Wegen rechtsextremer Chats: Razzia bei SEK-Beamten
Die Skandalserie der Polizei Hessen setzt sich fort. Nun wird gegen 20 SEK-Beamte wegen rechtsextremer Chats ermittelt, bei 6 von ihnen gab es Durchsuchungen.
Ausgangspunkt war ein 38-jähriger Frankfurter SEK-Polizist, der inzwischen in Rheinland-Pfalz wohnt. Gegen ihn wird laut Staatsanwaltschaft Mainz seit August 2020 wegen Besitzes und Verbreitung von sogenannten kinderpornographischen Schriften ermittelt. Dieser juristische Begriff schließt Fotos und Videos mit ein. Als Ermittler den Beamten am 15. Dezember 2020 durchsuchten, beschlagnahmten sie auch Handys. Dort fanden sie schließlich mehrere Chatgruppen mit „strafrechtlich relevanten Inhalten“ – und stellten fest, dass die Chatpartner Frankfurter SEK-Beamte waren.
Seit April 2021 ermittelte deshalb die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die Polizisten, beim Landeskriminalamt wurde dafür am 21. April eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet. Beschuldigt sind nun 20 Polizisten, 19 von ihnen sind noch aktiv im Dienst. 17 von ihnen sollen in den Chatgruppen volksverhetzende Inhalte oder NS-Bilder verbreitet haben. Nach taz-Informationen geht es um Hakenkreuze oder rassistische Beleidigungen. Die Beiträge liegen aber bereits länger zurück: Sie sollen vor allem aus den Jahren 2016 und 2017 stammen, die letzten von Anfang 2019.
Die anderen drei beschuldigten Polizisten sind Vorgesetzte, die ebenfalls in den Chatgruppen waren. Ihnen wird Strafvereitelung im Amt vorgeworfen, weil sie die Hetzbeiträge nicht unterbanden oder ahndeten.
Seit Jahren rechte Polizeiskandale in Hessen
Der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill kündigte am Nachmittag an, dass das SEK nun umgruppiert werde. Er versprach eine „rückhaltlose Aufklärung“ der Vorwürfe. Er erwarte von allen Polizeibeamten, dass sie jederzeit für die demokratische Grundordnung eintreten, so Bereswill. „Die Integrität ist ein immens hohes Gut.“
Auch Innenminister Peter Beuth (CDU) nannte die Chats „völlig inakzeptabel“. Es stehe fest, dass keine der beschuldigten Personen mehr für eine hessische Spezialeinheit tätig werde. Wenn es rechtlich möglich sein, würden sie auch aus der Polizei entfernt. „Die heutigen Durchsuchungsmaßnahmen sollten nun auch dem letzten Polizisten deutlich machen, dass jeglichem Fehlverhalten konsequent strafrechtlich und disziplinarisch nachgegangen wird.“
Durchsucht wurde am Mittwoch vorerst nur bei sechs Beschuldigten, 41 bis 47 Jahre alt, gegen die besonders eindeutige Vorwürfe vorliegen. Die Razzien fanden bei ihnen zu Hause und an den Arbeitsplätzen im Polizeipräsidium Frankfurt am Main statt.
Den 19 beschuldigten Polizeibeamten, die noch im Dienst sind, wurde verboten, ihre Dienstgeschäfte weiter auszuführen. Einer der Beamten wurde darüber hinaus suspendiert. Die Chatinhalte werden auch noch auf dienstrechtliche Konsequenzen geprüft.
Die hessische Polizei macht bereits seit Jahren Schlagzeilen mit rechtsextremen Beamten. Bereits 2018 war in einem Frankfurter Revier eine rechtsextreme Chatgruppe aufgeflogen. Zuvor hatte es dort Datenabrufe zu der NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız gegeben, die kurz darauf Drohschreiben eines „NSU 2.0“ mit diesen Daten erhielt. Seitdem wurden laut Innenministerium 77 Disziplinarverfahren wegen rechtsextremer Verdachtsfälle gegen hessische PolizistInnen initiiert. 17 Beamte wurden aus dem Dienst entfernt.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Günter Rudolph sagte, der neue SEK-Fall „sprengt alle Dimensionen“. Die 20 Beschuldigten seien „keine Einzelfälle mehr, sondern der erschütternde Beleg für ein tiefgreifendes Problem bei der hessischen Polizei“. Gegen die Beamten müsse mit allen straf- und dienstlichen Mitteln vorgegangen werden. Den Vorgesetzten warf Rudolph „Führungsversagen“ vor. Gleiches gelte für Innenminister Peter Beuth (CDU), der endlich seiner politischen Verantwortung gerecht werden müsse.
Auch der Linken-Innenexperte Hermann Schaus forderte Beuth auf, zu den Vorwürfen gegen die SEK-Beamten im Parlament Stellung zu nehmen. Er nannte diese „zutiefst erschütternd“. Die Rechtsextremismusskandale erreichten nun auch die „Elite-Einheiten“ der hessischen Polizei, so Schaus. „Es stellt sich die Frage, wie derartiges Fehlverhalten in dieser Größenordnung wieder einmal jahrelang unerkannt bleiben konnte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader