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Weniger Corona- und GrippefälleEine Welle guter Nachrichten

Die Grippewelle ist laut RKI vorbei. Die Coronazahlen sind niedrig wie lange nicht mehr. Beide Infektionen haben aber mehr schwere Langzeitfolgen.

Mit Fieber im Bett, meist ein Zeichen von Grippe

Berlin taz | Es klingt schon fast wie eine Welle der guten Nachrichten. Seit dem Jahreswechsel sind die Coronazahlen rasant gesunken. Und nun hat das Robert-Koch-Institut auch noch die Grippewelle dieses Winters für beendet erklärt. Zwar gebe es weiterhin Infektionen, aber die Influenza-Aktivität liege „aktuell wieder im Bereich der Hintergrund-Aktivität“, heißt es im Wochenbericht des RKI, der am Mittwochabend veröffentlicht wurde. Anders gesagt: Die Phase erhöhter Grippeinfektionen ist erst einmal vorüber.

Die Grippewelle hatte in diesem Winter ungewöhnlich früh begonnen. Üblicherweise schwappt sie erst zwischen Januar und März durch Land. Diesmal hatte sie bereits im Oktober begonnen und hatte ihren Höhepunkt bereits in der letzten Woche des Jahres 2022 überschritten.

Nach den noch vorläufigen Zahlen zur Grippesaison wurden dem RKI 258.330 Ansteckungsfälle gemeldet, bisher seien zudem 668 Todesfälle mit Influenzavirusinfektion übermittelt worden. Tatsächlich dürften es aber deutlich mehr gewesen sein. Bei der letzten großen Grippewelle im Frühjahr 2018 waren rund 1.600 Grippeopfer ärztlich bestätigt worden. Später hatte das Robert-Koch-Institut aufgrund der hohen Übersterblichkeit errechnet, dass die Welle fast 25.000 Todesopfer verursacht hatte.

Die Übersterblichkeit war auch im Dezember 2022 extrem hoch. In der Woche vor Weihnachten lag sie laut jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes bei etwa 35 Prozent. Damit sind allein in der Woche in Deutschland rund 7.500 Menschen mehr gestorben, als aufgrund der Vergleichsdaten aus den Vorjahren zu erwarten gewesen wäre.

Anders als im Frühjahr 2018 kann diesmal die Übersterblichkeit aber nicht allein der Grippewelle zugerechnet werden. Die Ursache sei diesmal multifaktoriell, sagt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis der taz. Denn neben der Grippewelle grassierte auch noch eine Welle von RSV-Ansteckungen, die vor allem Kleinkinder betraf, und eine weitere Welle von Corona-Infektionen in erster Linie bei Senior:innen. Dass es nahezu zeitgleich drei Infektionswellen gebe, sei sehr ungewöhnlich, sagt Karagiannidis, der Mitglied des Corona-Expert:innenrates im Kanzleramt ist und wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters, das unter anderem die Belastung der Intensivstationen durch Coronafälle analysiert.

Die Coronawelle im Dezember ist laut Karagiannidis aber ebenfalls keine gute Erklärung für die Übersterblichkeit. Im Gegenteil habe sie auf der Intensivstation in Köln, wo er tätig ist, fast zu keinen neuen Coronapatienten geführt. „Ich dachte erstmals, jetzt sind wir durch.“ Die Intensivstationen seien weniger durch eine steigende Zahl der Pa­ti­en­t:in­nen als durch Personalausfälle belastet, so Karagiannidis.

Tödliche Folgen Monate nach der Infektion

Allerdings hat er eine andere Beobachtung gemacht. „Wir wissen, dass es eine substanzielle Langzeitsterblichkeit bei Überlebenden mit Influenza oder Corona gibt“, sagt Karagiannidis. Mit anderen Worten: Schwer erkrankte Pa­ti­en­t:in­nen werden nach dem Überstehen der akuten Infektion aus der Klinik entlassen, sterben dann aber vermehrt im Laufe des folgenden Jahres an Folgeerkrankungen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt als solche zu erkennen sind. Infektionen von Anfang 2022 könnten daher zu Todesfällen im Herbst geführt haben, so Karagiannidis.

Vor genau einem Jahr war mit der Omikronvariante die Zahl der Corona-Infektion sprunghaft angestiegen, von rund 25.000 pro Tag Anfang Januar auf über 200.000 pro Tag im März. Die tödlichen Spätfolgen könnten somit eine Erklärung für die seit Sommer anhaltende Übersterblichkeit in Deutschland sein.

Aktuell hat sich die Lage auf den Intensivstationen aber merklich entspannt. Ende Januar werden dort laut Divi weniger als 700 Covid-19-Patient:innen versorgt. So wenige waren es selten in den vergangenen anderthalb Jahren.

Auch deswegen hat Karagiannidis großes Verständnis für die Aufhebung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, auch weil man der Bevölkerung nach den Hochphasen der Pandemie etwas Entspannung geben müsse. „Wir werden deren Verständnis im nächsten Winter brauchen“, so Karagiannidis. Denn dann könnte die Zahl der Infektionen wieder steigen. Zumindest für die Kliniken, meint der Intensivmediziner, wäre es vermutlich sinnvoll, einen Sommer- und einen Wintermodus einzuführen: mit einem offenen Zugang in den warmen Monaten und erneuter Maskenpflicht in der kalten Jahreszeit.

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