piwik no script img

Widerstand von Umweltschützern„Monte Kali“ versalzt alles

Der Düngerproduzent K+S denkt über die Wiedereröffnung der Grube Siegfried bei Hildesheim nach. Proteste verzögern das Projekt.

Sieht aus wie eine Fotomontage, ist aber echt: In Giesen bei Hildesheim türmen sich 20 Millionen Tonnen salzhaltigen Abraums. Foto: dpa

HANNOVER taz | Proteste und Bedenken verzögern die Wiederaufnahme der Produktion im umstrittenen Kalibergwerk Siegfried-Giesen bei Hildesheim. „Ein ursprünglich für September geplanter Erörterungstermin mit dem Bergwerksbesitzer Kali+Salz (K+S), Umweltschützern und Anwohnern ist verschoben worden“, sagte eine Sprecherin des Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) zur taz. Das Treffen werde voraussichtlich erst im November oder Dezember stattfinden können, so K+S-Sprecher Ulrich Göbel.

Grund für die Verzögerung ist massive Kritik von Umweltverbänden, Anliegern und Landwirten: Kalibergwerke gelten als extrem umweltschädlich – zusammen mit dem Mineraldünger werden auch Millionen Tonnen unreines Salz gefördert, dass nach Darstellung von K+S nicht rentabel zu vermarkten ist (siehe Kasten). Stattdessen schüttet der Dax-Konzern das Salz zu Hunderte Meter hohen Halden auf, verpresst es in gelöster Form in den Boden oder kippt es in Flüsse.

Am K+S-Standort im hessischen Heringen ragt der Salzberg „Monte Kali“ deshalb mehr als 200 Meter in die Höhe. Die vorbei fließende Werra gilt als der salzigste Fluss Europas: Süßwasserlebewesen finden in ihr keine Lebensgrundlage mehr, auf den umliegenden Böden siedeln salzliebende Pflanzen. Massiv belastet wird auch die Weser, in die die Werra mündet.

Doch die Abraumhalden der Kalibergwerke verderben auch das Grundwasser: Durch Regen wird Salz ausgewaschen. Eine typische, rund 100 Meter hohe Halde, könne in 1.000 Jahren „wegregnen“, warnen Umweltschützer: „Kalihalden gefährden Grund- und Oberflächengewässer und die davon abhängigen Ökosysteme – und zwar nicht nur im näheren Umfeld“, betonte Ralf Krupp, Gutachter und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Umweltverbands BUND in Niedersachsen.

Schon heute liegen in Giesen bei Hildesheim 20 Millionen Tonnen salzhaltiger Abraum auf Halde. Sollte das Bergwerk, das von 1906 bis 1987 in Betrieb war und von K+S danach in Reserve gehalten wurde, seine Produktion wieder aufnehmen, dürften 20 Millionen Tonnen und mehr dazukommen, bestätigt Konzernsprecher Göbel. Bereits Anfang 2014 warnte BUND-Beirat Krupp deshalb, durch das Salz auf der neuen Halde könnten im ungünstigsten Fall mehr als 100 Milliarden Kubikmeter Süßwasser versalzen werden.

Auch bei Niedersachsens rot-grüner Regierung sorgt es für Streit. Der SPD-Landeswirtschaftsminister Olaf Lies macht sich für den Kalibergbau stark, verweist auf rund 900 Arbeitsplätze, die durch die Wiederbelebung der Grube geschaffen werden könnten – und legt sich auch mit Bewohnern und Bauern an: Die Anlieger fürchten Staub, Abgase Sprengstoffrückstände und Lärm, die Landwirte den Verlust von 210 Hektar Acker durch Neubau von Werksanlagen und die neue Halde.

Den grünen Umweltminister Stefan Wenzel sorgt die Gefährdung des Wassers. Zurück unter Tage müsse das Salz, fordert er – die von K+S vorgeschlagene „vollständige Abdeckung“ der Halden sei keine optimale Lösung. „Ohne Rückstände geht es nicht“, hält dagegen K+S-Konzernchef Nobert Steiner Umweltschützern immer vor – wer Kalijobs wolle, müsse „aushalten, dass Emissionen da sind“.

Salzabfall

Das bei der Kaliherstellung anfallende Salz ist zumindest nach Darstellung des Produzenten K+S wirtschaftlich nicht vermarktbar:

Durch Gips- und Tonanteile entspreche es nicht einmal den Anforderungen an Streusalz für winterliche Straßen.

Technisch und chemisch sei es zwar möglich, das Salz in Wasser aufzulösen, die unerwünschten Anteile zu entfernen und aus der dann vorhandenen gereinigten Natriumchlorid-Lösung Siedesalz zu gewinnen.

Dieses Siedesalz könnte dann zwar theoretisch als Grundstoff in der chemischen Industrie, etwa in der Chlor-Alkali-Elektrolyse, verwandt werden, räumt K+S ein. Allerdings sei dies viel zu teuer. Auch in Deutschland gebe es Industriesalz-Vorkommen, aus denen Natriumchlorid direkt in der nötigen Reinheit gefördert werden könne.

Der hohe Energieaufwand bei der Erzeugung des Siedesalzes sei außerdem ebensowenig zu rechtfertigen wie die langen Transportwege, argumentiert der Konzern formell umweltbewusst.

Beim Werk Siegfried-Giesen sei ohne neue Halde „der Betrieb technisch und wirtschaftlich nicht vorstellbar“, bekräftigt auch Steiners Sprecher Göbel – schließlich steckt K+S mitten in einem Übernahmekampf gegen den kanadischen Konkurrenten Potash, der den Dax-Konzern schlucken möchte. Ob die alte Grube wirklich mit Investitionen von mehreren 100 Millionen Euro wieder eröffnet wird, will K+S deshalb endgültig erst 2016 entscheiden – mit „Blick auf die Lage auf dem internationalen Kalimarkt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Welches Problem gibt es denn bei der Nutzung des Salzes als Versatzmaterial in ausgesalzten Grubenbereichen und abgeworfenen offenen Strecken? - Man könnte auf diese Weise Bergschäden vorbeugen - und die mögliche Laugung des Versatz-Salzes durch Grundwasserzutritt dürfte erheblich geringere Mengen an Wasser kontaminieren als die Lagerung und Auswaschung unter freiem Himmel.

  • Man sieht es immer wieder. Der SPD ist die Umwelt egal.