Wahlergebnisse in Schweden: Rechtsruck bestätigt
Die Niederlage der Sozialdemokraten ist nun offiziell. Die Regierungsbildung des konservativ-rechten Lagers dürfte sich dennoch kompliziert gestalten.
Die bisherige Mitte-links Regierungskonstellation aus Sozialdemokraten, Grünen, Zentrumsliberalen und Linken kommt auf 173 Mandate, die Parteien des bürgerlichen Spektrums – Konservative, Christdemokraten und Rechtsliberale – kommen zusammen mit den rechtsextremen Schwedendemokraten auf 176 Mandate.
Ministerpräsidentin Magdalena Andersson gestand kurz vor Abschluss der Auszählung ihre Niederlage ein. Sie äußerte ihre Sorge über den Einfluss der Schwedendemokraten auf die künftige Regierungspolitik und appellierte an den mutmaßlichen künftigen Regierungschef Ulf Kristersson, sich seiner deshalb großen Verantwortung bewusst zu sein.
Kristersson seinerseits – eigentlich doppelter Wahlverlierer, weil er nicht nur den konservativen Moderaten in zwei Wahlen zwei Niederlagen bescherte, sondern die Partei unter seiner Führung erstmals seit 40 Jahren auf den dritten Platz unter den acht Reichstagsparteien abrutschte – kündigte seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten an. Voraussetzung dafür, dass Parlamentspräsident Andreas Norlén ihn für eine solche Abstimmung nominiert, wäre aber, dass er eine ausreichende Mehrheit im Reichstag präsentieren kann.
Minderheitsregierungen gab es bereits in der Vergangenheit
Erste Gespräche darüber, wie genau eine solche Regierung Kristersson aussehen könnte, laufen seit Montag zwischen den beteiligten Parteien. Eine regelrechte Koalition müsste es nicht sein. Minderheitsregierungen, die sich in Form von konkreten Übereinkommen mit anderen Parteien deren parlamentarische Unterstützung sichern, sind in Schweden üblich. In den vergangenen beiden Legislaturperioden gab es solche sozialdemokratisch geführten Minderheitsregierungen. Grundlage war jeweils, dass diese Regierungen sich mit den außerhalb der Regierung verbleibenden Zusammenarbeitsparteien über die Kriterien für eine gemeinsame Politik einig wurden.
Die Wunschregierung Kristerssons scheint eine Koalition aus Konservativen, Christdemokraten und Rechtsliberalen zu sein, die sich auf die Stimmen der Schwedendemokraten stützen kann, ohne dass diese Teil der Koalition werden. Diese Partei wäre einerseits mit ihren 73 Mandanten – 5 mehr als die Konservativen – das größte politische Gewicht in der Waagschale einer solchen Konstellation, die Kristersson bislang etwas schwammig als „meine Seite in der Politik“ bezeichnet. Andererseits gibt es aber bei aller demonstrativen Einigkeit Differenzen in vielen politischen Fragen zwischen den vier Parteien. Eine Einigung dürfte also gar nicht so einfach werden – es sei denn, man klammert erstmal so viele Streitfragen wie möglich aus.
Die politische Lage mit hoher Inflation und drohender wirtschaftlicher Rezession, einem „Energiekrieg“, dem immer noch unsicherem NATO-Beitritt und nicht zuletzt der Aussicht, dass Schweden ab 1. Januar den EU-Vorsitz übernehmen wird, passt mit einer schwachen Regierung, die bei jeder wichtigen Entscheidung erst langwierig verhandeln muss, nicht zusammen.
Hinzu kommt, dass schon der Fraktionsaustritt oder Seitenwechsel von ein oder zwei Abgeordneten die Mehrheitsverhältnisse verkomplizieren oder gar wenden könnte. Im Schnitt der letzten Legislaturperioden gab es jeweils drei solcher Parteiaustritte oder -wechsel. Magdalena Andersson war in der Schlussphase ihrer Regierung beispielsweise gezwungen, gesonderte Übereinkommen mit Amineh Kakabaveh, einer nach dem Austritt aus der Fraktion der Linkspartei parteilosen Abgeordneten, zu treffen.
Daran, dass eine Regierung Kristersson mit der derzeit anvisierten parlamentarischen Grundlage wirklich eine Legislaturperiode durchhalten könnte, scheinen sogar die Beteiligten selbst zu zweifeln. So beendete Johan Pehrson, Parteivorsitzender der Rechtsliberalen, in der Wahlnacht eine Rede auf der Wahlparty seiner Partei mit dem Satz: „2026 ist dann ja wieder Wahl. Spätestens.“
Weshalb die Auszählung so lange gedauert hat
Und warum hat sich eigentlich die Stimmenauszählung so lange hingezogen? Zwar spielten diesmal auch besondere Umstände eine Rolle, wie die, dass viele Wahllokale wegen der langen Schlangen wartender WählerInnen erst Stunden nach dem formalen Wahlende um 20 Uhr schließen konnten.
Aber auch unabhängig davon dauert es aufgrund der Besonderheiten des Wahlsystems in Schweden immer mehrere Tage bis zum definitiven Resultat.
Schweden kennt im Inland keine Briefwahl. Möglich ist aber eine „Vorwahl“ in den zweieinhalb Wochen vor dem Wahltag. Man kann dann überall im Lande in den bereits geöffneten Wahllokalen wählen. Die Wahlzettel werden zur Auszählung dann aber an die jeweils zuständigen Wahllokale am Wohnsitz der WählerInnen geschickt. Wahlzettel, die erst am Freitag und Samstag vor der Wahl anfallen, kommen für die reguläre Auszählung am Wahlabend nicht rechtzeitig an. Im Rahmen der „Mittwochsauszählung“ werden diese verspäteten Stimmen zusammen mit den letzten Briefwahlstimmen aus dem Ausland jeweils am Mittwoch nach der Wahl gezählt.
Eine weitere Besonderheit sind die schwedischen Wahlzettel. Es gibt keine Stimmzettel, auf denen alle Parteien aufgeführt werden, wie beispielsweise in Deutschland. Stattdessen gibt es für jede Partei und jeden Wahlkreis gesonderte Stimmzettel im DIN-Format A 6, mit den jeweiligen örtlichen KandidatInnen. Die meisten Parteien schicken ihre Wahlzettel auch zusammen mit Wahlreklame vorab an alle Haushalte. Man kann sie dann beim Besuch des Wahllokals gleich mitbringen und braucht nicht die dortigen Wahlzettel benutzen.
Bei drei gleichzeitig stattfindenden Wahlen – wie am vergangenen Sonntag –, gibt es gelbe Wahlzettel für den Reichstag, weiße für die kommunalen und blaue für die regionalen Parlamente. Damit diese überall in ausreichender Anzahl vorhanden sind, wurden in diesem Jahr angesichts von in manchen Kommunen bis zu 20 unterschiedlichen Parteien für rund 7 Millionen Wahlberechtigte rund 700 Millionen Wahlzettel gedruckt. Kostenpunkt: Umgerechnet rund 3 Millionen Euro. Es ist ein umstrittenes Verfahren, auch wegen der damit verbundenen Papierverschwendung. Eine Änderung ist aber nicht in Sicht.
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