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Wetterbilanz des Sommers 2022Zu heiß, zu trocken, bald typisch

Nie zuvor hat der Deutsche Wetterdienst so viel Sonnenschein registriert wie in diesem Sommer. Solche Extreme werden bald normal, sagen Klimaforscher.

Das trockene Flussbett der Dreisam bei Tenningen in Baden-Württemberg Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Offenbach afp/dpa/taz | Hitzewellen bis in den hohen Norden, ausgetrocknete Flüsse und verdorrte Felder: Deutschland hat in diesem Jahr laut einer ersten Bilanz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach einen der trockensten und heißesten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn erlebt. Demnach gehörte er mit einer Durchschnittstemperatur von 19,2 Grad Celsius zu den vier wärmsten bislang registrierten Sommern der vergangenen rund 140 Jahre.

Zugleich war der diesjährige Sommer mit einem Niederschlagsmittel von rund 145 Litern pro Quadratmeter auch der sechsttrockenste, wie der Wetterdienst am Dienstag unter Verweis auf eine vorläufige erste Auswertung der Daten seiner 2.000 Messtationen mitteilte. Bei der Sonnenscheindauer gab es mit 820 Sonnenstunden von Juni bis August demnach sogar einen neuen Rekord.

„Wir dürften damit in Zeiten des Klimawandels einen bald typischen Sommer erlebt haben“, erklärte DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Er verwies dabei auf Entwicklungen wie extrem niedrige Wasserstände in Flüssen, Waldbrände und Notstände bei der Trinkwasserversorgung. „Die Extreme dieses Sommers zeigen sich auch in unserer Klimastatistik.“ Eine systematische Wetteraufzeichnung, die Vergleiche erlaubt, gibt es in Deutschland seit dem Jahr 1881.

Verfestigender Trend zum Klimawandel

Auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sprach von einem sich verfestigenden Trend durch den weltweiten Klimawandel. „Der Sommer 2022 ist erneut ein Warnzeichen dafür, dass extremere Sommer bereits zur Regel geworden sind“, erklärte PIK-Meteorologe Peter Hoffmann. Zwar schwankten die Bedingungen jeweils von Jahr zu Jahr und Ort zu Ort. „Aber grundsätzlich ist auch in den kommenden Jahren leider keine Entspannung zu erwarten.“

Mit einer Durchschnittstemperatur von 19,2 Grad waren die drei Sommermonate nach Erkenntnissen der Meteorologinnen und Meteorologen des DWD deutlich zu warm. Der Wert lag um 2,9 Grad über jenem Durchschnittswert, der gemäß der sogenannten Referenzperiode 1961 bis 1990 zu erwarten wäre. Diese dient Expertinnen und Experten weltweit als Standardbasis für Langzeitvergleiche.

Deutlich weniger Regen

Bei den Niederschlägen wurde hingegen ein deutliches Minus verzeichnet. Laut DWD lag deren Summe für die drei Monate Juni, Juli und August im bundesweiten Schnitt 40 Prozent unter dem laut Referenzperiode zu erwartenden Wert von 239 Litern pro Quadratmeter. In Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland gab es sogar eine historische Sommerdürre. Aber auch insgesamt waren die Böden ähnlich trocken wie im Dürrejahr 2018, Felder und Wiesen verdorrten.

Nach Angaben des Wetterdiensts gab es Ernteeinbußen etwa bei Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben. Auch die Erträge des kommenden Jahres dürften durch die große Trockenheit, die auch den Wäldern erneut enorm zusetzte, bereits betroffen sein. Demnach sind die Bedingungen für die Herbstaussaat „derzeit ungünstig“.

35 Prozent mehr Sonnenschein

Bei der Sonnenscheindauer registrierte der Wetterdienst in diesem Sommer einen neuen Spitzenwert. Mit einer Sonnenscheindauer von fast 820 Stunden wurde der Referenzperiodenwert um 35 Prozent überschritten und der bisherige Rekord aus dem Sommer 2003 mit 793 Stunden eingestellt. Der damalige Sommer war ebenfalls sehr heiß und sonnig. Er hält auch den bisherigen Spitzenwert für den wärmsten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn mit einem Temperaturdurchschnitt von 19,7 Grad.

Aus meteorologischer Sicht erwiesen sich alle drei Sommermonate als sehr warm und trocken, allerdings ragte der Juli mit wiederholten Hitzewellen besonders heraus. Währenddessen wurden etwa neue Rekorde im ansonsten tendenziell kühlen Norddeutschland gemessen. So verzeichnete Hamburg am 20. Juli mit 40,1 Grad erstmals einen Wert über der 40-Grad-Marke. Auch in Niedersachsen mit 40 Grad und Schleswig-Holstein mit 39,1 Grad wurden an jenem Tag Rekorde eingestellt. Diese Rekordtemperaturen erschrecken nicht nur Statistiker. Sie führen auch zu mehreren Hundert Toten an heißen Tagen.

Berlin war in diesem Sommer zusammen mit dem Saarland das wärmste Bundesland in Deutschland. Die Hauptstadt kam im Juni, Juli und August auf eine Durchschnittstemperatur von 20,6 Grad, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) auf Basis vorläufiger Berechnungen am Dienstag mitteilte.

Mehr Dürre, öfter Sturzregen

Das PIK warnte insbesondere vor einer sich verschärfenden Dürrekrise bei einer gleichzeitig steigenden Gefahr extremer örtlicher Sturzregenereignisse durch die global steigenden Temperaturen. Auch in Deutschland sei die Trockenheit eine Folge sich verändernder Regenmuster bei gleichzeitig zunehmender Verdunstung. Flusspegel und Wasserspeicher erreichten zudem „schneller kritische Werte“, wenn mehrere Dürrejahre dicht aufeinander folgten, betonte PIK-Experte Hoffmann.

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7 Kommentare

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  • 50 % weniger gefüllte Wasserspeicher (Talspeeren, Grundwasser)

  • "35 Prozent mehr Sonnenschein"



    Das ist doch gut für die Energiewende. Ca. 30 % mehr Solarstrom!

  • Hier sollte man mal das Umweltbundesamt zitieren um den subjektiven Eindrücken objektive Zahlen entgegenzusetzen:



    "Seit 1881 hat die mittlere jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland um rund 10 Prozent zugenommen. Dabei verteilt sich dieser Anstieg nicht gleichmäßig auf die Jahreszeiten. Vielmehr sind insbesondere die Winter deutlich nasser geworden, während die Niederschläge im Sommer geringfügig zurückgegangen sind."

    www.umweltbundesam...Cckgegangen%20sind.

    Was die aud dem Bild dargetsellt Dreisam angeht: auch hier sollte man mal schauen was sich ausse der Niederschlagsmenge sonst noch in den letzten 20 Jahren verändert hat. Ich nenne nur die zunehmende Versiegelung der Flächen und der Abbau der Stauwehre ("Querbauwerke") im Zuge der Renaturierung. Beides führt dazu dass Wasser wenn es regnet schneller abläuft und weniger Grundwasser gespeichert wird. Wenn es dann eine Trockenperiode gibt, ist kein Grundwasser vorhanden um den Fluss am Laufen zu halten, et voila! Es braucht also keinen Klimawandel, der Mensch alleine schaffft das auch.

    • @Gerald Müller:

      "Hier sollte man mal das Umweltbundesamt zitieren um den subjektiven Eindrücken objektive Zahlen entgegenzusetzen:"



      Sind denn die im Artikel zitierten Zahlen des DWD "subjektive Eindrücke"?



      Und ist es objektiv kein Problem wenn die Niederschläge (im statistischen Mittel) sich in vier Wintermonaten derart stark häufen, dass sie die andauernde Trockenheit von 8 Sommermonaten überkompensieren? Zumal das UBA ja selbst darauf hinweist, ihre Zahlen seien "im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass bis etwa 1920 nur selten überdurchschnittlich niederschlagsreiche Jahre aufgetreten sind. Im Anschluss [...] traten ab Mitte der 1960er Jahre dann auch einige sehr regenreiche Jahre auf"

  • Gerade wurde in der Tagesschau gesagt, dass es die meisten Sonnenstunden eines Jahres seit Beginn der Aufzeichnungen zu diesem Thema im Jahre 1951 seien. Das sollte man schon beachten, der Beobachtungszeitraum ist nicht allzugroß.

    • @H2Wirtschaft:

      Einfach mal nachrechnen. Die Chance darauf, dass ausgerechnet das letzte Jahr dieses Beobachtungszeitraums rein zufällig auch das mit den meisten Sonnenstunden ist liegt bei gerade mal 1,4%.

  • "Solche Extreme werden bald normal, sagen Klimaforscher."



    Naja, genau genommen hat sich das doch bereits normalisiert bzw. gibt es diese Tendenzen doch schon seit einer Weile gerade was Trockenheit angeht - siehe auch die Jahre 2018, 2019 ...