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Wahlwiederholung ohne VolksentscheidSabotage am Volksentscheid

Innensenatorin Spranger (SPD) will den Klima-Volksentscheid wohl nicht am Wahltag 12. Februar abhalten. Initiative sieht Schaden für die Demokratie.

Bald im Wahlkampf: Berlin 2030 Klimaneutral Foto: Imago / Steinach

Berlin taz | Kaum ist der Jubel der Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen über das erfolgreiche Volksbegehren verklungen, kommt ein Dämpfer aus der Senatsinnenverwaltung von Iris Spranger (SPD). Sie will offensichtlich die Abstimmung nicht parallel zur Wahlwiederholung abhalten. Ein gemeinsamer Termin sei „unwahrscheinlich“, sagte ihr Sprecher Thilo Cablitz der taz. Die Entscheidung über den Termin trifft der Senat.

Die Initiative Klimaneustart Berlin hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass sie rund 260.000 Unterschriften für ihren Volksentscheid gesammelt habe. Am Mittwoch hatte das Berliner Verfassungsgericht die Wahl zum Abgeordnetenhaus von 2021 für ungültig erklärt. Sie wird nun am 12. Februar 2023 wiederholt.

Da dieser Termin bereits vor der Entscheidung im Raum stand und laut Berliner Verfassung nach einem erfolgreichen Volksbegehren „innerhalb von vier Monaten ein Volksentscheid herbeigeführt werden muss“, waren Klimaneustart Berlin und viele andere davon ausgegangen, dass Wahl und Entscheid zusammen stattfinden werden. Auch Landeswahlleiter Stephan Bröchler hatte dies so gesehen: Auf taz-Nachfrage erklärte er Mitte Oktober, was passiere, wenn das Volksbegehren erfolgreich sei: „Dieser Entscheid wird dann auch am Wahltag abgestimmt. Darauf müssen wir uns einstellen.“

Das versucht die Innenverwaltung nun offenbar zu verhindern, mit Verweis auf die schwierige Vorbereitung einer weiteren Abstimmung, für die etwa noch keine Unterlagen gedruckt sind. „Die zusätzliche Organisation des Volksentscheids wäre in der Kürze eine enorme Herausforderung, allein wenn man an Lieferketten für die Stimmzettel denkt“, so Cablitz weiter.

Vertrauensverlust für die Demokratie

Der Senat ist laut Gesetz nicht verpflichtet, Abstimmung und Wahl auf einen Tag zu legen. Eine Abstimmung an einem Tag ohne weitere Wahl reduziert die Beteiligung deutlich; die Gefahr steigt, dass der Volksentscheid am Quorum scheitert: Ein Viertel der Ber­li­ne­r*in­nen muss mindestens zustimmen. Sind beide Termine getrennt, muss es – voraussichtlich bis Ende März – einen weiteren Abstimmungstermin zusätzlich zum 12. Februar geben.

Jessamine Davis, Sprecherin von Klimaneustart Berlin, sagte zur taz: „Wir erwarten ganz klar, dass beide Termine zusammengelegt werden.“ Die Trennung von Wahl und Abstimmung würden doppelte Arbeit, höhere Kosten und mehr Aufwand für die Bür­ge­r:in­nen bedeuten. „Das wäre eine Behinderung der direkten Demokratie, die das Vertrauen in die Demokratie beschädigt und eine unnötige finanzielle Belastung der Steuerzahler:innen“, so Davis. Eine entsprechende Entscheidung wäre ihr zufolge politisch motiviert: „Der Senat will keine vorgezogenen Klimaziele.“

Der Verband Mehr Demokratie kritisierte die geplante Entkopplung als demokratisch fahrlässig. Im Hinblick auf die auch noch anstehende teilweise Wahlwiederholung der Bundestagswahl in Berlin sagt Landesvorstandssprecher Oliver Wiedmann: „Zwei Wahlen werden voraussichtlich an zwei verschiedenen Terminen wiederholt und dann käme noch ein weiterer Termin für den Volksentscheid hinzu: Das ist gegenüber den Wählerinnen und Wählern nicht vermittelbar.“ Er forderte die Verwaltung auf, „alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Nachwahl und Volksentscheid zusammenzulegen und das Demokratie-Vertrauen in Berlin nicht weiter zu beschädigen“.

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5 Kommentare

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  • Na klar, damit die Zeit in den zu wenigen Wahlkabinen wieder nicht reicht. Davon abgesehen, wieso liegt es am Wahltermin, wenn nicht genug Personen abstimmen sollten? Wenn nicht genug an einem anderen Termin zustimmen, dann war es wohl nicht so weit her mit dem Wunsch der Berliner Bevölkerung. Es ist halt einfacher auf der Straße mal eben seine Zustimmung zu bekunden als sich wirklich zur Stimmabgabe aufzumachen.

  • Wenn ich mich recht erinnere, war einer der Gründe, warum man in Berlin in 2021 nicht in der Lage war, ordentliche Wahlen durchzuführen, dass zu viele Abstimmungen auf einmal stattgefunden haben. Insofern ist es auch richtig, das zu entzerren

    Und wenn sich die Leute nicht dazu mobilisieren lassen, bei einem Volksentscheid abzustimmen, dann ist das letztlich auch ein demokratisches Votum gegen das Anliegen des Entscheids, vielleicht auch ein Votum gegen das System der Volksentscheide in einer parlamentarischen Demokratie. Volksentscheide machen das System keineswegs unbedingt demokratischer.

  • Schaden für die Demokratie entsteht nicht durch die Festlegung eines Wahldatums, sondern durch die Unfähigkeit der politisch Verantwortlichen in der deutschen Hauptstadt eine freie und geheime Wahl richtig zu organisieren, und damit auch zu gewährleisten.

    Verursacht wurde dies durch Inkompetenz und Gleichgültigkeit gegenüber einem wesentlichen Kerninhalt der Demokratie.

    Die Notwendigkeit die Wahl zu wiederholen ist nicht nur eine völlige Blamage, sondern trägt auch massiv dazu bei den Staat und seine Institutionen zu delegitimieren. Insbesondere auch deshalb weil sich für dieses komplette Versagen niemand in der berliner Politik persönlich verantworten muss.

    Man kann nur hoffen dass die OSZE Wahlbeobachter nach Berlin schickt um bei der Wiederholung einen korrekten Ablauf zu gewährleisten.

  • Berlin - Flughäfen könnt ihr nicht, Wahlen könnt ihr nicht, mit Geld umgehen könnt ihr nicht, genug Mietwohnungen könnt ihr nicht - aber in 7 Jahren Klimaneutral sein wollen?



    Wer sollte das denn jemals umsetzen können, die Regierung von Berlin ganz bestimmt nicht.

  • Das wäre dann schon mal eine Partei weniger, die bei mir am 12. Feb. in die engere Wahl kommt.