piwik no script img

Wieder mehr CO2-EmissionenEine Fünf für den Klimastreber

Ist Deutschland das Vorbild beim Klimaschutz, als das es sich gern bezeichnet? Womöglich ist das eigene Klimaziel für 2020 schon jetzt tot.

Braucht keiner? Von wegen. In Deutschland wurde 2015 wieder mehr Braunkohle verheizt: Tagebau Welzow Foto: dpa

BERLIN taz | Das deutsche Klimaparadox ist wieder da: Obwohl im vergangenen Jahr 33 Prozent des Stroms aus Öko-Energie kam, sind die Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) offenbar wieder um 1,1 Prozent gestiegen. Das geht aus einer Schätzung des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FOES) im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion hervor.

Damit wird es immer unwahrscheinlicher, dass die Bundesregierung ihr Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2020 erreicht.

Das FOES bezieht sich mit seiner Abschätzung auf vorläufige Zahlen. Demnach wurden 2015 etwa 10 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen als im Vorjahr, insgesamt 912 Millionen. Der Grund: Der Winter war lang, es wurde mehr geheizt; in Kraftwerken wurde weniger Steinkohle und mehr dreckige Braunkohle verbrannt, die Industrie setzte mehr Schweröl ein und die Autofahrer tankten mehr klimaschädlichen Diesel.

Ohne den kalten Winter sähe die Bilanz allerdings deutlich besser aus, heißt es in dem Kurzgutachten: „Temperaturbereinigt sank der Energieverbrauch gegenüber dem Vorjahr um 1,5 bis 2 Prozent.“

Wenn sich die Schätzungen bewahrheiten, schreibt der Klima-Vorreiter Deutschland einen peinlichen Trend der letzten Jahre fort, der nur 2014 unterbrochen worden war. Auch von 2011 bis 2013 waren die Emissionen jedes Jahr leicht nach oben geklettert.

Peinlicher Trend

Insgesamt hat Deutschland bisher seinen Ausstoß gegenüber 1990 um 27 Prozent gesenkt. Um das Klimaziel von 40 Prozent bis 2020 zu erreichen, müssten jetzt in nur fünf Jahren insgesamt 13 Prozentpunkte erreicht werden - eine Reduktion von fast drei Prozent pro Jahr. „Insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Senkung des Energieverbrauchs sind größere Fortschritte notwendig“, heißt es von den Gutachtern.

Bärbel Höhn, grüne Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, sprach von einer „harten Klatsche für die Bundesregierung“. Bei der Klimakonferenz habe diese noch „scheinheilig dafür gekämpft, dass andere Länder schädliche Klimagase reduzieren“, jetzt folge der „Offenbarungseid im eigenen Land, weil man an den selbst gesteckten Klimazielen scheitert“. Das zuständige Bundesumweltministerium wollte die Zahlen nicht kommentieren, man warte auf die offiziellen Daten aus dem Umweltbundesamt.

Auch weltweit gibt es schlechte Nachrichten vom Klima. 2015 stieg die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre auf 403,5 ppm (parts per million), meldete die US-Wetterbehörde NOAA. Das sei der rascheste Anstieg seit 56 Jahren, das Tempo sei „schneller als in den letzten hunderttausend Jahren“, hieß es. „Im Vergleich zu natürlichen Prozessen ist das eine Explosion.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    CO2 ist nicht klimaschaedlich. Das zeigt sich z.B. daran, dass in den letzten fast 20 Jahren die Globaltemperatur praktisch unveraendert blieb, waehrend die CO2-Konzentration erheblich angestiegen ist.

  • Irgendein Institut gibt eine "Schätzung" zum Besten und Frau Höhn weiß Bescheid. Dass die Grünen auch nicht intelligenter sind, ist doch schon lange bekannt.

  • Die "Grünen" brauchen hier überhaupt nicht auf den Putz zu hauen. Von ihnen gehen in der Praxis (der Regierungsverantwortung) keinerlei Impulse für eine Umgestaltung des Verkehrssektors - des wesentlichen Treibers der Emissionen - mehr aus.

     

    Auf Wahlkampfveranstaltungen der Grünen in Baden-Württemberg kam das Wort "Bahn" buchstäblich überhaupt nicht vor. Stattdessen angstvolles Hinterhergehechle der Herren Kretschmann und Hermann (grüner Verkehrsminister) hinter der Verkehrspolitik der CDU: daß unter Grün-Rot mehr Millionen EUR in den Strassenbau gesteckt worden sei.

     

    Die kritiklose Verbeugung des Herrn Ministerpräsidenten nicht nur vor Frau Merkel sondern auch vor der Autoindustrie ist vollkommen. Autonome LKWs - "eine feine Sache". Keinerlei Kritik an der enorm schleppenden Entwicklung nachhaltiger Motorentechnik. Bei Porsche darf es ruhig noch 6 Jahre dauern bis ein Sportwagen mit 700 PS auf die Strasse kommt. 130 PS in 2 Jahren tun es nicht.

     

    Mit der begleitenden Zustimmung für das Nadelöhr Stuttgart 21 sorgen die Grünen mit für die Zerstörung eines bedeutenden regionalen Bahninfrastrukturknotenpunkts.

     

    Mit Handeln und der Klimaproblematik hat es denn bei den faulen Grünen noch ewig Zeit.

  • Das erwähnte Paradox ist keines, wenn man den Anteil der Stromgewinnung zum übrigen in Relation setzt. Den Löwenanteil stellt Hausbeheizung. Das ist schon eher paradox, wenn der ja so "kalte" Winter 2015/16 dafür verantwortlich ist, dass die CO2-Emission gestiegen ist. Man möchte meinen, dass vernünftigerweise auch den Sommer über weiter geheizt werden sollte, dass so etwas nicht mehr vorkommt, dank Klimaerwärmung; Hauptsache wir erreichen das Emissionsziel.

    "Ohne den kalten Winter sähe die Bilanz allerdings deutlich besser aus, heißt es in dem Kurzgutachten,"

    Hey Winter, lass dir nicht so einen Scheiß einreden !