Wegen Waffenexporten nach Israel: Strafanzeige gegen Scholz, Merz und Co.
Die Regierung genehmigte Waffenlieferungen nach Israel. Das sei Beihilfe zu Völkermord und Kriegsverbrechen, so eine Anzeige an die Bundesanwaltschaft.
taz | Eine Gruppe von Berliner Anwält:innen um Benjamin Düsberg hat sieben aktuelle und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung sowie vier Unternehmensvertreter:innen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Israel angezeigt. Sie sollen unter anderen Beihilfe zum Völkermord geleistet haben. Die Anwälte handeln im Namen von palästinensischen Mandant:innen, die nahe Angehörige in Gaza verloren haben.
Die Strafanzeige ist an Generalbundesanwalt Jens Rommel gerichtet, weil die Bundesanwaltschaft für Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zuständig ist. Der Strafantrag umfasst 110 Seiten und liegt der taz vor.
Angezeigt wurden aus der Ampel-Regierung Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD), Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Aus der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung werden Kanzler Friedrich Merz (CDU), Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) genannt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gehörte beiden Kabinetten an.
Den Politiker:innen wird vorgeworfen, dass sie als Mitglieder des Bundessicherheitsrats für die Entscheidung über deutsche Rüstungsexporte zuständig waren und sind. Deutschland habe vom 7. Oktober 2023 (dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel) bis Mai 2025 die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von rund 485 Millionen Euro genehmigt. Mehr als ein Drittel aller israelischen Rüstungsimporte in dieser Zeit sei aus Deutschland gekommen. Die neue Bundesregierung habe im ersten Monat ihrer Amtszeit bis zum 10. Juni weitere Rüstungslieferungen im Wert von knapp vier Millionen Euro genehmigt.
Die vier Unternehmensvertreter:innen gehören zu den Unternehmen Renk Group AG, Rolls Royce Solutions Gmbh und Dynamit Nobel Defence Gmbh. Renk liefere Getriebe für die Merkava Panzer, die laut Strafanzeige in Gaza eingesetzt werden. Rolls Royce statte die Panzer und weitere Militärfahrzeuge, die in Gaza eingesetzt werden, mit Motoren aus. Dynamit Nobel sei für die Lieferung von Panzerabwehrwaffen verantwortlich, die in Gaza gegen bewohnte Gebäude eingesetzt wurden.
Nicht nur Vorwurf Völkermord
Die Anwälte sehen im Export dieser Waffen und dessen Genehmigung eine Beihilfe der Politiker:innen und der Manager:innen zu Verbrechen der israelischen Regierung und der israelischen Armee in Gaza. Konkret geht es um Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, was ausführlich ausgeführt wird. Der aktuelle Bericht einer UN-Untersuchungskommission, die feststellte, dass Israel in Gaza Völkermord begeht, wird erwähnt. Es kommt auf ihn aber nicht entscheidend an, da neben dem umstrittenen Vorwurf Völkermord in der Anzeige auch andere Verbrechen genannt werden.
Die Lieferung der Waffen aus Deutschland soll laut Strafanzeige in doppelter Weise Beihilfe zu diesen Taten darstellen. Zum einen seien damit „Tatmittel“ zur Verfügung gestellt worden. Zum anderen seien Waffenlieferungen auch „psychische Beihilfe“. Die Anwält:innen berufen sich hier auf Entscheidungen der Internationalen Strafgerichte für Ruanda und Sierra Leone.
Anzeigen bislang erfolglos
Die Anwält:innen beziehen sich auch auf eine Äußerung von Kanzler Merz vom 8. August. Die „Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand“ hätten ihm zufolge für die Bundesregierung höchste Priorität. „Das in der vergangenen Nacht vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen lässt aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“
Daraus ergebe sich eindeutig, so die Anwälte, dass bisher auch Ausfuhren zum Einsatz in Gaza genehmigt wurden.
Immer wieder werden im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeigen gegen die Bundesregierung eingereicht. Sie werden dort zwar gründlich geprüft, wenn sie fundiert begründet sind. Soweit ersichtlich haben solche Strafanzeigen aber noch nie dazu geführt, dass Ermittlungen gegen Mitglieder der Bundesregierung aufgenommen wurden.
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