Waldprotest im Ammerland: Baumbesetzung gegen Autobahn

Zwölf Aktivisten kampieren in den „Garnholter Büschen“ im niedersächsischen Ammerland, um gegen den Bau der Küstenautobahn A20 zu protestieren.

Ein Polizist klettert an einem Baum hoch und löst das Seil eines daran befestigten Balkens

Ende der Besetzung: Ein Polizist baut eine Konstruktion der Aktivisten ab Foto: Fabian Steffens

HAMBURG taz | Eine Gruppe von zwölf Menschen läuft über einen grasbewachsenen Waldweg im Ammerland. Fast alle tragen medizinische Masken. Die Bäume und Sträucher am Wegesrand sind in den verschiedenen Grüntönen des Frühlings gefärbt, zahlreiche Blumen blühen am Boden. So zeigt es ein Video auf YouTube. Was aussieht wie ein Spaziergang in Zeiten von Corona, ist eigentlich Teil des Protests gegen den Bau der geplanten Autobahn A20.

In der letzten Woche hatten Ak­ti­vis­t*in­nen begonnen die „Garnholter Büsche“, einen Wald östlich von Westerstede im Ammerland, zu besetzen. Dieser Wald wird bereits durch die Autobahn A28 geteilt und soll in Zukunft für den Bau der A20 teilweise gerodet werden. Um das zu verhindern, hatten Ak­ti­vis­t*in­nen im Wald mit dem Bau von Baumhäusern begonnen.

Die A20 führt vom Kreuz Uckermark in Brandenburg, an Lübeck und Rostock vorbei, bis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Von dort soll sie in Zukunft bis zur A28 bei Oldenburg in Niedersachsen verlängert werden – genau bis zu dem Wald, den die Ak­ti­vis­t*in­nen besetzt haben. Für den Ausbau ist zudem ein neuer Elbtunnel südöstlich von Glückstadt geplant.

Der 217 Kilometer lange Neubau ist eines der größten Autobahnprojekte Deutschlands und seit Jahrzehnten umstritten. Neue Autobahnen stoßen in Zeiten der Klimakrise vermehrt auf Widerstand, wie der Protest gegen die A49 im Dannenröder Wald gezeigt hat.

Angreifbares Projekt

Die A20 ist besonders angreifbar, denn sie würde nicht nur parallel zur bestehenden A1 verlaufen, weshalb ihre verkehrliche Notwendigkeit in Frage gestellt wird. Sondern die geplante Neubaustrecke soll zudem durch mooriges Marschland, Mischwälder und Wasserschutzgebiete führen, die für den Klima- und Naturschutz wertvoll sind. Laut der Ak­ti­vis­t*in­nen betrifft das rund 80 Prozent der Strecke, die Autobahn GmbH spricht von rund 31 Prozent.

Am Samstag erhielt die örtliche Polizei Hinweise auf eine mögliche Protestaktion gegen den Bau der geplanten Autobahn: die Besetzung der Garnholter Büsche. Nach Aufforderung der Polizei verließen die Be­set­ze­r*in­nen am Nachmittag den Wald.

Die Polizei stellte ihre Personalien fest, denn das Zelten in freier Landschaft ist nicht erlaubt. Spezialeinheiten der Polizei entfernten am Sonntag dann die Bauten der Aktivist*innen. Anzeige wollen die Besitzer des Waldes nicht erstatten, sagten sie der taz am Telefon. Zu strafbaren Handlungen kam es nach Polizeiangaben nicht.

„Wir wollten mit der Erstbesetzung darauf aufmerksam machen, dass die Autobahn gar nicht gebaut werden darf“, erzählt der Aktivist „Rübe“ am Telefon. „In Zeiten der Klimakrise eine Autobahn durch Wälder und Moore zu bauen, ist nur absurd“, findet er. „Besonders weil wir eine Verkehrswende brauchen.“ Das heiße vor allem: mehr Verkehr auf die Schiene und weniger Autoverkehr.

Moore sind wichtige CO2-Speicher. Laut der Umweltschutzorganisation BUND binden Moore weltweit doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen. Wenn Moore trocken gelegt werden, entweicht das Treibhausgas. Aus entwässerten Mooren in Deutschland gelangen so jährlich rund 45 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, rund fünf Prozent der jährlichen Gesamtemissionen.

Mooriger Grund stellt zudem ein bautechnisches Risiko dar. Dies treibt die Kosten beim Bau der Autobahn in die Höhe. Aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag im April geht hervor, dass die Kosten aktuell auf rund 5,2 Milliarden Euro taxiert werden, rund eine Milliarde Euro mehr als bisher genehmigt.

Uwe Schmidt, Sprecher des Bündnisses „A20 Nie“

„Ich finde das gut, dass die jungen Leute sich für ihre Zukunft einsetzen. Da müssten noch viel mehr aufstehen“

Nach der Räumung im Wald haben die Ak­ti­vis­t*in­nen begonnen auf einer Wiese eines A20-Gegners ein Camp zu errichten. Auch die Wiese liegt auf der geplanten Trasse der „Küstenautobahn“, wie der A20-Abschnitt in Niedersachsen genannt wird. Neben zwei Birken, die mitten auf der freien Fläche stehen, sind einige Zelte aufgebaut, so zeigen es Bilder im Netz. Seit Montagnachmittag ist das Camp als Mahnwache angemeldet. Es soll Anlaufpunkt für weitere Ak­ti­vis­t*in­nen sein, ein Ort zum Schlafen und Kochen.

Klage gegen die Genehmigung

Uwe Schmidt, Sprecher des Bündnisses „A20 Nie“, das sich bereits seit Jahren gegen den Bau der Autobahn wehrt, begrüßte das Engagement der Besetzer*innen. „Ich finde das gut, dass die jungen Leute sich für ihre Zukunft einsetzen“, erzählt er am Telefon. „Da müssten noch viel mehr aufstehen und sich wehren.“

Für den ersten Bauabschnitt gibt es zwar schon einen Planfeststellungsbeschluss, also quasi eine Baugenehmigung. Allerdings wird dagegen geklagt. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig soll Anfang Dezember stattfinden. Nach „Ausräumung von Klagen“ könnte hier laut der Autobahn GmbH noch im laufenden Jahr mit dem Bau begonnen werden. Die bundeseigene GmbH hat Anfang des Jahres die Planung, den Bau und die Verwaltung der Autobahnen in Deutschland übernommen.

Zwischen den Be­set­ze­r*in­nen und den Eigentümern des Waldes gibt es Gespräche. Weitere Details wollen die beiden Seiten dazu nicht preisgeben. Es ist aber zu erwarten, dass es weitere Aktionen und Besetzungen gegen den Bau der A20 geben wird. Die Polizei will die Entwicklung der Lage beobachten und ihre „Vorgehensweise entsprechend abstimmen“.

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