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Wahlkampfkonzepte in DeutschlandSPD will sich unterscheiden

Die Sozialdemokraten überlegen, die Rentenbeiträge für Leute mit geringem Einkommen zu senken. Und dies steuerlich gegenzufinanzieren.

Verlangt auch nach Sanierung: Schlagloch Foto: dpa

Berlin taz | Vier Jahre passierte in der Finanz- und Steuerpolitik der Großen Koalition kaum etwas. Nun deutet sich mehr Bewegung an. Die SPD diskutiert darüber, den Rentenbeitrag für ArbeitnehmerInnen zu verringern. Dies soll Beschäftigte betreffen, die beispielsweise bis zu 20.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Finanziert werden könnte das durch eine höhere Einkommensteuer ab 80.000 Euro Jahresverdienst.

Nach Informationen der taz konkretisieren sich damit Forderungen, mit denen die SPD in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen könnte. Beschließen muss darüber freilich ein Parteitag im kommenden Jahr. Absehbar ist aber schon jetzt, dass man in der Finanzpolitik eine deutliche Alternative zur Union formulieren will. CDU/CSU setzen bisher auf Steuersenkungen für mittlere und kleine Einkommen. Davon profitieren allerdings diejenigen Arbeitnehmer nicht, die so wenig verdienen, dass sie kaum Steuern zahlen. In dieser Woche entscheidet der Bundestag endgültig über den Etat für 2017.

Das SPD-Konzept könnte in diese Richtung gehen: Beschäftigte mit Einkommen bis zu 1.500 oder 2.000 Euro brutto monatlich zahlen einen geringeren Rentenbeitrag. So würden sie beispielsweise 40 Euro pro Monat sparen. Die Kosten von jährlich bis zu 10 Milliarden Euro sollte der Bundeshaushalt übernehmen und an die Rentenversicherung überweisen. Es handelte sich um eine zusätzliche Subventionierung der Sozialversicherung aus Steuermitteln.

Der Zuschuss zur Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt beträgt heute 64 Milliarden Euro jährlich. Das sind rund 20 Prozent aller Ausgaben. Derzeit entrichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils 9,35 Prozent des Bruttolohns an die Rentenversicherung. Der Arbeitnehmeranteil könnte auf 7 Prozent sinken, sollte das SPD-Konzept realisiert werden.

Zur Gegenfinanzierung erwägt die SPD eine zusätzliche Stufe im Tarif der Einkommensteuer ab beispielsweise 80.000 Euro Jahresbrutto für Singles und 160.000 Euro für Verheiratete. Bei diesen Einkommen könnte der augenblickliche Spitzensteuersatz von 42 Prozent eventuell auf 43,5 Prozent steigen. Dieser Tarif würde dann bis zu 250.000 Euro gelten – bis zu der Schwelle, bei der heute die sogenannte Reichensteuer von 45 Prozent fällig wird.

Unterdessen wünscht die EU-Kommission, dass die Mitgliedstaaten mehr Mittel für Investitionen ausgeben. Dieses Ansinnen richtet sich nicht zuletzt an Deutschland. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Forderung laut Medienberichten zurück.

Investitionen aus dem Bundeshaushalt steigen wieder

Wenn der Bundesetat für 2017 in dieser Woche beschlossen wird, sind darin Investitionen in Höhe von rund 36 Milliarden Euro enthalten. Der Anteil an den Gesamtausgaben beträgt 11 Prozent und liegt um rund 1 bis 2 Prozentpunkte über dem Anteil in den Jahren seit 2009. Nur 2012 war die Investitionsquote etwas höher, als sie 2017 sein soll.

Die 36 Milliarden Euro gibt die Große Koalition unter anderem dafür aus, den Bundesländern und finanzschwachen Kommunen bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten zu helfen. Zusätzliches Geld fließt in Entwicklungshilfe und Grenzschutz in Afrika. Die Bundeswehr bekommt mehr Mittel, und der Sicherheitsapparat wird besser ausgestattet, um Terroranschlägen vorbeugen zu können. Neue Programme gibt es auch für Wohnungen, Verkehrsinfrastruktur und bessere Internetverbindungen. Selbst in der SPD heißt es, viel mehr Geld könne man augenblicklich nicht verbrauchen, weil die Verwaltungen in Städten und Gemeinden ausgelastet seien.

Die Ausgaben des auf 329 Milliarden Euro wachsenden Bundeshaushaltes finanziert die Koalition komplett aus Einnahmen. Wegen der guten Wirtschaftslage hat das Steueraufkommen während der vergangenen Jahre erheblich zugenommen. Neue Schulden will die Koalition auch im kommenden Jahr nicht aufnehmen.

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15 Kommentare

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  • Es ist noch viel mehr auf der Strecke geblieben im Sozialen: Nehmen wir Spanien. Ein armes Land. Jede Kommune, jede, auch ein kleines Dorf hat ein Haus als Treffpunkt für ältere Menschen. Dort kann man an 6 Tagen der Woche hingehen, es gibt immer Gesellschaft, man muss nichts verzehren, trifft Kumpels, ein wenig Tratsch und Klatsch. Die großen Kummunen bieten dort Tanzkurse, Schachturniere, Computer- und Nähkurse an, auch jüngere Leute kommen zuweilen dazu. Bringen den Kinderwagen + Inhalt zur Betreuung, während sie eben zur Frisörin gehen.

     

    Finanziert mit Mitteln aus Kommune, Land, Staat, manchmal gibt auch die EU was dazu. Und das in Spanien!

     

    Hier, im reichen Deutschland faselt die Schwesig was von Integration älterer Menschen, die vereinsamt sind.... und dann kommt irgendeine Studie, die wahrscheinlich elend teuer war - aber nix passiert. Es könnte so einfach sein, das Leben mal wahrnehmen. Mal gucken, wie machen andere das?

    Auch hier sehe ich bei der SPD keine Ideen, keine Kreativität. Schon lange nicht mehr. Diese Partei sollte sich mal in der Opposition regenerieren, jungen Leuten Chancen geben, mehr Frauen an die Spitze holen (die Barley scheint ja ganz patent zu sein) und dann einfach mal Alltagsprobleme lösen.

  • "Die SPD diskutiert darüber, den Rentenbeitrag für ArbeitnehmerInnen zu verringern"...."Beschäftigte mit Einkommen bis zu 1.500 oder 2.000 Euro brutto monatlich zahlen einen geringeren Rentenbeitrag. So würden sie beispielsweise 40 Euro pro Monat sparen"

     

    Glaub die SPD Führung ernsthaft damit verlorengegangende Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. damit einen Teil ehemaliger SPD Wähler wieder für sich zu gewinnen.

    Das sind bei 1500,- Bruttto 2,6 Prozent mehr zur Verfügung.

    Die Rentenpolitik steht Beispilehaft für die Mutlosigkeit der SPD. Eine Politik mit wenig Zukunftsorientierung. Für die Rentenpolitik wäre da z.B Österreich mit seiner Reform im Jahre 2014 ein Vorbild.

    Mit dem "Pensionshamonisierungsgesetz" wurde die Grundlage geschaffen, dass alle Erwerbstätigen, auch Beamte u Politiker, in die Sozialkassen einzahlen.

    Gleichzeitig wurde damit das Sozialsystem stabilisiert. Bedeutet, das nach 45 Versicherungsjahren im Alter von 65 JKahren 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens gezahlt werden. In Deutschland ist vorgesehen 43% bis zum Jahre 2030.

     

    Das würde die SPD wieder glaubhaft machen Das könnte dazu führen, verlorengegangenes Klientel wieder zurückzugewinnen.

    • @Ulrich Lutz:

      Die SPD kann das gerne alles fordern, die Union wird dafür aber korrekterweise nicht die schwarze Null riskieren und diese Vorschläge ablehnen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Die SPD hat sich jetzt schon so lange durch nichts weiter als drei Buchstaben von ihrem Koalitionspartner unterschieden, dass eine durch Personalabbau kostensenkende Fusion längst überfällig ist.

    Die Guten in Ländern und Kommunen können einem nur leidtun.

  • Wie ich die deutschen Geringverdiener kenne, werden sie sich nicht für 40 Euro kaufen lassen von der SPD. Das hätte vielleicht in der 70-ern geklappt oder in Bangladesh. Hier und heute aber sind die Zeiten anders. Man will nun alles. Oder nichts. So, wie der Boss.

     

    Nein, wer konservativen Ideen anhängt, wird nicht SPD wählen. Trotze aller Bemühungen ihrer Führer wird die SPD noch immer nur als drittstärkste konservative Partei angesehen. Wer will, kann also gleich ein Original wählen. Hinzu kommt: Wer schon früher nicht viel verdient hat, hat keinen Grund, konservativ zu sein. Auch dann nicht, wenn er heute anteilig noch weniger verdient. Der muss vielmehr nach Alternativen suchen – die ihm die SPD, wenn's nach dem Willen ihrer Führer geht, nicht bieten will.

     

    Nehmen wir bloß mal ihren aktuellen Vorschlag: Wer einem Gutverdiener, der 100.000 € kriegt pro Monat, 1,5% wegnimmt (na ja, vielleicht, mal sehen), der tut ihm damit ganz genau so wenig weh, wie er einem Geringverdiener mit lausigen 40 € den auf Grundeis gehenden Hintern rettet. Er schürt nur zusätzlichen Hass. Zieht man von 100.000 Euro nämlich 1,5% = 1.500 € ab, bleibt immer noch das 56-fache dessen übrig, was ein Geringverdiener fürs unbezahlte Überstunden schieben kriegt. Dieses Verhältnis kann man immer noch niemandem erklären, der angeblich gleichwertig ist.

     

    Der SPD-Wahlvorschlag gehört in die Restmülltonne, die mit der Aufschrift "Volksverdummun"“ versehen ist. Vor allem, wenn die oberen Gehälter nicht gleichzeitig gedeckelt werden. Von der nächsten Gehaltssteigerung profitieren nämlich die Gutverdiener wieder übermäßig, während die Geringverdiener in die Röhre gucken. So geht man nicht mit seinen (potentiellen) Wählern um.

     

    Sieht aus, als hätten nicht nur der deutsche Geringverdiener keinen Plan von einer wirklich guten Zukunft für alle, sondern auch die SPD-Spitze. Schade eigentlich. Gerade jetzt, wo die Unzufriedenen so sehr der Führung zu bedürfen glauben...

  • "SPD will sich unterscheiden"

     

    ja, von AfD, Linken und NPD, ansonsten ist das einfach eine Lüge. Die SPD ist austauschbar mit der CDU, CSU und der FDP, zu 90 Prozent mit den Grünen. Und die SPD sieht an den Urnen alt aus, was sie ja auch ist. Ich würde die SPD an den Urnen auf 22,9 Prozent schätzen. Das wäre gar nicht schlecht, weil sie dann wenigstens nicht das Projekt der FDP 18 einholen, wenn auch von Oben nach Unten.

  • Der SPD traue ich in Sachen Soziales mit Sicherheit am wenigsten über den Weg.

     

    Frau Nahles mit ihren Ansichten könnte mittlerweile auch gut zu einer anderen Partei wechseln, wie es aktuell ja so einige tun.

    • @Hanne:

      Hm. Mal sehen: Welche soziale Sicherheit lässt sich von 40 Euro im Monat schaffen?

  • hoffentlich bleibt dieser Rest einer ehemals sozialen Partei bei unter 20%.

  • Alles ziemlich egal, denn Mit Siggi oder Schulzi wird es wohl kaum ein zweistelliges Ergebnis...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Klappstuhl:

      Psst!

      K-Kandidaten erst Ende Januar 2017 nennen!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Abgesehen von dem skandalös niedrigen Rentenniveau (http://www.gruen-links-denken.de/wp-content/uploads/2016/11/rente1.png), ist Deutschland auch einer der wenigen Länder, die keine Aufstockung der Geringverdienerrenten vornehmen (finde die Grafik nicht auf die schnelle). Der Vorschlag der SPD ist ein bloßes Herumdoktern und entlastet zwar das laufende Einkommen der Geringverdiener, ändert aber nichts an der kargen künftigen Rentenzahlung. Obwohl, ich wette, dass die SPD da auch ein Vorschlag hat - Privatvorsorge!

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Absurd ist auch, dass junge Renter wegen Erwerbsminderung kaum was im Rahmen ihrer rechtlichen und gesundheitlichen Möglichkeiten dazu verdienen können, wenn sie entsprechend qualifiziert sind, ohne dass ihnen ihre geringe Rente gekürzt wird.

       

      So bleiben viele auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen, was sie nicht unbedingt sein müssten. Bis zu 450 € brutto darf ein EM-Rentner kürzungsfrei hinzuverdienen. Das entspricht bei Mindestlohn ca. 12 Stunden die Woche. Möchte aber nun beispielsweise ein Ingenieur im Rahmen seiner gesundheitlichen Möglichkeiten 10 Stunden die Woche arbeiten gehen und würde ca. 20 € pro Stunde brutto erhalten, dann würde schon sein Rentenauszahlungsbetrag heftig gekürzt werden.

       

      Dass das in einer Gesellschaft wie der unseren keinen Sinn ergibt und dass auch ein wenig Erwerbstätigkeit im "alten" Beruf mit entsprechender Entlohnung für die Psyche gut ist, müsste eigentlich jedem klar sein.

       

      Das ist doppelte Bestrafung für Menschen, die für ihre Einschränkung nichts können, aber dennoch motiviert sind am "normalen" Leben teilzuhaben.

       

      Nicht jeder EM-Renter kann ein paar Stunden (

      • @Hanne:

        Ergänzung:

         

        Nicht jeder EM-Renter kann ein paar Stunden (

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Hanne:

          "Nicht jeder EM-Renter kann ein paar Stunden ("

          ...

          Na? Was denn?