piwik no script img

Wenn Anrufe ins Leere laufenIch habe heute leider keinen Arzttermin für dich

Einen Arzttermin per Telefon zu vereinbaren, kann einer Odyssee gleichkommen. Wie gut, dass es Alternativen gibt. Doch funktionieren diese überhaupt?

Den kleinen Zeh brechen ist nicht schwer, einen Arzttermin zu bekommen dagegen sehr Foto: Andrea Warnecke/picture alliance

W ie bekommt man eigentlich einen Arzttermin? In Zeiten, in denen in immer mehr Praxen nur im Glücksfall jemand ans Telefon zu kriegen ist, eine nicht ganz irrelevante Frage. Zaubern, beten, Glücksrad drehen, Rohrpost schicken?

Na gut, diese Tricks kursieren noch nicht, aber dafür diverse andere: Mail schreiben oder hingehen und vor Ort einen Termin vereinbaren. Das bedeutet für weiter entfernte Praxen noch mehr investierte Zeit – aber was tut man nicht alles für die eigene Gesundheit? Beim Besuch gerne eine Kleinigkeit mitbringen, um die medizinischen Fachangestellten für sich gewogen zu machen. Auch Beziehungen helfen: Kennt die Freundin vielleicht den Bruder einer Mitarbeiterin in einer Praxis? Jackpot!

Eine Alternative sind digitale Such- und Terminvereinbarungsportale. Dafür braucht es zwar weniger Zeit und Mobilität, dafür aber eine innere Bereitschaft, die eigenen Daten an potenziell zweifelhafte Plattformen zu geben. Seelen? Pff, will doch heute keiner mehr kaufen. Wir nehmen nur Daten!

Die Plattformen haben aber, abgesehen davon, dass sie Menschen mit akuter Anruf-Allergie die Terminbuchung erleichtern, einen weiteren Vorteil – wenn auch wohl eher unbeabsichtigt: Sie machen das unfaire deutsche Zweiklassengesundheitssystem ein bisschen transparent. Privatversichert? Nehmen Sie diesen Termin morgen um 17.30 Uhr. Gesetzlich versichert? Leider nichts mehr frei. Beratung Laserbehandlung Privatleistung? Haufenweise Termine für die kommende Woche. Vorsorgeuntersuchung in derselben Praxis als Kassenleistung? Na gut, Sie können es sich denken.

Zweiklassensystem mit neuem Dreh

Nun macht das Zweiklassensystem noch eine neue Volte. Denn auf den Terminvermittlungsplattformen werden manchmal spontan Zeitfenster frei, zum Beispiel, wenn ein:e Pa­ti­en­t:in abgesagt hat. Um das mitzubekommen, müsste man aber ständig reload-klickend am Computer oder Smartphone hängen oder zufällig im richtigen Moment auf die Seite schauen. Wer schon mal in so manch einer deutschen Großstadt einen Termin beim Bürgeramt machen wollte, kennt das Problem.

Technisch findige Menschen können sich daher eines kleinen Skriptes bedienen, das die Plattform automatisch nach frei werdenden Arztterminen durchforstet und die Info als Push-Mitteilung aufs Smartphone schickt. Vorlagen gibt es als Open-Source-Projekt zum Beispiel auf GitHub und man braucht zwar keine ausgefeilten Programmierfähigkeiten dafür, aber ein paar Grundkenntnisse helfen.

Also vor dem nächsten Arzttermin: Programmierkurs besuchen. Die Investition dürfte sich auszahlen: spätestens dann, wenn Termine generell – vom Bürgeramt bis zum Friseur, von der Autowerkstatt bis zur Physiotherapie – praktisch nur noch online buchbar sind. Jedenfalls bis zur nächsten technischen Volte: KI-Agenten gibt es jetzt schon, wahrscheinlich werden die irgendwann die Terminvereinbarung ganz automatisch verhandeln können. Nur mit dem gebrochenen Zeh rumlaufen muss man immer noch selbst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Bzgl. der Nummer 116117: Meine Erfahrung, als ich einmal darauf angewiesen war, fiel grundsätzlich in Ordnung aus. Die Dame am Telefon war freundlich und hat meine Symptome aufgenommen. Letzten Endes konnte sie mir aber auch nur den nächstgelegenen Ärztlichen Bereitschaftsdienst empfehlen, den ich auch selbst hätte herausfinden können.

    Die Dame am dortigen Empfang hat mir dann gesagt, dass sie, als sie in früherer Zeit einmal selbst auf die Rufnummer angewiesen war, keine gute Erfahrung gemacht hat.

    Deswegen ihr Rat: Wenn das Anliegen eines ist, dass der ÄBD leisten kann und die Öffnungszeiten gerade stimmen, einfach hingehen, ohne vorher irgendwo anzurufen.

  • In einem Notfall einfach in eine Praxis gehen und darauf bestehen, dass ein Arzt sich kümmert. Kann zwar dauern, bis man dran kommt, Freunde wird man da auch nicht gewinnen. Nur weggeschickt worden bin ich auch noch nie.

    • @BrendanB:

      Das hat mir eine Bekannte, deren Vater Arzt ist, auch schon mal gesagt: Wer persönlich die Praxis betritt, darf nicht einfach weggeschickt werden.

      Sicherlich gibt es auch hier - je nach dem, wer am Empfang sitzt - Angestellte, die einem trotzdem die Tür weisen, allerdings wird es in dem Fall schwieriger, als jemanden am Telefon abzuwimmeln.

    • @BrendanB:

      Da hätte ich Angst, dass die dann die Polizei rufen und ich zu einem ganz anderen Facharzt gebracht werde - nämlich in die Psychiatrie.

      • @Il_Leopardo:

        Warum? Wenn es ein Notfall ist? Starke Schmerzen? Sauerstoffmangel, 40 Fieber, whatever? Da schickt Sie kein Arzt weg. Wenn es kein Notfall ist, mache ich das natürlich nicht. Ist also bisher nur 2 oder 3 mal vorgekommen in 30 Jahren. Ansonsten suche und warte ich so lange, wie es eben dauert. Wenn es kein Notfall ist, passt das doch.

  • Brauche dringend einen Termin bei einrm Kardiologen



    Ü-Schein mit Vermittlungscode vom Hausarzt erhalten und die 116117 angerufen. Nicht nur absolut pampig die Dame, sondern auch patientenfeindlich.



    Eine Praxis benannt bekommen, die !3 Stunden Fahrzeit weg ist.



    Ich bin, aufgrund der Erkrankung nicht wirklich mobil (kein Auzo fahren, keine langen Fußmärsche, Atemnot).



    Als ich darum bat, einen näheren Arzt zu bekommen, wurde sie laut und blökte ins Telefon: "Das war's! Dann storniere ich es und der Code ist weg.".



    Angeblich neue Vorgaben, dass jede neue Suche einen neuen Code braucht. Quatsch!



    Der Hammer: Ich rief in der Praxis an und erfuhr durch den AB, dass dese Praxis Urlaub hat. Soviel zum Termin innerhalb von 4 Wochen. Bin echt sauer und da eine pozentiell lebensbedrohliche Erkrankung dahinter stecken könnte, begebe ich mich also in die Rettungsstelle.



    Die Kassenärztliche Vereinigungen sind das allerletzte.



    Genau DAS trägt zur Überlastungen der Notaufnahmen bei.



    Für jeden, der dann die 112 wählt, sollten Arztpraxen und die KV zur Kasse gebeten werden.

  • In den Kontext dieser Negativ-Erfahrungen mit Sprechstunden und gescheiterten Terminanfragen bzw inakzeptablen Terminvergaben gehört unbedingt auch die Inanspruchnahme von Notdiensten und Krankenhausambulanzen außerhalb der Praxisöffnungszeiten aus den unterschiedlichsten Gründen und mit gelegentlich äußerst interessanten Geschichten.



    Die Berichte der Dienstabenden oder ihrer Vertretungen verschiedenener Fachrichtungen sind teilweise hanebüchen oder erschreckend:



    2023, ein Beispiel vom Niederrhein



    "Thomas Geerkens, Kinderarzt in Moers, erinnert sich noch an einen Notdienst, als er Eltern mit einem Säugling wegen einer Neugeborenengelbsucht in die Praxis einbestellte. Doch die war brechend voll, die Schlange an der Anmeldung dementsprechend lang. Den Eltern des Säuglings war die Dringlichkeit der Erkrankung offenbar nicht bewusst, sie kehrten um. „Dabei drohen bleibende Schäden“, betont Geerkens. Am Ende des Tages fiel ihm auf, dass er das Baby nicht gesehen hat, er rief die Eltern sofort noch mal an. Der Notdienst werde mit Lappalien überflutet, benennt er das Problem, es bestehe die Gefahr, die echt kranken Kinder zu übersehen."



    Quelle nrz.de

  • Man kann auch ganz einfach ankreuzen, daß man über freigewordene Termine per E-Mail informiert wird. Dann muß man zwar regelmäßig seine E-Mails checken, aber das machen die meisten ja eh.



    So habe ich schn öfters, mit wenig Aufwand, einen (tlw. wesentlich) früheren Termin bekommen.

  • Auch das !Abmelden vom Termin ist mitunter ziemlich schwer aber hilfreich für andere PatienInnen, sodass manchmal Gebühren fällig werden, wenn kein Storno erfolgte. Manchmal verzweifeln SeniorInnen ohne Support von Digital Natives.

  • Danke für den amüsanten Artikel! Meine Erfahrungen sind noch übler. Selbst über die zentrale Vergabestelle 116117 fand ich trotz Überweisungsschein mit Dringlichkeits-Code keinen Platz bei einem Lungenfacharzt. Auch meine Hausärztin, die wohl in diesem Portal privilegierter ist, hatte kein Glück. Also suchte ich zwei Arztpraxen persönlich auf. Ergebnis: Ich könne mich ja für einen Termin in einem halben Jahr anmelden. Inzwischen behandelt mich meine Hausärztin - mit Erfolg.

    • @Il_Leopardo:

      Genau die Erfahrungen habe ich auch mit der 116117.