Weniger Wirtschaftswachstum in China: Der Drache schwächelt
Chinas Wirtschaft wächst so langsam wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Der Handelsstreit mit den USA hinterlässt seine Spuren.
Foxconn etwa, der große Apple-Zulieferer und einer der größten Arbeitgeber in der Region, hat Medienberichten zufolge seit Oktober rund 50.000 Leiharbeiter entlassen. Die Zahl der freigestellten Mitarbeiter sei nicht unbedingt höher als in Vorjahren, berichtet die japanische Zeitung Nikkei und beruft sich auf Industriekreise. Allerdings erfolge die Trennung sehr viel früher als sonst.
Nun ist es auch amtlich: Chinas Wirtschaft schwächelt. Wie die nationale Statistikbehörde am Montag mitteilte, lag das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt im vergangenen Jahr bei 6,6 Prozent. Dieser Wert liegt zwar leicht über dem Wert, den sich die chinesische Führung für 2018 zum Ziel gesetzt hatte. Sie peilte ein Wachstum von 6,5 Prozent an. Es ist allerdings der geringste Anstieg des Bruttoinlandsprodukts seit 28 Jahren. Für 2019 gab sie ein Wachstumsziel von nur noch zwischen 6 und 6,5 Prozent aus.
Andere Volkswirtschaften dürften sich über eine 6 vor dem Komma freuen. Und sicherlich ist Chinas Wirtschaft auch weiterhin weit von einer Rezession entfernt, wenn das Wachstum nur bei 4,1 Prozent lag, wie das US-Forschungsinstitut Conference Board vermutet. Und doch wird es für die chinesische Führung schwerer, die Erwartungen der eigenen Bevölkerung zu erfüllen. „Wenn sich die Wirtschaft insgesamt verlangsamt, wirkt sich dies auf den Arbeitsmarkt aus und dann auch auf den Lebensstandard der Menschen“, befürchtet Robin Xing, Chefökonom bei Morgan Stanley. „Das drückt die Stimmung.“
Exzessive Investitionen
Der Handelsstreit mit den USA hinterlässt ganz deutlich seine Spuren. Im vierten Quartal 2018 verringerte sich das Wachstum auf 6,4 Prozent. In der für China nach wie vor so wichtigen Exportindustrie gehen regierungsunabhängige Experten davon aus, dass es sogar ein Minus von 4 Prozent gab – ein Einbruch.
Ein weiteres Problem ist allerdings hausgemacht: Chinas hohe Schulden. Trotz der Finanzkrise von 2008 ist es der chinesischen Führung zwar gelungen, die Wirtschaft all die Jahre weiterhin kräftig wachsen zu lassen. Doch das ist teuer erkauft. Mit geradezu exzessiven Investitionen in die Infrastruktur und kräftigen Subventionen der Staatsunternehmen, hat sich der Schuldenstand mit rund 260 Prozent des Bruttoinlandsprodukts seit 2008 mehr als vervierfacht. Ähnlich wie Japan ist China allerdings nur kaum im Ausland verschuldet. Nur deswegen hat dieser hohe Schuldenstand an den internationalen Finanzmärkten noch zu keinen Verwerfungen geführt.
Die hohen Staatsausgaben haben jedoch zu gewaltigen Überkapazitäten gerade in der Stahlindustrie geführt und zu Ineffizienz etwa in der Bauwirtschaft und im Finanzsektor. Um diese Exzesse einzudämmen hat die Regierung damit begonnen, die Ausgaben in große Infrastrukturprojekte zurückzufahren. Millionen Jobs in der staatlichen Kohle- und Stahlindustrie sind in den vergangenen zwei Jahren weggefallen.
Das hat nach Ansicht von Experten allerdings auch zu fallenden Preisen im Immobiliensektor gesorgt und zu einem Einbruch beim Autoverkauf. Im vergangenen Jahr ist erstmals seit 30 Jahren der Absatz von PKWs zurückgegangen. Das trifft vor allem die deutschen Autobauer hat, für die China inzwischen der wichtigste Absatzmarkt der Welt ist.
Kreditfonds für Kleinunternehmen
Auch Chinas Konsum blieb mit einem Plus von 8,1 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Der sollte eigentlich den Rückgang der Exportindustrie im Zuge des Handelsstreits mit den USA kompensieren. Dieser Wunsch der Regierung erfüllt sich nun nicht. Chinas Exporte brachen im Dezember um 4 Prozent ein.
Angesichts dieser Probleme hat Chinas Premierminister Li Keqiang Steuersenkungen und andere Erleichterungen zugesagt. Vor allem die Privatwirtschaft will Li fördern. 30 Prozent aller neuen Kredite sollen an sie gehen. Die chinesische Zentralbank kündigte zudem einen 100 Milliarden Yuan (13 Milliarden Euro) schweren Kreditfonds für Kleinunternehmen an.
Ähnliches hatte Präsident Xi Jinping bei Amtsantritt 2013 allerdings auch schon versprochen. Seitdem hat er die dominierenden Staatsbetriebe jedoch noch weiter gestärkt.
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