piwik no script img

Widerstand in der Dutschke-StraßeKoch an die Wand genagelt

Seit Ende April heißt die östliche Kochstraße Rudi-Dutschke-Straße. Ein Vermögensverwalter leistet noch Widerstand - Dutschke wäre stolz auf ihn.

Unübersehbar: Das Haus Kochstr. 60 in der Rudi-Dutschke-Straße Bild: TAZ

Ganz Kreuzberg war für die Umbenennung der Kochstraße in die Rudi-Dutschke-Straße. Ganz Kreuzberg? Nein. Ein Galerieliebhaber leistet dem Volk bis heute eindringlich Widerstand. Seine Kampfansage prangt seit Dienstag unübersehbar an dem Haus mit der Adresse Rudi-Dutschke-Straße 26: "Kochstr. 60 seit 1734" steht dort in bronzefarbenen Edelstahllettern über dem Haupteingang - direkt gegenüber der taz.

Eine raffinierte Öffentlichkeitsstrategie, wie sie subversiver kaum sein könnte. Denn der Vermögensverwalter, Hausbesitzer und erklärte Dutschke-Gegner Jan Pieper musste sich im Kampf gegen die von der taz erkämpfte Straßenumbenennung nach heftiger Gegenwehr geschlagen geben. In einem Bürgerentscheid in Friedrichshain-Kreuzberg im Januar 2007 hatte eine große Mehrheit für den Studentenführer auf dem Straßenschild votiert; auch eine Klage mehrerer Anlieger - darunter die Axel Springer AG - blieb erfolglos.

Doch wer ein Haus in der Rudi-Dutschke-Straße hat, dessen Auflehnung scheitert ganz sicher nicht an formalen Beschlüssen. Und so weist der frisch polierte Schriftzug eindrücklich auf den hartnäckigen Straßenkampf Piepers hin. Er lehnt sich damit gegen die ignoranten Beschlüsse einer verblendeten Massenbewegung auf: Ideenreichtum und Kreativität, gepaart mit dem etablierten Charakter des Anarchosubversiven, die deutliche Botschaft in Edelstahl gegossen - kann Protest noch schöner sein? Rudi Dutschke wäre stolz auf ihn.

Und: So schön gelang das vorher noch niemandem. Denn die Jan Pieper Vermögensverwaltungs GmbH & Co. Kochstraße KG ist nicht die erste Partei, die einfallsreich nach Strategien sucht, um den neuen Straßennamen zu vermeiden. Auch die Bundesingenieurkammer, die im nahe gelegenen GSW-Hochhaus untergebracht ist, hat ihre eigene Antwort gefunden: Nach der offiziellen Umbenennung der Kochstraße am 30. April dieses Jahres haben die Ingenieure ihren Briefkasten einfach an die Hintertür gehängt - und bekommen ihre Post jetzt in die Charlottenstraße. Diese kreuzt die Rudi-Dutschke-Straße.

Überhaupt ist der neue Name noch nicht bei allen etabliert. Google Maps kommt bisher noch ohne ihn aus; selbst Taxifahrer und Pizzalieferanten kämpfen noch - wie taz-RedakteurInnen leidvoll erfahren mussten - mit der neuen Zielvorgabe. Nun werden sich Taxifahrer an die einzige Kochstraßen-Adresse gewöhnen müssen, die in der Rudi-Dutschke-Straße liegt - das ist der Preis, den der Vermögensverwalter an Dutschke zahlen muss. Jan Pieper, uns gehört die Straße. Dir gebührt Respekt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • HM
    Herr Martin

    Es ist bedauerlich, daß eine einzelne Firma (in diesem Fall ein Zeitungsverlag) offenbar für Werbezwecke eine Straße traditionsreichen Namens nach ihrem Gebäude benennen kann und dafür die Unterstützung befreundeter Parteien erhält. Die Aussonderungen des neuen Namenspatrons nannte Wiglaf Droste in der taz "Quark auf Stelzen"...