Wagenplatz in Berlin: Erst räumen, dann verkaufen

Vom ehemaligen Köpi-Wagenplatz ist nur noch wenig zu sehen. Das Vorgehen um den umstrittenen Platz wirkt wie ein Lehrstück für Spekulanten.

Polizeibusse sperren die Köpenicker Straße

Konfliktträchtig: Polizei vor dem früheren „Köpi“-Wagenplatz in Berlin Foto: picture alliance/dpa/Paul Zinken

BERLIN taz | Es brauchte 2.000 Po­li­zis­t:in­nen, mit Lanzen und Räumpanzern ausgestattet, um am 15. Oktober vergangenen Jahres den Wagenplatz der linksautonomen Köpi in Berlin zu räumen. 1990 wurde das direkt an der Mauer gelegene Gebäude besetzt, das bis heute als Kulturzentrum genutzt wird. Im Hof werden Filme gezeigt, es gibt Konzerte und Bar-Abende für lau. Geräumt wurden die etwa 50 Bewohnenden der zur Köpi zugehörigen Wagenburg, die sich dort ein alternatives Leben aufgebaut hatten. Die Be­woh­ne­r:in­nen des Hauses selbst besitzen noch für einige Zeit gültige Mietverträge.

Es ist nicht bekannt, wie viel es gekostet hat, die Interessen des Immobilienspekulanten Siegfried Nehls, dem die Köpi seit 2007 – vermittelt über ein Firmengeflecht – gehört, durchzusetzen. Bekannt ist aber, dass seitdem sehr wenig geschah. Nur eine Baugrube, die wohl auch noch ohne gültige Baugenehmigung gegraben wurde, ist noch übrig vom Wagenplatz und von den Ankündigungen des Eigentümers, auf dem Gelände Wohnungen errichten zu wollen. Denn nur ein Jahr nach der Räumung auf Steuerzahlerkosten soll das Köpi-Areal offenbar wieder verkauft werden.

Vielleicht war es ein Versehen, dass dies ein Mitarbeiter von Nehls gegenüber der taz ausposaunte – obwohl der Reporter nach etwas ganz anderem gefragt hatte. In jedem Fall würde ein Verkauf die schon während des Räumungsprozesses von den Köpi-Bewohner:innen kommunizierte Befürchtung bestätigen, dass auf die Baupläne von Nehls wenig zu geben ist. Und es ist ja auch kein Geheimnis: Im­mo­bi­li­en­spe­ku­lan­t:in­nen geht es nicht um langfristige Investments wie Bauprojekte. Billig und risikoreich einkaufen, teuer verkaufen – so geht das Spiel.

Es war deshalb schon während des Räumungsprozesses absehbar, dass Nehls nie vorhatte, auf dem Gelände irgendetwas zu bauen. Der Grundstückspreis in dem Gebiet hat sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Die bereits zum Zeitpunkt des Prozesses drei Mal verlängerte Baugenehmigung lief nur sechs Wochen nach der Räumung aus. Fast bis zuletzt hielt sich Nehls sogar die Option offen, das Areal an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. Erst kurz vor dem Tag X ließ er alle Gespräche platzen.

Sollte der Verkauf des Köpi-Areals tatsächlich gelingen, macht sich das rot-grün-rot regierte Berlin zur Lachnummer

Trotzdem spielte der Staat den Erfüllungsgehilfen einer Heuschreckenmentalität, die außer kurzfristigen Gewinnen keine Werte kennt. Um einige nervige Linke loszuwerden, machte er sogar für jemanden wie Nehls die Drecksarbeit: Nehls, der wegen Urkundenfälschung vor Gericht stand. Nehls, gegen den ermittelt wurde, weil seine Generalunternehmer in sechs Berliner Bauvorhaben ihre Hand­wer­ke­r:in­nen nicht bezahlten, weil sie vorher pleite gingen. Nehls, dessen Firmen mehrere Millionen Euro Gewerbesteuern nicht gezahlt haben sollen.

Sollte der Verkauf des Köpi-Areals tatsächlich gelingen, macht sich das rot-grün-rot regierte Berlin zur Lachnummer. Und man muss sagen: Schon wieder. Wie viele ehemalige linke Freiräume stehen leer, seit der Staat sie leerprügelte? Ein Ende dieser Misere gibt es wohl erst dann, wenn der Staat das Recht auf Eigentum nicht länger höher hängt als das Recht von Menschen, ein Zuhause zu haben und in diesem auch bleiben zu können.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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