Wahlkampf der SPD in Berlin: Regierende Spitzenkandidatin
Die SPD setzt bei ihrer Wahlkampagne voll auf Franziska Giffey und versucht, mit dem 29-Euro-Ticket den Grünen Stimmen abzujagen.
Offene Attacken auf die Opposition aus CDU, FDP und AfD scheinen da derzeit genauso fehl am Platz wie Kritik an den Koalitionspartnern Grüne und Linke. Schließlich gibt sich Giffey betont siegessicher: „Wir werden wieder gewinnen.“ Unmöglich ist das nicht, verschiedene Umfrageinstitute sehen CDU, SPD und Grüne gleichauf bei je rund 20 Prozent. Eine Tendenz, wer als Erster durchs Ziel geht bei der Wahlwiederholung, ist derzeit nicht erkennbar.
Doch kurz vor Ende der Kampagnenvorstellung in einem Hotel nahe der Oberbaumbrücke – die übrigens stattfindet, nachdem in der Nacht zuvor alle Parteien bereits die ersten Plakate in der Stadt aufgehängt haben – drängt es SPD-Co-Chef Raed Saleh dann doch zu einem Angriff auf die Grünen. Deren Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte den Anspruch erklärt, Giffey im Roten Rathaus ablösen zu wollen. Saleh verpackt seine Attacke geschickter: Statt Jarasch offen zu kritisieren, ermutigt er sie, sich offensiver für die Verkehrswende einzusetzen: „Ich wünsche mir mehr Mut und Visionen aus der Verkehrsverwaltung.“
Während die SPD im Wahlkampf 2021 noch freie Fahrt für Autos forderte, will sie diesmal den Begriff Verkehrswende für sich kapern. Insbesondere die Position der Grünen zum Berliner 29-Euro-Ticket könne er nicht nachvollziehen, so Saleh weiter. Die von seiner Partei einst vorgeschlagene Verlängerung des ursprünglichen 9-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr sei, schon allein gemessen an den Verkaufszahlen, ein Erfolg. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass sich die grüne Verkehrssenatorin dagegen sperrt, das Ticket über den April hinaus zu verlängern.“
Franziska Giffey, SPD
Die SPD hingegen verspricht, das nur im Berliner AB-Bereich gültige Ticket auch dann zu diesem Preis fortzusetzen, wenn das bundesweite 49-Euro-Ticket wie vom Bund geplant zum 1. Mai kommen sollte. Man müsse Anreize schaffen, um Menschen zu motivieren, auf den ÖPNV umzusteigen, betont Saleh. Die Grünen lehnen bisher ab, dass beide Tickets parallel angeboten werden, und fordern statt einem Pauschalangebot für alle spezifischer auf sozial schwache Zielgruppen ausgerichtete Fahrkarten.
Ob sie das durchhalten bis zum 12. Februar? Die SPD jedenfalls will die Debatte über das 29-Euro-Ticket zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Auch das einzige an diesem Montag vorgestellte Großplakat mit inhaltlichen Forderungen zielt genau darauf. Ansonsten dominiert Franziska Giffey die Kampagne und die 1.600 sogenannten Großflächen, also frei stehende Plakate; zudem hängen die Sozialdemokraten rund 47.000 kleinere Poster auf, etwa an Laternen.
So steht auf einem Poster über dem Foto einer am Schreibtisch Akten lesenden Giffey der Satz: „Arbeiten für Berlin“. Auf einem anderen ist die Regierende überschrieben mit dem Slogan „Franziska Giffey, unsere Regierende“. „In schwerer See wechselt man nicht die Steuerfrau“, erklärt Giffey dazu. Unverändert eckig bleibt das rote SPD-Herz, den Hashtag #zusammenBerlin verkürzt die Partei gern zu „zsm Berlin“ wohl in der Hoffnung, eine junge Klientel zu erreichen.
Olaf Scholz macht Wahlkampf für Giffey
Voll auf Angriff gegen die Mitstreiter*innen soll es dann aber kommenden Montagabend gehen. Im traditionsreichen Wintergarten kommt zum offiziellen Wahlkampfauftakt auch Bundeskanzler Olaf Scholz.
Nicht beirren lassen will sich Giffey derweil von der Möglichkeit, dass die Wahlwiederholung noch einmal abgesagt wird. Mitte Dezember haben mehr als 40 Berliner Abgeordnete aus Bezirksparlamenten und dem Abgeordnetenhaus vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts geklagt; Letzteres hatte die Wahl von 2021 für ungültig erklärt.
Die Kläger*innen halten die Begründung der Berliner Richter*innen für nicht ausreichend für eine komplette Wiederholung. Bis 10. Januar hat Karlsruhe nun Stellungnahmen eingefordert. „Wir können uns nicht ständig auf alles Neue einstellen“, sagt die SPD-Spitzenkandidatin dazu auf taz-Nachfrage. „Jetzt bereiten wir uns mit ganzer Entschlossenheit auf den 12. Februar vor.“
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