innenstadt ändert sich ja nichts.

  • Ich hätte von Zastrow eher eine achtspurige Brücke erwartet. Die war vorher vierspurig und wird es wieder, es ändert sich also nichts. Verkehrswende, Klimaziele, das ist doch alles leeres Gerede. Gespart wird einzig bei der DVB.

  • CDU, FDP und Team Zastrow sind in Dresden hinlänglich als Autolobby bekannt. Deswegen verweigern sie sich konsequent vernünftigen Diskussionen.

  • Irgendwas haben sie doch vergessen, fängt mit Kl an und endet mit el.

    Mmhh, ach ja, Klüngel!

  • Wer Dresden mit Sinn für Ästhetik, Geschichte und städtische Identität betrachtet, kann kaum ernsthaft eine ähnlich trostlose Betonbrücke wie die alte Carolabrücke wieder errichten wollen. Wenn diese Brücke eines war, dann ein Mahnmal dafür, wie man städtebauliches Potenzial verspielt – funktional, aber gesichtslos.

    Jetzt besteht die Chance, etwas zu schaffen, das nicht nur dem Verkehr dient, sondern auch architektonisch überzeugt und stadtgestalterisch Maßstäbe setzt.

    Dass diese Debatte nun ausgerechnet unter Mitwirkung der FDP und des „Team Zastrow“ geführt wird, ist bezeichnend – und bedauerlich. Gerade Christian Zastrow, früher in der FDP, steht wie kaum ein anderer für eine autozentrierte Verkehrspolitik im Stil der 90er Jahre. Fußgänger, Radfahrer und lebendige Stadträume bleiben da konsequent auf der Strecke.

    Unter Dresdnerinnen und Dresdnern ist das Bündnis längst als „Parkplatz-Zastrow“ bekannt – mit plakativen Sprüchen, einfachen Reizthemen und einem Weltbild, das sich eher an Boulevardmedien als an zukunftsorientierter Stadtentwicklung orientiert. Hier geht es meist nicht um Visionen, sondern um eine Politik von gestern.

  • Da sieht man sehr schön an was es in diesem Land krankt. Die Varianten die man beschließen kann sind mit leicht unterschiedlichen bürokratischen Verfahren belastet, dabei ist das was wirklich zu beachten ist Physik (Statik, Dynamik). Da liegen die limitierenden Faktoren, dass man eine neue Brücke braucht ist wohl klar, da sollte der Ansatz doch jetzt sein, wie bekomme ich eine Brücke möglichst schnell, dauerhaltbar mit möglichst geringen Unterhaltungsaufwand und kostengünstig. Da muss man jetzt nicht wirklich das Rad neu erfinden, oftmals hilft Modulbauweise mit einem hohen Vorfertigungsgrad.

  • Warum sollte die vierspurige Variante mehr Verkehr in die Innenstadt locken, wenn die alte Brücke bisher auch schon vier Spuren hatte?

    • @gyakusou:

      Tja, diese Argumentationskette erscheint mir auch unlogisch. Aber deswegen ist es auch unlogisch, hier wieder auf vier Spuren zu bestehen. Die Verkehrsprognosen gehen von weiter sinkenden Zahlen aus. Da muss man schon recht verblendet sein, dies nicht anzuerkennen.

  • Die Carolabrücke ist eine Querungs-Variante für die Tram, für Fußgänger, Radler und auch Autos.



    Kosten niedrig, Verkehrswende auf Kurs halten - schon die Waldschlösschenbrücke war ein eher sinnarmer Autoverkehrssog für die Umländer. Da kann mensch jetzt mal andersherum agieren. Wir werden aus Klima-, Lärm-, Feinstaub-Gründen ohnehin weniger Privatautoverkehr haben (müssen) - das sollten wir bei allem im Kopf haben.