Wahl in Großbritannien: Gigantischer Triumph für Labour
Die oppositionelle Labour-Party holt 412 der 650 Sitze im künftigen Parlament. Damit wird Keir Starmer am Freitag neuer Premierminister.
Die bisher regierenden Konservativen rutschen demnach auf 121 Sitze ab, nur gut ein Drittel ihres Ergebnisses 2019. Nach ersten Prognosen haben zahlreiche Kabinettsminister ihre Direktmandate verloren, Premierminister Rishi Sunak aber behält voraussichtlich sein Parlamentsmandat.
Zweiter großer Verlierer ist die bisher in Schottland dominante Schottische Nationalpartei (SNP), die nur noch 10 der 56 schottischen Direktmandate hält. Damit sind ihre Ansprüche, auf der Grundlage eines guten Ergebnisses bei diesen Wahlen ein neues Unabhängigkeitsreferendum zu verlangen, voraussichtlich tot.
Die rechtspopulistische Partei „Reform UK“ von Nigel Farage erringt einen Achtungserfolg mit vier Sitzen, mehr als weithin erwartet. Große Zugewinne werden auch den Liberaldemokraten zugeschrieben, die mit 71 Sitzen ihr bestes Ergebnisses seit 100 Jahren einfahren.
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Schlechtestes Ergebnis seit 200 Jahren
Für die Konservativen wiederum ist es voraussichtlich das schlechteste Ergebnis seit fast 200 Jahren. Die siegreiche Labour-Partei bleibt knapp unter dem Rekordergebnis von Tony Blair beim Machtwechsel 1997, als Labour mit 418 Sitzen die Konservativen abgelöst hatte. Ersten Prognosen der Stimmanteile zufolge bleibt die Partei auch hinter den meisten Meinungsumfragen der vergangenen Wochen zurück und landet bei deutlich unter den vorhergesagten 40 Prozent.
Dennoch ist diese Wahl ein gigantischer Triumph für Labour und mehr noch eine verheerende Niederlage für die Konservative nach 14 Jahren an der Macht.
Eine ganze Reihe von Krisen und Skandalen hatte der seit 2010 regierenden Partei zugesetzt. Ende Mai hatte Sunak – angespornt durch gute Inflationszahlen – die Wahl für den 4. Juli anberaumt. So konnten die Briten am Donnerstag bis 23 Uhr ihre Stimme abgeben.
Die Wahl hätte spätestens bis Januar 2025 stattfinden müssen. Der frühere Wahltermin änderte aber nichts daran, dass Labour weiter die Umfragen dominierte, auch wenn Parteichef Starmer nicht als großer Charismatiker gilt.
Auszählung bestätigt Labours Wahlsieg
Alle 650 Sitze im Unterhaus werden per Direktmandat vergeben. Die absolute Mehrheit im Unterhaus (House of Commons) beträgt 326 Sitze. Diese Marke wurde erreicht, als Labour es um 5 Uhr (Ortszeit) auf 326 Sitze brachte, während die Stimmauszählung in vielen Wahlkreisen noch andauerte. Damit steht fest, dass Labour-Chef Keir Starmer der nächste britische Premierminister wird.Bei der bisher letzten Wahl 2019 hatten die Tories 365 Sitze gewonnen, Labour hatte 202 Mandate.
Amtsinhaber Rishi Sunak gestand die Niederlage seiner Konservativen Partei ein. Das britische Volk habe ein „ernüchterndes Urteil“ gefällt, Labour habe gewonnen. Der Premier konnte zwar seinen Parlamentssitz in North Yorkshire verteidigen, sagte aber, er übernehme die Verantwortung für die Niederlage seiner Partei. Er habe Labour-Chef Keir Starmer angerufen und ihm dazu gratuliert, dass er der nächste Premier des Landes werde.
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In den kommenden Stunden werde er sich nach London begeben, erklärte er und versprach einen geordneten Machtübergang. Es wurde erwartet, dass Sunak am (heutigen) Freitag König Charles III. im Buckingham-Palast trifft, um offiziell sein Amt niederzulegen. Anschließend dürfte sich Starmer dorthin begeben, um vom König einen Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten.
Corbyn drin, Truss draußen
Der ehemalige Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ist bei der Parlamentswahl als unabhängiger Kandidat ins Unterhaus gewählt worden. Der 75-Jährige gewann den Sitz in seinem Wahlkreis Islington North, den er seit mehr als 40 Jahren vertritt, mit komfortablem Vorsprung. Sein Wiederwahl sei eine „widerhallende Botschaft“, dass seine Wähler „etwas anderes wollen“, erklärte er.
Corbyn führte Labour in die letzte Parlamentswahl im Jahr 2019, bei der die Partei das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten erzielte. Daraufhin trat er als Parteichef zurück. 2020 schloss Labour Corbyn aus, weil er sich weigerte, die Erkenntnisse eines Untersuchungsausschusses zu akzeptieren, wonach Antisemitismus in den Reihen der Labour-Partei unter seiner Führung überhand genommen hatte.
Eine Reihe von prominenten Politikern in ihren Wahlkreisen wurde hingegen abgewählt. So verlor Liz Truss, Vorgängerin von Sunak als Regierungschefin, ihren Sitz im Parlament. Sie war die mit 44 Tagen am kürzesten amtierende Premierministerin Großbritanniens aller Zeiten, nachdem sie mit bestimmten Äußerungen Turbulenzen am Anleihemarkt und einen Absturz des Pfund Sterling ausgelöst hatte.
Auch zehn Kabinettsmitglieder verloren ihren Sitz im Parlament, darunter Verteidigungsminister Grant Shapps und die Vorsitzende des Unterhauses, Penny Mordaunt. Es kommt relativ selten vor, dass britische Regierungsmitglieder in ihrem Wahlkreis unterliegen. Bisher hatten bei den vergangenen sechs Wahlen in 27 Jahren nur vier Kabinettsminister ihren Sitz verloren.
Anm. der Redaktion: Dieser Text wurde nach Schließung der Wahllokale mehrfach aktualisiert.
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