Berliner Wahltermin am 12. Februar: Unterm Damoklesschwert

Dass das Bundesverfassungsgericht die Wahl noch stoppen könnte, erscheint irreal. Das dachten viele im Herbst aber auch über eine Wiederholungswahl.

Das Foto zeigt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Am Bundesverfassungsgericht entscheidet sich, ob Berlin wirklich am 12. Februar wählt Foto: dpa

An den Straßenlaternen hängen seit Montag Plakate, der Landeswahlleiter hat in dieser Woche im Zehlendorfer Rathaus nochmal anschaulich das Briefwahlverfahren erklärt, die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten sind mehr denn je im Wahlkampfmodus, Stimmzettel liegen schon vor Ort: Berlin steuert hochtourig auf die Wiederholung der pannengeplagten Wahl vom 26. September 2021 auf Landes- und Bezirksebene zu. Dass da gleichzeitig beim Bundesverfassunggericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen die Wiederholung vorliegt, scheint nachrangig.

Jetzt noch eine Absage, nach all dieser Vorbereitung? Alltagsfremd, unrealistisch, unmöglich wirkt dieser Gedanke. Alles stoppen? Was dann beispielsweise machen mit den in dieser Woche bereits per Sofort-Briefwahl abgegebenen Stimmen? Würde das nicht das Vertrauen in die Demokratie noch mehr erschüttern?

Es sind ja nicht nur solche pragmatischen und emotionalen Beweggründe, die dagegen sprechen, dass das Bundesverfassungsgericht das Wiederholungsurteil seiner Kolleginnen und Kollegen auf der Berliner Landesebene vom 16. November kippt. Viele kluge Juristen, darunter der taz-Rechtsexperte in Karlsruhe, haben nachvollziehbar argumentiert, dass das Gericht der Beschwerde nicht folgen wird, dass also der Wahltermin am 12. Februar Bestand hat.

Doch war das nicht ähnlich, bevor das Berliner Verfassungsgericht bereits in der mündlichen Anhörung Ende September – die wegen der vielen Betroffenen skurrilerweise in einem Hörsaal der Freien Universität stattfand – völlig überraschenderweise ankündigte, auf eine komplette Wahlwiederholung zuzusteuern?

Die damaligen Fehleinschätzungen scheinen einige durchaus noch im Hinterkopf zu haben.

Auch damals galt das als ausgeschlossen. Nochmal in einigen Wahllokalen die Stimme abgegeben, ja, vielleicht – aber auf keinen Fall landesweit. Im Brustton der Überzeugung hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) versichert, sie gehe nicht von einer Neuwahl aus.

Und der Präsident des Abgeordnetenhauses, ihr Parteifreund Dennis Buchner, ließ sich noch wenige Tage vor der denkwürdigen Hörsaal-Verhandlung so zitieren: Die Anzahl der fehlerhaft abgegebenen und daher als ungültig gewerteten Stimmen sei zu gering, „um hier wirklich eine Relevanz zu haben für die Frage der Zusammensetzung des Parlaments.“

Die damaligen Fehleinschätzungen scheinen einige durchaus noch im Hinterkopf zu haben. Als in dieser Woche die Industrie- und Handelskammer ihre Erwartungen an einen künftigen Senat vorstellte, tauchten dabei äußerst vorsichtige Formulierungen auf wie „nach der voraussichtlichen Wiederholungswahl“. Und dass die „zumindest nach aktuellem Stand noch“ am 12. Februar stattfinde.

Diese Wortwahl ist kein übetriebener Pessimismus, sondern nach den Erfahrungen aus dem Herbst durchaus angemessen. Bis das Bundesverfassungsgericht vielleicht schon in der kommenden Woche über die Wahlwiederholung entscheidet, gleicht Berlins Situation der Geschichte um Damokles aus der griechischen Sagenwelt. Darin hängt über der königlichen Tafel ein Schwert von der Decke, das nur mit einem Rosshaar gesichert ist – es kann halten, aber auch jederzeit runterfallen.

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