Waldbrände in Brandenburg: Klima, Krieg und Forstarbeit

Brandenburg hat ein Problem mit alter Munition im Boden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Bauarbeiten, sondern auch bei Waldbränden.

Dunkle Rauchwolken steigen aus einem brennenden Waldstück bei Jüterborg in Brandenburg hervor, wo im August dieses Jahres große Waldbrände stattfanden

Rauchwolken über einem Wald bei Jüterborg am 26. August 2018 Foto: dpa

Zu Brandenburgs historischem Erbe gehören nicht nur ansehnliche Kulturdenkmäler. 350.000 Hektar des Brandenburger Bodens stehen laut Schätzungen des Landesinnenministeriums unter „Kampfmittelverdacht“ – über elf Prozent der Landesfläche.

Gleichzeitig sind 37 Prozent Brandenburgs mit Wald bedeckt, fünf Prozentpunkte mehr als der bundesrepublikanische Durchschnitt, fünf weniger als beim Spitzenreiter Hessen. Diese Kombination hat Konsequenzen – etwa bei Waldbränden.

Dabei sage der Munitionsverdacht allein noch nichts darüber aus, ob und welche Kampfmittel sich in einem Waldstück befänden, erklärt Raimund Engel, Landeswaldschutzbeauftragter.

Unter den 240 Tonnen Munition, die der Brandenburgische Kampfmittelbeseitungsdienst (KMBD) 2017 entschärfte und vernichtete, befanden sich 34.000 Handgranaten, 2.100 Brandbomben und 400 Minen. Insgesamt konnten bisher 1.300 Hektar der Verdachtsfläche geräumt werden. Von Pistolenkugeln bis zu panzerbrechender Munition war alles dabei.

Spiegel der Geschichte

Die Arten der Kampfmittel, die geborgen werden, spiegeln die militärische Geschichte des Bundeslandes wieder. Denn Hauptursachen für Munitionsbelastung sind alte Truppenübungsplätze und Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg.

Der Truppenübungsplatz bei Wünsdorf etwa wurde bereits Anfang des letzten Jahrhunderts als kaiserlicher Schießstand genutzt. Auf einem mehrere hundert Hektar großen Gebiet konnten verschiedenste Truppeneinheiten ihre Manöver in unterschiedlichem Terrain üben. Später testete die Wehrmacht hier unter anderem ihre Panzer, ehe die Rote Armee das Gelände bis zur Wiedervereinigung nutzte.

Große Teile des Übungsplatzes sind bis heute bewaldet. Hier brannte es zuletzt 2013. Ähnliche Historien haben der ehemalige Truppenübungsplatz „Altes Lager“ bei Jüterbog, der Ende August von Bränden betroffen war, sowie die Lieberoser Heide, auf der es diese Woche brannte.

Auch die mensch- und materialvernichtenden Gefechte des Zweiten Weltkriegs haben in Brandenburg ihr gefährliches Erbe hinterlassen. Bei der Schlacht um die Seelower Höhen oder der Kesselschlacht von Halbe gelangten große Mengen Munition in den Boden. Unter Munitionsverdacht steht außerdem fast die gesamte Oder-Neiße-Grenze. Nördlich von Frankfurt/Oder befindet sich eines der größten Gefahrengebiete des Landes.

Spitze bei Waldbränden

Besonders beim Bauen und bei Waldbränden haben die Geister der Vergangenheit Einfluss auf die Lebenden. Wer im Kampfmittelverdachtsgebiet eine Straße, ein Haus oder einen Zaun errichten, eine Leitung verlegen oder Erstdurchforstungen durchführen will, muss zuvor eine Bodensondierung durchführen lassen. Falls Munition gefunden wird, wird die Räumung und Vernichtung vom Land oder Bund übernommen. Die Sondierung muss jedoch vom Bauenden selbst bezahlt werden.

Brandenburgs Waldanteil ist im Deutschlandvergleich zwar nicht außergewöhnlich hoch. Doch in Sachen Waldbrände liegt das Bundesland an der Spitze. Ein Drittel aller Waldbrände findet hier statt, obwohl das Land nur acht Prozent der Fläche Deutschlands ausmacht.

Zurückgelassene Munitionsbestände können sich bei Hitze selbst entzün­den und Brände auslösen

Das hat verschiedene Gründe: Nach Sachsen-Anhalt fällt in Brandenburg der wenigste Niederschlag, außerdem gibt es riesige Kiefermonokulturen, die zum Teil dort angepflanzt wurden, weil sie mit wenig Wasser auskommen. Kiefern speichern also weniger Wasser und brennen deshalb stärker.

Die hohe Kampfmittelbelastung hat doppelten Einfluss auf die Waldbrandsituation. Erstens können sich zurückgelassene Munitionsbestände bei Hitze selbst entzünden und dadurch Brände auslösen.

Besonders gefährlich sind Leuchtspurgeschosse aus dem Zweiten Weltkrieg, die Phosphor enthalten. Tritt dieses durch das Rosten des Munitionsmantels aus, kann das Phosphor sich bereits bei 22 Grad selbst entzünden. Genauso finden sich aber Blindgängerbomben, die jederzeit detonieren können.

Gefahr beim Löschen

Zweitens behindern munitionsverdächtigte Flächen Löscharbeiten bei einem Waldbrand. Besonders ehemalige Truppenübungsplätze sind schwer löschbar. Dabei ist es Alltag, dass es während der Brandbekämpfung in solchen Gebieten zu spontanen Detonationen kommt.

Die Löschung in Munitionsverdachtsfällen erfolgt von gesicherten Straßen, aus der Luft oder mit speziell konzipierten Löschpanzern. Häufiger muss man hier die Flächen kontrollierbar abbrennen lassen. Das führt zu größeren Schadensflächen.

Im Jahrhundertsommer 2003 gab es in Brandenburg 697 Brände auf einer Fläche von 600 Hektar. 2018 waren es bis jetzt 456 Brände auf 1.600 Hektar. Die weiträumig bewaldeten Plätze in Jüterbog und in der Lieberose Heide erstrecken sich jeweils über 500 Hektar. Ist ein Stück der Fläche erst einmal in Brand, kann sich das Feuer hier weiträumiger ausbreiten.

Statistisch nimmt Munition als Brandursache allerdings einen geringen Stellenwert ein. Bis Mitte September 2018 hat es in Brandenburg 456 Waldbrände gegeben. Nur elf davon, 2,4 Prozent, werden auf die „Selbstentzündung alter Munition“ zurückgeführt. Blitzschläge sind für 7,2 Prozent verantwortlich, vorsätzliche Brandstiftung für 18 Prozent. Und in 62,1 Prozent der Brandfälle sind die Ursachen unbekannt oder nicht aufklärbar.

Helfen die Waldbrände in Brandenburg in diesem Sommer dem ökologischen Waldumbau in dem Bundesland auf die Sprünge? Der kommt bislang nur schleppend voran. Mehr dazu in der gedruckten taz.berlin an diesem Wochenende.

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