Widerstand gegen Junta in Myanmar: Rebellen auf dem Vormarsch
Im nordöstlichen Shan-Staat fügt eine Allianz Aufständischer dem Militär die größte Niederlage seit dessen Putsch 2021 zu.
Am Samstag erklärte die Rebellenorganisation MNDAA (Myanmar Nationalities Democratic Alliance Army), die Allianz habe inzwischen 106 Militärposten und vier Kleinstädte erobert. Die drei hauptbeteiligten Rebellengruppen setzen geschätzte 20.000 Kämpfer ein. Angaben über ihre Verluste gibt es nicht.
Im Krieg zwischen der Junta und der bewaffneten wie zivilen Opposition lassen sich Berichte kaum unabhängig überprüfen. Doch letzten Donnerstag räumte Juntasprecher Zaw Min Tun laut der Agentur AFP ein, das Militär habe die Kontrolle über die Grenzstadt Chinshwehaw verloren. „Regierung, Verwaltungs- und Sicherheitsorgane sind nicht länger vor Ort“, erklärte er und sprach von Kämpfen in zehn Orten, ohne Details zu nennen.
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Chinshwehaw ist der wichtigste Grenzübergang nach China. Hier nimmt das Regime einen Großteil seiner Zölle im Handel mit der Volksrepublik ein, dem größtem Handelspartner. Die Rebellen behaupten, auch den Zugang zur Grenzstadt Muse weiter nördlich zu kontrollieren. China hat die Grenze inzwischen geschlossen. Mindestens 500 Zivilisten sind laut UN-Nothilfeorganisation Ocha schon in die Volksrepublik geflohen. 23.000 weitere sind innerhalb des Shan-Staates auf der Flucht vor den Kämpfen, wo Ocha zuvor 14.470 Binnenvertriebene zählte.
Rebellen: „Armee hat ihren Kampfwillen verloren“
In der Region ist das Großprojekt einer grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindung im Rahmen von Chinas neuer Seidenstraße geplant. Neben der MNDAA erklärten auch die an der Allianz beteiligte Ta’ang National Liberation Army (TNLA) und die Arakan Army (AA), wichtige Straßen eingenommen und insgesamt mindestens 170 Soldaten getötet zu haben. Laut dem oppositionsnahen Portal Irrawaddy ergab sich ein Bataillon den Rebellen. Fotos zeigen viele erbeutete Waffen. Die MNDAA erklärte am Samstag: „Die meisten Juntatruppen haben ihren Kampfwillen verloren. Sie legen angesichts unserer koordinierten Angriffe lieber ihre Waffen nieder.“
Juntachef Min Aung Hlaing kündigte am Freitag eine Gegenoffensive an, von der aber noch nichts zu merken ist. Das Militär hat Probleme, Verstärkung in die Region zu bekommen. Es konzentriert sich auf Luftangriffe mit Jets und Hubschraubern aus russischer Produktion. Noch haben die Rebellen nicht die wichtige Stadt Lashio (131.000 Einwohner) eingenommen, den Sitz des regionalen Militärkommandos. Lashios Flughafen ist bereits geschlossen.
Laut dem oppositionsnahen Portal Frontier sorgen mit Bombenanschlägen untermauerte Forderungen nach Revolutionssteuern in Lashio für Unruhe. Unklar sei, wer dahinter steckt. Das Onlineportal zitiert einen Rebellensprecher, der Besteuerung einräumt, aber die Durchsetzung mittels Bomben kategorisch dementiert. In der für Gesetzlosigkeit bekannten Region blühen Drogenhandel, Glücksspiel und Cyberkriminalität, in die Militärs wie Rebellen verwickelt sind.
Zwar schützt China das Militärregime vor internationaler Verurteilung. Doch fordert Peking beide Seiten zu einer sofortigen Waffenruhe auf. Letzte Woche war Chinas Minister für öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, zu einem geplanten Besuch sowohl an der Grenze wie zu Gesprächen in der Hauptstadt Naypyidaw. Details wurden nicht bekannt. China ist an Stabilität an seiner Grenze wie generell in Myanmar interessiert. Es sorgt sich um seine Investitionen, vor Unruhe unter seiner ethnischen Bevölkerung nahe der Grenze und um seine geostrategischen Interessen.
Russland ist die größe Stütze der Militärjunta
Die größte internationale Stütze der Junta ist Russland. Am Freitag legten drei russische Zerstörer in Yangons Hafen an. Sie wollen mit Myanmars Marine ein erstes bilaterales Manöver durchführen. Anders als in Syrien scheint Russland das Regime nicht direkt durch militärisches Engagement unterstützen zu wollen. Doch dürfte Moskaus Rückhalt für Myanmars Militär moralisch wichtig sein.
Die im Untergrund operierende demokratische Gegenregierung, die selbst nur wenige der bewaffneten Oppositionsgruppen kontrolliert, begüßte den Vormarsch der Rebellen im Shan-Staat. Der in Bangkok lebende Militäranalyst und Sicherheitsexperte Anthony Davis schreibt in der Asia Times, dass der bewaffnete Konflikt in Myanmar eine Dynamik erreicht habe, dass die lange Zeit gültige Analyse eines militärischen Patts nicht mehr aufrecht zu erhalten sei.
Das Militär bleibe zwar zweiterhin „rücksichtslos, diszipliniert und finanziell gut ausgestattet“, so Davies. Aber der Widerstand sei so stark gewachsen, dass er nicht mehr einfach ausgeschaltet werden können. Und dass trotz eines „anarchischen Flickenteppichs von Volksverteidigungskräften und ethnischen bewaffneten Gruppen sowie dem auffälligen Fehler einer charismatischen Führungsfigur, strategischer Kohäsion oder externer Unterstützung.“
Experte: Rebellenerfolge dank Aufrüstung und Einigkeit
Davies führt die gewachsene Stärke der Juntagegner auf die erfolgreiche Beschaffung kleiner und leichte Waffen zurück. Das habe zum Verlust der Kontrolle der Armee über viele städtische Regionen geführt. Auch sei es bisher nicht zu „organisierten Machtkämpfen“ innerhalb zwischen den Rebellengruppen gekommen.
Zugleich sieht Davies eine zunehmende Überdehnung der Kräfte des Militärs, worauf er dessen wachsende Unfähigkeit zu größeren Offensiven zurückführt. Er hält deshalb einen Übernahme des gesamten nördlichen Shan-Staates durch die Rebellenallianz für möglich, schließt aber auch eine Übernahme des Gebietes duch die United Wa State Army nicht aus. Das ist eine hochgerüste Rebellengruppe, die sich aus dem Drogenhandel finanzieren soll und einen Waffenstillstand mit dem Militär geschlossen hat.
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