piwik no script img
taz logo

Nazidrohungen in HessenEin überforderter Minister

Hessens Innenminister Peter Beuth wollte von den rechtsradikalen Drohungen des NSU 2.0 erst nichts wissen. Jetzt gibt er seinen Beamten die Schuld.

Rechte Beamten im Blick? Hessens Innenminister Peter Beuth lenkt gern ab Foto: imago

V or einer Woche war es noch ein vager Verdacht. Inzwischen steht fest: Wie vor den Morddrohungen an die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız im Jahr 2018 wurden auch von der Linke-Politikerin Janine Wissler persönliche Daten von einem Polizeicomputer abgerufen, bevor der oder die Absender ihre widerlichen Drohungen abschickten. Im ersten Fall „NSU 2.0“ ermitteln die Behörden seit zwei Jahren, im Fall Wissler seit vier Monaten, bislang ohne Ergebnis. Allerdings führen in beiden Fällen Spuren in die hessische Polizei. Ein Skandal.

Seit vergangenem Samstag berichten Medien, darunter auch die taz, über die Parallelen zwischen beiden Fällen. Nur der zuständige hessische Innenminister Peter Beuth, CDU, mochte offenbar partout keine Zusammenhänge erkennen. Erst an diesem Mittwoch habe er von dem rechtswidrigen Abruf der Wissler-Daten von einem Polizeicomputer in Wiesbaden erfahren, beschwerte er sich am Donnerstag vor der Presse, verbunden mit schweren Vorwürfen an das ihm unterstellte Landeskriminalamt.

Doch die „fehlende Sensibilität“, die er seinen Spitzenbeamten attestierte, muss er sich selbst zurechnen lassen. Von den Drohmails an seine Landtagskollegin wusste er seit Monaten: auch davon, dass sie mit NSU 2.0 unterzeichnet waren. Doch der Minister fand den Vorgang offensichtlich nicht wichtig genug, um nachzufragen. Obwohl die Ermittlungen, wie sein Sprecher erklärte, „mit Hochdruck“ geführt wurden?

Seine Kommunikation ist eine Zumutung. Er ist mit seinem Amt offenkundig überfordert

Nein, dieser Minister nimmt die rechten Umtriebe in seinem Verantwortungsbereich nicht ernst genug. Und er hat den Polizeiapparat offenkundig nicht im Griff. Wichtige Vorgänge bekommt er nicht mit. Seine Infor­mationspflichten gegenüber dem Parlament ignoriert er beharrlich. Die Landtagsfraktionen informierte er erst über die Drohmails an Wissler, als er von bevorstehenden Medienberichten wusste.

Dass die Fahnder im Fall Başay-Yıldız auf eine verdächtige Datenabfrage von einem Polizeicomputer gestoßen waren und dabei eine Chatgruppe entdeckt hatten, die rechts­ex­treme Parolen und Symbole austauschte, auch davon erfuhren die Abgeordneten aus den Medien.

Als polizeiintern die Drohungen an die Linke-Fraktionschefin bekannt wurden, hätten auch bei Beuth alle Alarmsirenen schrillen müssen. Jetzt hat er Konsequenzen angekündigt, gegen andere. Doch er selbst sollte seinen Platz räumen. Seine Kommunikation ist eine Zumutung. Er ist mit seinem Amt offenkundig überfordert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christoph Schmidt-Lunau
Autor
Von 2016 bis 2024 taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Davor u.a. Moderator, Reporter und CvD bei SWF3 sowie Programmdirektor von radioffn, 15 Jahre lang Landtagskorrespondent für den Hörfunk von hr und ARD, gleichzeitig Autor für den Tagesspiegel 1980 Dipl.Soz. und Wiss. Mitarbeiter Goethe Uni Frankfurt
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    ...wer in unser Gurkentruppe ist denn nicht überfordert ? Scheuer ? Heil ? Klöckner, Seehofer & Co.

  • Die Grünen in Hessen existieren nicht wirklich! Ich fürchte das ist eine „Schein-Partei“ die ihre Relevanz mit atemberaubendem Tempo verspielt hat!

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Wo bitte ist der Koalitionspartner Bündnis 90 die Grünen?

  • "Doch er selbst sollte seinen Platz räumen. Seine Kommunikation ist eine Zumutung. Er ist mit seinem Amt offenkundig überfordert."

    Herr Beuth hätte schon nach so vielen Vorfällen, wo fang ich an, zurücktreten müssen.

    - Am Holocaust-Gedenktag im Januar 2018 hatten Beamte vor einer Polizeistation in Schlüchtern die Hessen- und die Deutschlandflagge kopfüber gehisst.



    www.fr.de/rhein-ma...erin-12279232.html

    - den Drohungen gegen Frau Basay-Yildiz und ihre Tochter mit Daten vom Polizeicomputer

    - trotz registrierter Straftaten in Polas sind in Hessen 22 Polizeianwärter in den gehobenen Dienst eingestellt worden, zuständiger Minister Peter Beuth



    www.fr.de/rhein-ma...ellt-11044650.html

    - rechtsextreme bei der Polizei sind ja inzwischen mehrere Verfahren

    Aber egal was der Mann macht, nur wenn die Grünen bei uns endlich mal aufwachen und ihn öffentlich anzählen, muss er gehen.

    Ansonsten wette ich einen Bembel, das auch das übersteht.

    • @Sven Günther:

      Als sich Peter Beuth im Feb./ März '19 mit den Eintracht Frankfurt-Fans anlegte (54 Stadion-Banner gegen Beuth in Frankfurt/ Main), waren sich auch Unionsleute einig, dass der Innenminister seine Energie besser auf das mögliche NSU 2.0-Netzwerk in der Hessischen Polizei verwenden solle. Sie lagen damit richtig.



      Zuvor gab es noch 'Ungereimtheiten' um die Polizei-Software Hessendata, welche Beuth zu verantworten hatte.

  • Überfordert? Wer von einer Bedrohung seiner Kollegin informiert wird und selbst dazu nichts unternimmt ist nicht überfordert sondern ist Teil des Vorgangs.



    Nicht umsonst dauern die Ermittlungen bereits viel zu lange. Den Bedrohungen von Mitgliedern der Gruppe der er selbst angehört selbst nicht entschieden dagegen anzugehen, zeigt in erster Linie das er sich selbst nicht gefährdet sieht. Warum wohl nur?

  • "[...] hätten auch bei Beuth alle Alarmsirenen schrillen müssen [...]"

    Hm."Sollen", ja. "Müssen"?

    Manchmal bekomme ich den Eindruck, manche[1] Konservative haben ein eher instrumentales Verhältnis zu den Rechtspopulisten. Ein Politprofi *kann* einfach nicht so blöd sein. Vielleicht sieht er es als nicht ganz so schlimm, wenn ein Bisschen Angst unter den Linken gesät wird. Erst, wenn ihm das medial um die Ohren fliegt muss er reagieren.

    Aber vielleicht ist mein Menschenbild auch nur zu dreckig.

    [1] Nein, Verallgemeinerung ist hier nicht angebracht. Es gibt sie auch, die Aufrechten.

taz zahl ich illustration

tazzahl ich

All you can read

Niemand muss taz lesen. Aber wer will, kann. Unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Das ist dank Ihrer Unterstützung möglich!

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!