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Weltverkehrsforum in LeipzigVerkehrsminister zu autofokussiert

Politik und Branche diskutieren darüber, wie der Sektor grüner werden kann. Dabei kommt der ÖPNV zu kurz, sagt Luxemburgs Ex-Ressortchef Bausch.

Mit wievielen Autos die 1.400 Delegierten wohl zur Konferenz anreisten? Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Berlin taz/dpa | Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen aus aller Welt haben sich beim Weltverkehrsforum (ITF) in Leipzig darüber ausgetauscht, wie der Verkehrssektor in Zeiten von Krieg und Krisen grüner gemacht werden kann. „Wir leben immer noch in einer sehr schwierigen Zeit“, sagte der Generalsekretär des Weltverkehrsforums, Young Tae Kim, nach einer Ministersitzung am Donnerstag in Leipzig. Seit Dienstag sprechen die rund 50 Mi­nis­te­r:in­nen mit Bran­chen­ver­tre­te­r:in­nen über Themen wie Klimaneutralität im Verkehr, Zugang zu Mobilität, den Einsatz künstlicher Intelligenz im Transportwesen und mehr Sicherheit auf der Straße.

Ebenfalls am Donnerstag schlug Litauens Verkehrsminister Marius Skuodis zum Beispiel vor, Maßnahmen für Verkehrssicherheit in den Grundsätzen internationaler Unternehmen zu verankern, damit diese Firmen entlang ihrer Lieferketten in sichere Straßeninfrastruktur investieren. Außerdem wurden bei dem Treffen die Dominikanische Republik, der Oman und Saudi-Arabien als neue Mitglieder begrüßt. In den letzten 7 Jahren habe das Forum 10 Länder aufgenommen, so Generalsekretär Kim. Das ITF habe inzwischen 69 Mitgliedstaaten. Vielfalt sei von großer Bedeutung. „Auch wenn wir über dasselbe Thema sprechen, ist der Kontext immer ein anderer, und wir können voneinander lernen.“

Das bestätigt der taz auch François Bausch, der in Luxemburg bis 2023 Verkehrsminister war. Das, was beim Weltverkehrsforum diskutiert wird, sei für die Mitgliedstaaten zwar unverbindlich – dadurch sei der Austausch aber freier als in anderen politischen Kontexten. In den vergangenen Jahren hätte die Klimakrise bei der Konferenz eine immer größere Rolle gespielt. „Der Transportsektor ist der Bereich, in dem der Handlungsbedarf weltweit am größten ist“, sagt Bausch, vor allem dort müsse der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden.

In den vergangenen Jahren spielte die Klimakrise bei der Konferenz eine immer größere Rolle

Trotzdem seien die meisten Mi­nis­te­r:in­nen noch immer zu fokussiert auf das Auto und den motorisierten Individualverkehr, nicht zuletzt in Deutschland. Das zeige sich auch beim ITF. Um das zu ändern, müssten Ver­tre­te­r:in­nen zivilgesellschaftlicher Organisationen oder aus der Nahverkehrsbranche stärker eingebunden werden, meint Bausch. „Das ist in den letzten Jahren schön öfter passiert“, sagt der Grüne. „Aber es ist noch viel Luft nach oben.“

An dem Treffen in Leipzig nehmen neben den Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen etwa 1.400 Delegierte aus mehr als 80 Ländern teil. Das Weltforum findet noch bis Freitag unter der Präsidentschaft Litauens statt. 2025 soll Chile die Präsidentschaft übernehmen.

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18 Kommentare

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  • Dafür werden ja die Verkehrsminister von den Autolobbies in Position gebracht.

    Regulatory Capture heisst das im Jargon.

  • Ich finde die Verkehrspolitik beachtet zu wenig das Auto und die dort möglichen Verbesserungen:

    z.B. L7e-Autos mit rund 500 kg statt Straßenpanzer mit 1,5 Tonnen und bei den meisten Fahrten 4 leeren Sitzplätzen. Und die meiste Zeit 5 leeren Plätzen.

    • @meerwind7:

      Bei der radikalen Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr traue ich mich ohne ein Minimum an passiver Sicherheit nicht mehr hinein.



      Bei der Wahl meines leider unverzichtbaren PKW war die Fahrgastzelle wahrscheinlich das wichtigste Kriterium, so klein und leicht wie möglich, aber so sicher wie für mich nötig.



      Meinen Beitrag zum Klimaschutz leiste ich durch den Verzicht auf alle unnötigen Fahrten, Flüge kommen selbstverständlich auch schon lange nicht mehr in Frage.



      Die zweirädrigen motorisierten Lebenskünstler, die mal wieder zu Tausenden hier vorbeiprollen, lösen pures Unverständnis aus, wenn ich morgen in den Nachrichten lese, wie viele heute mal wieder ihr "Hobby" aufgegeben haben. Und dass die eventuell Organe spenden, halte ich, wie ich deren Mentalität einschätze, für nicht sehr wahrscheinlich.

  • Tja, so hat jeder Staat seine Schwerpunktindustrie.



    Bei uns dürfen sich die Autobauer alles leisten.



    In Frankreich sind es die Atomis (ebenso in Japan)



    In USA die Techis.

    Und so müssen wir, als dummes Volk, das halt hinnehmen.

    • @Bolzkopf:

      Ich bin sogar optimistisch, dass allen langsam klar wird, dass diese Autoindustrie uns zu viel kostet. So wie irgendwann auch mal der Kohlebergbau aufgegeben wurde.



      Kopenhagen ist von Auto auf Rad umgestiegen aus Kostengründen.



      Amsterdam ist von Auto auf Rad umgestiegen wegen der überfahrenen Kinder.



      Warum soll das Land der Dichter und Lenker nicht auch mal die Kurve kriegen?

      • @Janix:

        Weil die Dichter und Denker schon lange tot sind.

        Man hat doch unweigerlich den Eindruck, dass heut' zu Tage Schränker und Banker unsere Gesellschaft dominieren.

      • @Janix:

        Da der globale Bedarf an individueller Mobilität weiterhin zunimmt und auch unsere Autobauer eben nicht nur für deutsche Konsumenten ihre Produkte herstellen, wäre es ziemlich dumm, die heimische Automobilwirtschaft zu schleifen. Das Ergebnis wird dann sein, dass andere Produzenten den Markt bedienen, den wir liegen lassen. Nur mit dem Unterschied, dass uns das Arbeitsplätze kostet und in anderen Teilen der Welt neue entstehen.

      • @Janix:

        Weil die Autolobby zu stark ist. Sowie Dorfmenschen, die "aufs Auto angewiesen sind" und auf weitere Totschlagargumente zurückgreifen.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Die Autolobby ist nicht nur stark, sie dominiert bei uns die Politik, deutlich zu sehen an der Qualität der Verkehrsministerserie.

          Aber viele Dorfmenschen sind tatsächlich aufs Auto angewiesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es überdimensionierte Kisten sein müssen und dass man in der Freizeit sinnlos damit durchs Land kurven muss.

          Ca. 5 Millionen zugelassene Motorräder, dazu all die anderen motorisierten Spaßfahrzeuge, die nur zur Befriedigung niederer Instinkte die Luft verpesten und Ressourcen vergeuden, unnötiges Gewicht, Reifenabrieb, bewusst erzeugter Lärm



          - um das in Ordnung zu bringen, bedürfte es Maßnahmen, die ich mir hier zur Zeit nicht vorstellen kann.

  • Das Verkehsrdenken in Deutschland ist größtenteils krank. Auto-Intoxikation erfasst da schon mal das Denken.



    Stattdessen bräuchten wir Fuß, Rad, Bahn und Bus, ggf. Ruftaxi als Grundversorgung über fast die gesamte Fläche. Niemand soll ein Auto "brauchen", außer Zementsackhandwerker und eine Teilgruppe der Gebrechlichen.

    Das spart auch richtig viel Geld volkswirtschaftlich.



    Erst die -zig Milliarden falsche Bezuschussung von Flug und Auto abschaffen. Dann den zähen Umbau betreiben. NL und DK sind da auch dran, mit glücklichen Kindern.

    • @Janix:

      Und bei uns sind die Kinder unglücklich? :D

  • Die Verkehrsminister sind nicht zuletzt darum besonders autofokussiert, weil es auch die Bevölkerungsmehrheiten in ihren jeweiligen Ländern sind. Und das wird absehbar so bleiben!

    Ich bin mir z. B. ziemlich sicher, dass auch das Verbrennerverbot wieder aufgehoben wird, wenn ansonsten große Teile der Bevölkerungen nicht mehr autofahren können, weil E-Autos für sie weiterhin zu teuer sind und/oder in Bezug auf Lademöglichkeiten, Ladezeiten, Reichweiten, Anhängemöglichkeiten usw. nicht (wie seit Jahrzehnten gewohnt und selbstverständlich) funktionieren.

    "Alternativen" zum Auto werden nur dann und dort freiwillig(!) angenommen, wenn und wo sie eine (mindestens) vergleichbare Funktionalität bieten, insbesondere auch bezüglich der aufzuwendenden Wegezeiten. Im eher ländlichen Raum wird das (vermutlich) nie der Fall sein (können).

    Die Bedeutung der individuellen motorisierten Mobilität wird erheblich unterschätzt, nicht zuletzt von jenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, deren Beteiligung auch im vorliegenden Beitrag "beschworen" wird. Eine Zukunft mit deutlich oder gar drastisch reduziertem motorisierten Individualverkehr wird nicht kommen.

    • @Al Dente:

      "Im eher ländlichen Raum wird das (vermutlich) nie der Fall sein (können)."



      Das kommt darauf an. Innerhalb eines Dorfs sind die Wege kurz, da kann man zu Fuß gehen, oder das Fahrrad nehmen. Das Problem ist, dass es weil jeder ein Auto hat, im Dorf keine Geschäfte mehr gibt.

      • @Francesco:

        Es geht eher um die Wege zwischen Dorf und Stadt (Arbeitsplatz) die zwar sogar oft mit öffenlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können, aber nur mit einem unzumutbaren Zeitaufwand, der in vielen Fällen auch kaum reduzierbar ist.

        • @Al Dente:

          Wie kommt man auf die Idee, dass alle Menschen, die auf dem Land wohnen, in der Stadt arbeiten?

    • @Al Dente:

      "Ich bin mir z. B. ziemlich sicher, dass auch das Verbrennerverbot wieder aufgehoben wird,..."



      Das müsste ma ein "Autoindustrieinsider" erläutern (ned unbedingt der Rentner Dudenhöffer (oder so ähnlich) ), wies da wirklich aussieht, auch in Bezug auf Südostasien usw. .



      Davon mal ab würde es sehr kurzfristig wohl reichen, wenn mehr Leute ihren Autobesitzfetisch aufgeben, daran will irgendwie kein Mensch rütteln wechn Arbeitsplätzenblablablubb und Alternativen mit viele Leute und weniger Fahrzeuge, grade in den ÖPNV-Wüsten, werden politisch eher verhindert als gefördert.

      • @Hugo:

        In Angesichts der Tatsache, dass die Nachfrage nach PKW´s global gesehen immer weiter zunimmt denke ich nicht, das es einen typisch deutschen "Autobesitzfetisch" gibt. Richtig ist allerdings, dass eine ganze Menge Arbeitsplätze daran hängen, da auch die deutsche Automobilindustrie den globalen Markt bedient.

    • @Al Dente:

      "... autofokussiert, weil es auch die Bevölkerungsmehrheiten in ihren jeweiligen Ländern sind." --- Ich denke nicht, dass dies zementiert ist. Dort, wo es gute Angebote gibt, wird auch auf öffentlichen Verkehr gewechselt. Ich zum Beispiel, wenn ich nach Krakau muss, nutze ich das neue "S-Bahn"-System, welches aufgebaut wird. Ok, bis zum nächsten Bahnhof brauche ich noch das Auto, aber P+R ist ja auch nicht das schlechteste. --- Oder schau dir Städte mit gutem Nahverkehrsangebot an. In Wien ist der Anteil des Autos am Modal Split von 1993, 40% auf 26%, 2023 gesunken. Es ist also eine Frage des Angebotes.