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Werbung der BundeswehrRekrutieren statt Rechnen

Nicht nur der „Tag der Bundeswehr“ am Samstag kostet Millionen. Bei der Nachwuchsrekrutierung scheut die Truppe weder Kosten noch Mühen.

Bundeswehrsoldaten mit einer lasergesteuerten Sprengbombe: „Vor allem die Kleinsten unter uns werden in Punkto Spaß auf ihre Kosten kommen“ Foto: dpa

Berlin taz | Im sächsischen Frankenberg bietet das Panzergrenadierbataillons 391 ein „Leben im Felde“, ein „Lazarett zum Anfassen“ gibt es im mecklenburg-vorpommerischen Rostock, im schleswig-holsteinischen Hohn demonstriert das Kommando Spezialkräfte (KSK) eine Geiselbefreiung und die Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr spendiert „Souvenirs und kulinarische Spezialitäten aus aller Welt“. Mit einem „Mitmach-Programm“ lockt die Falckenstein-Kaserne in Koblenz: „Vor allem die Kleinsten unter uns werden in Punkto Spaß auf ihre Kosten kommen.“ An diesem Samstag will sich das deutsche Militär von seiner besten Seite zeigen: „Beim Tag der Bundeswehr“.

Als „Showveranstaltung mit Volksfestcharakter“ kritisiert das Bündnis Bonner Friedensgruppen das zum zweiten Mal stattfindende Event, bei dem die Bundeswehr an bundesweit 16 Standorten Imagewerbung in eigener Sache betreibt. „Es darf nicht sein, dass Kinder auf Panzerfahrzeugen herumturnen und Jugendliche mit Karrierewerbung überzogen werden“, sagt Bündnis-Sprecher Martin Singe.

Nach Angaben von Alexander Neu, Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, kostet der „Tag der Bundeswehr“ knapp 2,4 Millionen Euro. „Angesichts leerer Kassen in den Kommunen, mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder der Flüchtlingsherausforderung ist diese Summe mehr als unangemessen“, sagt Neu.

Insgesamt gibt die Bundeswehr allerdings noch weitaus mehr für Gewinnung neuer Kräfte aus, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Danach stiegen die Gesamtkosten für die Nachwuchswerbung von 29,9 Millionen im Jahr 2014 auf 35,26 Millionen in 2015. Vor fünf Jahren – also vor der Abschaffung der Wehrpflicht – hatte der Etat noch bei 12 Millionen Euro gelegen.

23,8 Millionen Euro für Personalwerbung

Ebenfalls gestiegen, sind die Ausgaben für gezielte Personalwerbung. Um 2,7 Millionen Euro 2014 auf 23,8 Millionen im vergangenen Jahr. 2010 lag dieser Etatposten noch bei fünf Millionen Euro. „Die hohe Intensität der militärischen Werbung läuft auf eine noch stärkere Militarisierung der Gesellschaft heraus“, kritisiert die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Klassenzimmer, Arbeitsagenturen und Jobmessen dürfen keine Rekrutierungsbüros werden“, fordert sie.

Wenn sie das nicht schon längst sind. 363.550 SchülerInnen hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr durch Vorträge, Messestände, Projekttage und Truppenbesuche mit ihren KarriereberaterInnen erreicht. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine weitere kleinen Anfrage der Linksfraktion hervor.

Rund 400 KarriereberaterInnen hat die Bundeswehr im Einsatz, um Jugendliche für einen Job bei der Truppe begeistern. Außerdem beschäftigt die Bundeswehr noch 84 weitere JugendoffizierInnen, die als „ReferentInnen für Sicherheitspolitik“ Schulen besuchen, Vorträge halten und Diskussionen führen. Sie dürfen jedoch nicht aktiv für einen Dienst bei der Armee werben. Die Bundeswehr schickte ihre JugendoffizierInnen zu über 3.000 Vorträgen und fast 700 Seminaren in Schulen und Universitäten, wo sie 111.000 Jugendliche erreichten. Insgesamt erreichte die Bundeswehr mit ihren Aktivitäten fast eine halbe Millionen Jugendliche.

Zielgruppe: Bravo-Leser

In den vergangenen Jahren war die Bundeswehr immer wieder für ihre Werbekampagnen in die Kritik geraten. So warb sie 2012 über die Jugendzeitschrift Bravo mit kostenlosen „Abenteuerausflügen“ nach Sardinien oder in die Alpen.

Zuletzt hatte sie 10,6 Millionen Euro für eine „hippe“ Werbekampagne unter dem „Mach, was wirklich zählt“ springen lassen und die mit Parolen wie „Was sind schon 1.000 Freunde im Netz gegen einen Kameraden“ oder „Krisenherde löschst du nicht mit Abwarten und Teetrinken“ für Unmut nicht nur in der pazifistischen Szene sorgte. Die AktionskünstlerInnen des Peng!-Kollektivs persiflierten die Kampagne mit ihrer Webseite machwaszaehlt.de.

Von einer „Militarisierung der Gesellschaft“ spricht die Linkspartei. „Die Bundeswehr ist kein Abenteuerspielplatz und Kriegseinsätze sind kein Trecking-Urlaub“, kritisiert Ulla Jelpke die Anwerbeaktionen: „Soldat der Bundeswehr zu sein bedeutet letztlich töten und getötet zu werden im weltweiten imperialistischen Kampf um Rohstoffe, Märkte und Einfluss.“

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24 Kommentare

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  • Wer die Wehrpflicht aussetzt muß halt damit rechnen, daß die Rekrutierung andere Wege gehen muß. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß nach der Wehrpflicht flächendeckend an jeder Schule im Abschlussjahr eine Veranstaltung der Bundeswehr stattfindet...war eigentlich überrascht, als nix passierte.

    • @Mephisto:

      Genau. Die Bundeswehr kommt nämlich schon ein paar Jahre vor dem Abschluss.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Die Jugendoffiziere kommen früher, die Rekrutieren aber nicht. Ich habe mich auf aktive Rekrutierung bezogen, die findet an Schulen nicht statt.

  • Von einer „Militarisierung der Gesellschaft“ spricht die Linkspartei

     

    Was für ein Unsinn.

    • @Justin Teim:

      Ich finde kein Argument zu ihrer Aussage.

      • @Rainer B.:

        Wer suchet - der findet.

        • @Justin Teim:

          Ostern war doch schon und wo keine Eier sind, findet man auch keine. Da können Sie noch so lange suchen.

  • Frohen Mutes bin ich nach der Schule meiner Einberufung zur Bundeswehr gefolgt. Als Bürger in Uniform, demokratisch und humanistisch geprägt, wollte ich meine Wehrpflicht erbringen.

    Ich traf dort auf preussischen Militärwahn, Verschleiß von Mensch und Material, Erfüllungsgehilfe einer antidemokratischen oligarchischen Klasse.

    Die Bundeswehr sollte als erstes in Klausur gehen, um sich klar zu machen, was ihre originäre Aufgabe ist: Landesverteidigung und humanistische Hilfe. Insofern hat Frau Jelpke recht, die Werbung der Bundeswehr zu kritisieren.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das ist vermutlich das erste mal seit dem Bestehen der Linken das sich dort jemand Sorgen um die Finanzierbarkeit von etwas macht. Dabei geht es hier nur um ein paar mickrige Millionen, nicht um Milliarden, wie sonst, wenn die Linke z.B. neue Sozialausgaben fordert.

     

    Von einer militarisierten Gesellschaft kann seit der Abschaffung der Wehrpflicht wohl kaum mehr die Rede sein. In welcher Fantasiewelt lebt Frau Jelpke bitte?

     

    Ich war selbst nie beim Militär und bin froh darüber. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist eine gute Sache aber irgendjemand muss den Job nunmal machen. Und das Rentner nicht die Zielgruppe sind ist wohl auch klar.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      ja, ich war beim Bund, bevor das Thema Verweigerung "griff". Grad aus der DDR gekommen wurde mir im Grundwehrdienst nahe der Zonengrenze einge-schärft:

       

      "Wenn im Nahkampf mit dem IWAN deine Munition ausgeht, einfach angeschärften Klappspaten "unten" rein - und einmal umdrehen".

       

      Erziehung nicht nur zur Gewalt, sondern auch zum Völkerhaß.

       

      Parallel mit mir war mein ostdeutscher Cousin bei der NVA, auch in Grenznähe: "Wir einfachen Soldaten hätten euch nie angegriffen!"

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Gion :

        Das die Anwendung von Gewalt zum Beruf eines Soldaten gehören kann ist klar und entsprechend auch das man dazu bereit und fähig sein muss. Das liegt auf der Hand und ist mit einer der Gründe aus denen ich dort nicht hin wollte.

         

        Dennoch kann man nicht so tun als würde man keine Soldaten brauchen. Man kann gerne darüber reden ob nicht weniger, dafür aber effizientere Streitkräfte sinnvoll wären. Da ganz abschaffen aber nicht geht muss man sich mit dem Gedanken arrangieren das es in unserer Gesellschaft Menschen gibt die darauf trainiert werden ohne zu zögern zu töten. So war es in jeder Gesellschaft die es vorher gegeben hat auch. Von daher ist es nicht so das uns das in irgend einer Weise schlecht dastehen lassen würde.

        Trotz all der Kriegsmaschinerie die es gibt leben wir in der friedlichsten aller Zeiten seit es die Menschheit gibt. Gemessen an der Gesamtpopulation sterben heutzutage weniger Menschen durch Gewalteinwirkung als je zuvor.

      • @Gion :

        "Wir einfachen Soldaten hätten euch nie angegriffen!"

         

        Natürlich nicht. Hätten sich lieber erschießen lassen, alles klar!

    • @33523 (Profil gelöscht):

      "Von einer militarisierten Gesellschaft kann seit der Abschaffung der Wehrpflicht wohl kaum mehr die Rede sein."

       

      Wenn man die Tatsache ausblendet, dass seither mehr denn je nach 1945 Krieg wieder zum Mittel der deutschen Politik avanciert ist, haben Sie Recht.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Da Sie wiederholt nicht dazu in der Lage waren Begriffsdefinitionen nachzuschlagen kopiere ich ihnen hier einfach mal den Anreißer von Wikipedia rein:

         

        "Als Militarismus wird die Dominanz militärischer Wertvorstellungen und Interessen in der Politik und im gesellschaftlichen Leben bezeichnet, wie sie etwa durch die einseitige Betonung des Rechts des Stärkeren und die Vorstellung, Kriege seien notwendig oder unvermeidbar, zum Ausdruck kommen oder durch ein strikt hierarchisches, auf Befehl und Gehorsam beruhendes Denken vermittelt werden."

         

        Dominanz militärischer Wertvorstellungen... das ich nicht lache. Vergleichen Sie die heutige Gesellschaft mal mit der die wir kurz vorm Ende des kalten Krieges hatten.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          "Vergleichen Sie die heutige Gesellschaft mal mit der die wir kurz vorm Ende des kalten Krieges hatten."

           

          Damals war Krieg kein Mittel deutscher Außenpolitik. Niemand forderte ein "starkes" Deutschland, das militärisch "Verantwortung" in fremden Ländern zu übernehmen habe.

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Militarismus ist dennoch das falsche Wort dafür. Militarismus beschreibt die Haltung des Volkes gegenüber dem Militär, nicht die tatsächliche Häufigkeit von Einsätzen.

             

            Das Militär war zwar kein Mittel der Außenpolitik, dafür gab es vor der eigenen Haustür permanent einen drohenden Krieg.

  • "Militarisierung der Gesellschaft"

    ? Die Bundeswehr ist doch so klein wie noch nie seit den 60ern?

    • @Dideldidum:

      So klein wie noch nie und so tödlich wie noch nie.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        wieso tödlich? Die Gewehre treffen nicht, die Hubschrauber fallen runter und die Panzer sind kaputt. Die BW ist eine pazifistische Armee. Niemand muss sich vor ihr fürchten.

        • @86548 (Profil gelöscht):

          Nicht die Gewehre treffen nicht, sondern die Soldaten. Trotzdem schaffen sie es, jährlich eine stattliche Anzahl auch ziviler Opfer zu produzieren.

  • (...) die Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr spendiert „Souvenirs und kulinarische Spezialitäten aus aller Welt“ (...)

     

    Und mit was wird die Lübecker Willy-Brandt-Universität der Bundeswehr aufwarten - oder die Tambach-Dietharzer Mahatma-Ghandi-Universität der Nationalen Volksarmee?

     

    Spaß beiseite, lieber Helmut Schmidt, wäre es nicht höchste Zeit, daß Sie sich diese Schändung Ihres Namens endlich verbitten, ihn verbieten? Denn schließlich sind Sie Demokrat, ein sozialer obendrein. Und ein Welterklärer auch aus dem Jenseits...

    • @Gion :

      Helmut Schmidt war Hauptmann d. R. der Bundeswehr, hat auch noch nach seiner Dienstzeit freiwillig an vielen Wehrübungen teilgenommen und stand der Bundeswehr immer positiv gegenüber.

  • Okay, dann wird eben geschlechterübergreifend die Wehrpflicht wieder eingeführt, dann brauchts diesen Aufwand nicht.

    • @Trango:

      Aber nur, wenn sich die BW wieder auf deutschen Boden zurückzieht.