Übersterblichkeit in Deutschland: Extrem hohe Sterbezahl im Dezember

In der Woche vor Weihnachten sind rund 7.000 Menschen mehr als erwartbar verstorben. Ein Grund könnte die Grippewelle sein.

Ein Sarg in einem Krematorium

Ein Urnengrab ist die häufigste Bestattungsform in Deutschland, Krematorium in Rheinland-Pfalz Foto: Thomas Frey/dpa

BERLIN taz | Die gute Nachricht vorab. Die Wellen der Atemwegserkrankungen in Deutschland sind Anfang Januar deutlich abgeflaut. Nicht nur die mittlerweile 8. Coronawelle hat deutlich an Schwung verloren, auch die Infektionen mit den RS-Viren und Influenza sind stark rückläufig. Im Dezember haben sie aber offenbar stark zugeschlagen.

Allein in der Woche vor Weihnachten starben rund 7.000 Menschen mehr als eigentlich erwartet. Das geht aus Zahlen hervor, die das Bundesamt für Statistik am Dienstag veröffentlicht hat. Das Institut Euromomo, das die Sterblichkeitszahlen in Europa analysiert, bezeichnet die Übersterblichkeit in der vorletzten Dezemberwoche als „extrem hoch“. Das ist das höchstmögliche Level in der Euromomo-Skala. Kein anderes europäisches Land hat ähnliche Werte.

Übersterblichkeit ist ein statistischer Wert, mit dem ungewöhnliche Anhäufungen von Todesfällen erkannt werden können. Dazu wird die durchschnittliche Zahl der Toten aus einem Vergleichszeitraum berechnet und mit aktuellen Werten verglichen. In der 51. Kalenderwoche waren laut Bundesamt für Statistik in den Jahren 2018 bis 2021 im Median 20.777 Menschen gestorben. In der 51. Woche des Jahres 2022 waren es laut vorläufigen Zahlen 27.912. Demnach lag die Übersterblichkeit bei rund 34 Prozent.

Das ist der höchste Wert des Jahres 2022. Selbst im Sommer, als die Zahl der Toten durch die Hitzewellen im Juli stark gestiegen war, hatte die Übersterblichkeit nur bei maximal 24 Prozent gelegen.

Die Ursache für die deutlich gestiegene Totenzahl lässt sich aktuell nur vermuten. Auch in den ersten beiden Jahren der Coronapandemie war an oder kurz vor Weihnachten die Sterbeziffer auf ein Rekordniveau geklettert. Laut Robert-Koch-Institut wurden Ende 2021 bis zu 6.000 Corona-Tote pro Woche gezählt. Ein Jahr später waren es rund 2.500.

Im Dezember 2022 aber hat das RKI deutlich weniger Corona-Opfer registriert – laut noch vorläufigen Zahlen waren es rund 800 je Woche. Corona allein kann also für die extremen Daten kaum verantwortlich sein.

Die Vermutung liegt daher nahe, dass die herkömmliche Grippewelle viele Opfer gefordert hat. Die hatte in diesem Winter ungewöhnlich früh bereits Ende Oktober begonnen und ihren Höhepunkt Mitte Dezember erreicht. In diesem Zusammenhang sei auch „die Zahl bakterieller Sekundärinfektionen mit teils schweren Krankheitsverläufen“ angestiegen, heißt es im jüngsten Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza. Demnach mussten Mitte Dezember rund doppelt so viele In­flu­en­za­pa­ti­en­t:in­nen ins Krankenhaus wie Covid-19-Patient:innen.

Ob die Influenza tatsächlich für die extremen Totenzahlen verantwortlich war, wird sich erst in der Rückschau erkennen lassen. Das ist bei Grippewellen nicht unüblich. Nach der letzten heftigen Welle, die Deutschland im Frühjahr 2018 getroffen hatte, hatte das RKI im Nachhinein die Zahl der Opfer auf 25.000 geschätzt. Berechnet wurde auch dieser Wert aufgrund der beobachteten Übersterblichkeit. Während der Welle waren nur rund 1.600 Opfer per Laborbefund bestätigt worden.

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