Wer mit wem in Schleswig-Holstein?: Ölpfütze auf dem Weg nach Jamaika
Die schleswig-holsteinische CDU würde gern die bestehende Koalition fortsetzen. Konflikte mit den Grünen könnte es beim Thema Ölförderung geben.
„Klar, Oppositionsarbeit geht auch mit wenigen“, sagt SSW-Sprecher Per Dittrich. Schließlich komme es auf pointierte Reden und klare Positionen an. „Wir haben gelernt, mit wenigen Personen schnell zu laufen.“ Aus den Wahlen geht die Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit sogar gestärkt hervor: „Wir sind jetzt zu viert, und vielleicht ist damit auch ein größerer Mitarbeiterstab drin“, sagt Dittrich.
Er weiß aber auch: „Wenn es an Facharbeit in den Ausschüssen geht, haben die Regierungsfraktionen einen Vorteil, weil sie deutlich mehr Zugang zu Informationen haben. Als Opposition recherchierst du auf eigene Faust und musst mehr strampeln.“
Mehr Arbeit, die auf weniger Schultern lastet: Damit wird sich die SPD auseinandersetzen müssen. Sie besetzt im neuen Landtag nur noch zwölf Stühle, bisher waren es 21. Von der Fortsetzung des Jamaika-Bündnisses hält die Landesparteichefin und amtierende Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli wenig: „Diese Koalition wäre schlecht für unser Land“, sagt sie der taz.
Knappe Antworten der Umworbenen
Statt Probleme zu lösen, würde „noch mehr als in den vergangenen fünf Jahren die politische Befriedung und Gesichtswahrung der ungleichen Partner im Mittelpunkt stehen“. Das sei in Zeiten von steigenden Preisen, Wohnungsnot und einem sich verschärfenden Klimawandel viel zu wenig.
Während die künftige Opposition viel zu sagen hat, halten die umworbenen Vielleicht-Regierungspartnerinnen ihre Antworten knapper: „Daniel Günther hat Jamaika vorgeschlagen, wir sind gesprächsbereit“, sagt Aminata Touré, Teil der Grünen-Doppelspitze im Wahlkampf. „Klar ist aber auch, dass Schwarz-Grün unsere Präferenz ist.“
Die FDP-Spitze saß am Donnerstag in Kiel zusammen. „Wir beraten die Lage“, sagte Landesgeschäftsführer Jan Voigt der taz. Ein Statement gab es bis Redaktionsschluss von der Parteispitze um Heiner Garg und Spitzenkandidat Bernd Buchholz nicht.
Dafür hatte Ex-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bereits am Mittwoch den Kieler Nachrichten gesagt, die Idee einer Jamaika-Neuauflage sei „charmant“. Zwar hätten die Liberalen vor der Wahl gesagt, sie würden sich nicht beteiligen, wenn sie nicht gebraucht würden. „Aber die Grünen werden im Zweifel genauso viel oder so wenig gebraucht wie wir“, sagte Kubicki.
Tatsächlich ist die CDU mit 34 Sitzen so stark, dass sie fast allein regieren könnte. Sie könnte daher mit jeder anderen Partei, sogar mit den vier Abgeordneten des SSW eine stabile Mehrheit bilden. Günther verwies darauf, dass Jamaika die Wunschkoalition einer großen Mehrheit in der Bevölkerung sei – das hatten Umfragen vor der Wahl ergeben.
Die niedersächsischen Grünen haben Pläne kritisiert, doch wieder Erdgas unter dem Wattenmeer zu fördern. Anders als von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) behauptet, werde die Förderung nicht mit Blick auf die Klimaziele befristet. Zugleich würde sie nur ein Prozent des deutschen Bedarfs decken. Das sei angesichts der Gefahr für das Wattenmeer zu wenig. (taz)
Günther hatte vor der Wahl mehrfach seinen Entschluss betont, das Bündnis fortzusetzen. Dass er es tatsächlich tun würde, hatten Medien und auch die anderen Parteien bezweifelt. Denn Dreierbündnisse sind nicht nur schwieriger zu handhaben, sondern bedeuten auch, Posten und Ministerien zu teilen. Nach dieser Logik wäre für die CDU die klassische Schwarz-Gelb-Kombi die naheliegendste Variante. Schwarz-Grün, das es in Schleswig-Holstein noch nicht gegeben hat, würde das Bild einer modernen Landes-CDU verstärken.
Allerdings hat Jamaika der Partei offensichtlich nicht geschadet. Die CDU habe starke Positionen durchsetzen können, sagte Günther beim Parteitag. Per Dittrich vom SSW sagt es anders: „Die haben die Gräben, die es zwischen den Parteien gibt, mit Geld zugeschüttet.“ Serpil Midyatli befürchtet Stillstand statt Aufbruch: „Die Programme von Grünen, CDU und FDP passen nicht zusammen. Im Umkehrschluss bedeutet das für die nächsten fünf Jahre noch mehr Formelkompromisse, Prüfaufträge und ein,Weiter so'.“
Streit werde es vor allem um die Energiewende geben, glaubt Dittrich: „Da knallt es im Landtag.“ Ein Beispiel ist neben dem Streit um das geplante Flüssiggasterminal die Frage, wie lange und in welchem Umfang noch Erdöl im Wattenmeer gefördert wird. Dort, am Rand des Nationalparks, betreibt Wintershall Dea die Bohrinsel Mittelplate.
SPD sieht Nationalpark gefährdet
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Betreiberfirma das Feld erweitern will. Den Antrag stellte Wintershall bereits 2019. Mehrere Umweltverbände hatten die künftige Landesregierung aufgefordert, sich gegen die Pläne zu stellen und bis 2030 die Förderung im Watt generell zu beenden.
Auch zu diesem Thema gibt es eine knappe Antwort von Aminata Touré: „Eine Ausweitung der Förderung an der Mittelplate wird es nicht geben. Die Vorbedingung ist nicht erfüllt, sodass keine neuen Förderungen anstehen.“ Allerdings hatten die Jamaika-Fraktionen im März einen gemeinsamen Antrag gestellt mit dem Ziel der „vorübergehenden Erweiterung der Erdölförderung über die Plattform Mittelplate“. Im Gegenzug solle ein Datum für das Ende der Förderung festgelegt werden – allerdings nennt der Antrag nur das vage Ziel „vor 2041“.
SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller sagt dazu: „Der Eingriff in diesen hochsensiblen Naturraum steht nicht im Verhältnis zu der möglichen Fördermenge an Öl. Die Grünen müssen sich sehr genau fragen, ob sie eine solche Politik in einer neuen Koalition mit CDU und FDP mittragen wollen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen