Waldbrände in Brasilien: Was tun!
Die EU ringt um den richtigen Umgang mit Brasilien. Sollte sie Druck auf die Wirtschaft des Landes ausüben? Ein Pro und Contra.
Bolsonaro boykottieren
D as Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsverbund Mercosur sollte umgehend gestoppt werden. Es ist fatal, dass sich die Bundesregierung dafür starkmacht, dass der Pakt in Kraft gesetzt wird. Er ist ein gigantisches Geschenk für den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro. Denn seine Unterstützer, die Agrarindustriellen seines Landes, würden enorm von den Zollvergünstigungen profitieren und noch mehr klimaschädliche Sojabohnen und Steaks in die EU liefern.
Unter Bolsonaros Regierung werden systematisch Menschenrechte verletzt, vor allem die Rechte der indigenen Bevölkerung missachtet, Oppositionelle verfolgt. Der Regenwald interessiert ihn nur als auszubeutender Wirtschaftsraum, wie das Brandinferno am Amazonas zeigt. Wer diesen Mann belohnt, unterstützt seine Verbrechen. Ein Präsident, der sein Land und seine Leute derart malträtiert, darf keine Handelserleichterungen als Trophäe bekommen. Er muss wirtschaftlichen Druck spüren, damit er seine Politik ändert, etwa mit einem Boykott auf Waren aus dem (ehemaligen) Regenwald.
Ist das Abkommen erst einmal unter Dach und Fach, wird die EU kaum noch Einfluss auf den Präsidenten haben. Mag sein, dass das EU-Mercosur-Abkommen ein starkes Kapitel zur Nachhaltigkeit hat. Aber: Bei den Wirtschaftsabkommen, die die amtierende EU-Kommission ausgehandelt hat, hat so etwas im wirklichen Leben keine Durchschlagskraft.
Die vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten sind zahnlos. Bei diesen Verträgen geht es um Profite für Konzerne, nicht um Menschenrechte oder ökologische Aspekte. Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sollte sich von diesem Erbe befreien und die Handelsbeziehungen ganz neu aufstellen – im Dienst der Menschenrechte, der Armutsbekämpfung und mit dem Vorrang der Ökologie vor der Ökonomie. Den EU-Mercosur-Pakt in den Aktenschredder zu stecken, ist ein erster Schritt dahin. (Anja Krüger)
Auf Verträge setzen
Das Amazonas-Becken brennt und die Welt schreit auf. Und weil keiner weiß, was zu tun ist, greifen etliche Politiker*innen und Nichtregierungsorganisationen zu einem der wenigen Strohhalme, die ihnen noch bleiben: dem sofortigen Stopp des Mercosur-Abkommens, einer der größten Freihandelsvereinbarungen der Welt. Doch die lauten Schreie sind wohlfeil und blauäugig.
Knapp 20 Jahre hat es gedauert, bis sich etwa die EU mit den lateinamerikanischen Staaten auf eine Vereinbarung nur annähernd geeinigt hat. Jetzt fällt so manchem ein, das Ganze zu kippen? Die Forderung ist mehr als verzweifelt. Besser wäre doch, auf klare Standards zu setzen und ein solches Abkommen mit aller Macht voranzubringen. Ein Boykott des Abkommens kommt einer Kapitulation vor dem Regime des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gleich.
Seit ich mich politisch engagiere – und das sind doch etliche Jahre –, kämpfen Umweltschützer*innen um den Erhalt des Regenwalds. Aber sie wurden für ihren Einsatz im ach so weit entfernten Amazonas-Becken oft belächelt. Nun bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Wir brauchen jetzt zusätzlich zum Abkommen unmissverständliche Vereinbarungen, die die Entwicklungszusammenarbeit stärken.
Zum Beispiel den Amazonas-Fonds. Brasilien aus dem Fonds rauszuschmeißen, ist keine Option. Stattdessen muss es weltweit mehr Investitionen in den Waldschutz geben. Ähnlich sieht es mit Projekten für die indigene Bevölkerung aus, für landwirtschaftliche Kooperativen, für Alternativen zum Export von Soja und Rindfleisch. Hier sind EU und G7 gefragt, die Vertragsstaaten – also alle, die jahrelang den Durchbruch eines Abkommens verzögert haben. Nun wirkt es wie aus der Zeit gefallen.
Verträge und Verhandlungen stagnieren zu lassen, wäre ein fatales Zeichen. Das Amazonas-Becken brennt jetzt. Retten lässt sich, was davon übrig ist, nur mit den Brasilianer*innen. (Tanja Tricarico)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“