Ostermarsch in Bremerhaven: Marsch gegen die Truppe

Der Ostermarsch in Bremerhaven ist größer und jünger geworden. Hauptthema in diesem Jahr waren Werbeveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen.

Wackere FriedensdemonstrantInnen: Schietwetter-Ostermarsch in Bremerhaven Foto: Eva Przybyla

BREMEN taz |Am Ostermarsch-Mikrofon in Bremerhaven stehen die SchülerInnen Anna und Lennart: Sie üben scharfe Kritik an der Bundeswehr, denn die wirbt intensiv an Schulen, verspricht hohe Gehälter und verlost Smartphones unter denen, die sich auf der Infoseite anmelden. An den Bundeswehr-Ständen auf dem Berufsinformationstag der Bremerhavener Schulen fehle vom militärischen Hintergrund jedoch jede Spur. Am Lloyd-Gymnasium habe die Bundeswehr im November unter Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren geworben, sie habe aber auch Flyer an Schulen der Sekundarstufe 1 ausgelegt, wo hauptsächlich Kinder unterrichtet werden.

Viele DemonstrantInnen sind empört und applaudieren laut, als Anna und Lennart vor der BGM-Smidt-Gedächtniskirche ein Werbungsverbot an Schulen bis zum 18. Lebensjahr fordern. Den Mikrofonständer muss die Schülerin mehrmals festhalten, weil der Wind ihn sonst umreißen würde. Manche DemonstrantInnen drehen den Jugendlichen sogar den Rücken zu, um ihre Gesichter vor dem eisigen Aprilsturm zu schützen.

Trotz des miesen Wetters fiel der Bremerhavener Ostermarsch am vergangenen Samstag etwas größer aus als in den Vorjahren. Auffällig war besonders, dass von den knapp 70 TeilnehmerInnen ungefähr ein Drittel unter dreißig Jahre alt war. „Schon an der Vorbereitung haben in diesem Jahr mehr Jugendverbände teilgenommen“, sagt Mitorganisator Günter Matthiessen von der Linkspartei Bremerhaven.

Mobilisiert hatten die meisten Gruppen bereits für eine Demonstration im Januar: Sie wendete sich gegen die Verlegung der US-amerikanischen Truppen an die Ostgrenze der EU. Für dieses strategische Vorhaben der NATO wurden hunderte Panzer und schweres Kriegsgerät aus den USA nach Bremerhaven verschifft und dort in Züge umgeladen. „Ein Säbelrasseln, das den Konflikt zwischen der EU und Russland nur unnötig anheizt“, meint dazu ein Organisator der Initiative „Mut zum Frieden“.

Es gibt aber auch Kritik an der russischen Besetzung der Ukraine. Und die Linksjugend kritisiert den jüngsten Tomahawk-Angriff der USA auf die syrische Militärbasis, von der aus Assads Truppen den Giftgasangriff auf Zivilisten geflogen haben sollen. Den Hauptgrund für die Präsenz der Jugend auf dem Ostermarsch sieht Matthiessen jedoch beim Thema Bundeswehrwerbung an Schulen. Im Mittelpunkt steht hier der Bremerhavener StadtschülerInnenring, zu dem auch Anna und Lennart gehören.

Die beiden hatten im vergangenen Jahr versucht, einen Infostand der Bundeswehr am Lloyd-Gymnasium zu verhindern. Verbieten wollte die Schulleitung die Werbung jedoch nicht. „Daraufhin wollten wir einen Informationsstand gegen die Bundeswehr“, sagt Lennart. Auch das lehnte der Schulleiter ab: „Er bezeichnete unseren Stand als unfreundlichen Akt gegen die Bundeswehr“, sagt Anna. Nach massiven Protesten des StadtschülerInnenrings durften sie schließlich doch ihren Stand aufbauen – jenseits der Berufsinformationsmesse, zwei Stockwerke tiefer, „abseits von allen Schülern. Da ist niemand lang gelaufen“, sagt Anna. Sie und Lennart hätten den Bundeswehrstand nicht einmal besuchen dürfen, das habe die Schulleitung verboten.

Ein Gymnasiallehrer begrüßt ihr Engagement auf dem Ostermarsch. Auch er sieht die Werbung kritisch, auch wenn die Bundeswehr nur über ihre zivilen Ausbildungslehrgänge informiert. „Nur so kommen sie an die Schulen. Die Rekrutierung von Jugendlichen ist verboten“, sagt er. Dennoch müsse über den militärischen Hintergrund des Ausbilders informiert werden, findet der Lehrer, der lieber anonym bleiben will. Er habe mitbekommen, wie an den Bundeswehrständen massiv um eine 15-jährige Schülerin aus dem Kosovo geworben wurde. Nicht nur das Alter stört den Lehrer, sondern auch die gezielte Werbung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und von Geflüchteten. Für sie ist die Bundeswehr häufig der einzige Ausbilder nach der Schule. „Bei zivilen Ausbildungsbetrieben haben sie oft keine Chance“, sagt er.

Auf dem Ostermarsch sind auch vereinzelte Geflüchtete. Einige unterstützt der Bremerhavener „Dialog-Verein für gleiche Rechte e.V.“, eine offene, überwiegend kurdisch-türkische Organisation, die auch Deutschkurse anbietet. Der Verein hat für den Ostermarsch technisches Equipment bereitgestellt und auf der Startkundgebung am Hafen gegen das Türkei-Referendum protestiert.

Ab und zu ziehen auch sow­jetische Arbeiterlieder aus dem Lautsprecherwagen herüber, ein Demonstrant hebt die Faust dazu. Doch den Friedensmarsch dominieren Familien und bunte Fahnen – Dogmatismus überwiegt hier nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.