Die Wahrheit: Vier Finger für ein Halleluja

Das neoliberal kaputt gesparte Gesundheitssystem gibt es als solches auch in Irland. Besser, es fällt einem mal kein Ziegelstein aufn Kopp.

Der irische Gesundheitsdienst Health Service Executive (HSE) hat verkündet, dass es derzeit äußerst ungünstig wäre, wenn man ein Krankenhaus aufsuchen müsste. Wegen steigender Coronazahlen und einer Grippewelle warteten vorige Woche rund tausend Menschen auf ein Krankenhausbett. Tagelang mussten sie auf Stühlen oder – bei schweren Fällen – auf Rollwagen ausharren.

Man möge bitte Alternativen in Erwägung ziehen, bevor man zur Notaufnahme gehe und das überlastete Personal belästige, bat der Gesundheitsdienst. Man könne zum Beispiel mit einem Apotheker sprechen, der einem bei einem Blinddarmdurchbruch sicher mit ein paar Schmerztabletten aushelfen würde. Und wenn man sich beim Zwiebelschneiden versehentlich den Finger halb abgetrennt habe, solle man sich fragen, ob man wirklich zehn Finger brauche. Homer Simpson habe schließlich auch nur vier Finger an jeder Hand.

Das Blut im Urin könnte auch von der Flasche Rotwein am Abend zuvor stammen. Zwei weitere Fläschchen, dann sind die Symptome egal und die Schmerzen weg. Ein paar Schnäpse können ebenfalls nicht schaden. Schließlich heißt der Gesundheitsdienst auf Irisch „Feidhmeannacht na Seirbhíse Sláinte“. Letzteres ist das Lieblingswort der Iren, denn wenn man sich zuprostet, sagt man „Sláinte“. Das bedeutet „Gesundheit“ und ist widersinnig, denn wer sich zu oft Sláinte wünscht, ist auf dem besten Weg, sich diese zu ruinieren.

Die HSE ist am vorvergangenen Sonntag übrigens volljährig geworden, denn am 1. Januar 2005 ersetzte sie die zehn regionalen Gesundheitsbehörden. Vor zwei Jahren legten Cyberkriminelle das komplette irische Gesundheitssystem mit einer Schadsoftware lahm. Sie verlangten 20 Millionen Euro für einen Code, mit dem sich die Daten entschlüsseln ließen.

Die

Die HSE weigerte sich zu bezahlen, denn sie braucht jeden Cent, um die Fachärzte zu befriedigen. Die haben sich zu Weihnachten eine Erhöhung ihres mageren Gehalts von 252.000 Euro im Jahr sowie alle sieben Jahre einen bezahlten Urlaub von vier Monaten gewünscht. Außerdem forderten sie mehr Zeit und mehr Betten in öffentlichen Krankenhäusern, um ihre Privatpatienten dort unterbringen und behandeln zu können.

Das ist äußerst lukrativ, zumal die Fachärzte dafür nichts bezahlen müssen. Wer privat versichert ist, hat freie Arztwahl wird schnell versorgt. Die anderen müssen sich hinten anstellen. Zurzeit warten 900.000 Menschen auf einen Termin bei einem Facharzt, manchmal schon seit mehreren Jahren. Aber wegen der Überlastung der Krankenhäuser will man den Fachärzten nun 360 dieser wertvollen privaten Betten vorübergehend wegnehmen.

Ich bin jedenfalls gegen alles geimpft, gegen das man sich impfen lassen kann. Jetzt darf mir nur kein Ziegelstein auf den Kopf fallen.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.