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Wegen Kriegsverbrechen in der UkraineStrafanzeige gegen Putin

Zwei frühere FDP-Minister:innen gehen gegen die Verantwortlichen von russischen Kriegsverbrechen vor. Die Anzeige führt zehn Tatkomplexe auf.

Putin zur Rechenschaft ziehen: Gerhart Baum (l.) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit Anwalt Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Berlin taz | „Herr Generalbundesanwalt, übernehmen Sie“, appellierte Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an diesem Donnerstag in Berlin. Gemeinsam mit ihrem FDP-Kollegen Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister, hat sie eine Strafanzeige gegen die russischen Verantwortlichen von Kriegsverbrechen in der Ukraine erstattet.

Angezeigt wurden Russlands Präsident Wladimir Putin und weitere 32 hochrangige Politiker, Militärs und Geheimdienstler. Hinzu kommen alle Kommandeure und Soldaten von bestimmten russischen Brigaden, Divisionen und Regimenten. Die beiden FDP-Politiker:innen beziehen sich dabei auf Daten des ukrainischen Militärgeheimdienstes, der regelmäßig im Internet die Namen von russischen Soldaten veröffentlicht, die im Kontext von Kriegsverbrechen eingesetzt waren.

Bei der Bundesanwaltschaft sind schon Dutzende Strafanzeigen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eingegangen, doch die Anzeige der beiden FDP-Politiker:innen dürfte die bislang fundierteste sein. Die Strafanzeige, die der taz vorliegt, hat 41 Seiten. Ausgearbeitet wurde sie vom Kölner Anwalt Nikolaos Gazeas und seinem ukrainischen Kollegen Andrej Umansky.

„Kriegsverbrechen verjähren nicht“

Exemplarisch wurden zehn Tatkomplexe herausgestellt – von der Tötung von Zi­vi­lis­t:in­nen in Butscha über die Angriffe auf das Atomkraftwerk Saporischschja und die Entbindungsklinik in Mariupol bis zum Einsatz von Streumunition unter anderem in Kharkiv.

Die Anwälte legten dar, dass es sich dabei jeweils um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. Diese sind nach dem seit 2002 geltenden Völkerstrafgesetzbuch auch dann in Deutschland strafbar, wenn der Tatort im Ausland lag und keine Deutschen unter den Tä­te­r:in­nen und Opfern sind.

Zwar kann Generalbundesanwalt Peter Frank auf Ermittlungen verzichten, wenn sich die Tä­te­r:in­nen nicht in Deutschland aufhalten. Anwalt Gazeas hofft aber, dass Frank dennoch Haftbefehle erlässt, die dann über Interpol weltweit vollstreckt werden könnten.

„Die Aufklärung der Kriegsverbrechen sollte nicht erst nach Beendigung des Konflikts beginnen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Und Anwalt Gazeas ergänzte: „Wenn nur ein Soldat wegen der Signalwirkung der Anzeige auf ein Kriegsverbrechen verzichtet, hat sich der Aufwand gelohnt.“ Anders als für Putin und seine Minister gelte für Kommandeure, Soldaten und Geheimdienstler keine Immunität. „Kriegsverbrechen verjähren nicht“, betonte Gerhart Baum.

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17 Kommentare

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  • Kriegsverbrechen und Mord sind keine Strafantragsdelikte, die als Offizial-Delikte von Amt wegen von der STA ohne Anzeige und Strafantrag zu verfolgen sind.



    Wollen die 3 anwaltlichen Musketiere



    dem GeneralSTA durch die Anzeige-Blume etwa Amtsverweigerung mit Strafvereitelung vorwerfen ?



    Dass ausgerechnet die deutsche Justiz,



    die sich über solchen Personalmangel beklagt, dass sie die laufenden Strafverfahren nicht bewältigen kann,



    jetzt den Vorreiter machen soll, Putin



    und dessen Spießgesellen den Prozess in Deutschland zu machen, hat Realitäts-Verweigerungs-Komponenten.



    Hier steht wohl eher die anwaltliche



    Selbstdarstellung des Triumvirates



    im Vordergrund, um der FDP Wirkmächtigkeit zu verleihen.

    „Wenn nur ein Soldat wegen der Signalwirkung der Anzeige auf ein Kriegsverbrechen verzichtet, hat sich der Aufwand gelohnt.“



    Als wenn russische Soldaten die Anzeige zu lesen bekämen.



    Oder Steinmeiers Soli-Konzert hören würden, das die Stalin-Orgel-Symphonie des Dirigenten Putin begleitet hat.



    Deutschlands letztes Aufgebot zum Abschrecken von Putin und Spießgesellen spricht mimisch für sich.

    • @Michael Balser:

      Ihnen scheint der Fall Anwar R. offenbar völlig entgangen zu sein taz.de/Vor-Urteil-...rprozess/!5825033/



      Das damals gefällt Urteil basiert auf dem im deutschen Völkerstrafrechtsbuch verankerten Weltrechtsprinzip.

      Putin wird man vermutlich nicht zur Verantwortung ziehen können (andererseits: das haben Milojčić, Mladić und Karadžić, die Schlächter vom Balkan, ja auch nicht gedacht). Aber den einen oder anderen seiner Handlanger könnte es doch erwischen.

  • they make a good job

    • @Sonnenhaus:

      for nothing

  • Recht so! Mit drei Ausrufezeichen und mit Hochachtung ist zur Kenntnis zu nehmen, dass hier nicht vom Völkerrecht in der Theorie die Rede ist, sondern handfeste Fakten mit Akten folgen werden. Diese Tradition, sich völkerrechtlich proaktiv im Sinne der Menschenrechte und für die Opfer zu engagieren, also effektiv einzumischen, das ist den beiden ChefpilotInnen dieser Mission ins Stammbuch geschrieben. Andere Rechtsanwälte mit "politischer Vergangenheit" nutzen ihre Stellung lieber für gut dotierte Aufsichtsratposten. Manchmal muss man den Kopf schütteln, wenn man sieht, wer wirklich auf welcher Seite steht. Viel Erfolg den für das Völkerrecht Engagierten, das ist die Königsdisziplin für Profis. A la bonheur! Bravo! Chapeau!



    //

  • Faktencheck: ist die Generalbundesanwalt zuständig?

  • Im Gegensatz zu vielen anderen, welche sich gerade in Forderungen überbieten, stehen diese Beiden für Glaubwürdigkeit in der Politik wie kaum jemand sonst.

    Im übrigen schließe ich mich Bernd an: "Ich hoffe sehr dass Anzeigen gegen Staatsführer bei Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschheit ab jetzt zur Regel werden."

    Es ist vieles aufzuarbeiten. Auch strafrechtlich. Anders werden wir die Geißel des Krieges nie los.

  • Sehr gut!



    Ich hoffe sehr dass Anzeigen gegen Staatsführer bei Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschheit ab jetzt zur Regel werden.

    Bisher hat sich unser juristisches Engagement ja meist auf irgendwelche afrikanischen Ex-Diktatoren beschränkt.

    Ich bin außerdem der Meinung, dass wir Edward Snowden spätestens jetzt Asyl bieten müssen.

    • 4G
      43985 (Profil gelöscht)
      @Bernd Berndner:

      Ich bitte Sie, als ob wir jemals etwas tun würden was der USA missfällt. Snowden & Assange werde nie von uns Asyl bekommen. Wir liefern ja sogar deutsche Staatsbürger an die USA aus.

      • @43985 (Profil gelöscht):

        Es wurde noch nie ein deutscher Staatsbürger an ein anderes Land ausgeliefert, das ist nämlich grundgesetzwidrig! (Einzige Ausnahme: Den Haag)…wenn Sie Murat Kurnaz meinen: Dieser wurde in Pakistan festgenommen und von dort ausgeliefert…

        • 4G
          43985 (Profil gelöscht)
          @Saile:

          Gab es da einen medialen Aufschrei? Hat die Politik sich dagegen gewehrt? Nein.

  • Ja, das sind noch Freie Demokraten! Chapo für diese Anzeige.

    • @shitstormcowboy:

      Wenn die beiden das letzte Aufgebot der FDP sind, dann befindet sich die FDP



      vorm Aussterben.

  • Danke, dass Sie für Ihre Werte einstehen und ich hoffe dass diese Anzeige von weiteren Kreisen unterstützt wird.

  • Beide Politiker waren und sind m.E mit die kompetentesten ihrer Art und repräsentieren noch die liberale Bürgerrechtspartei FDP von 'anno Tobak', die es unter Lindner, Kubicki und vielen anderen nicht mehr gibt



    Wünschen wir der Anzeige, dass sie vom Generalbundesanwalt verfolgt wird, alles andere ist Spekulation.