Verdrängung in Berlin: Dem Ausverkauf entgegenstellen

Autobahnen, Hochäuser, Bürokomplexe – wo In­ves­to­r*in­nen Verwertungsmöglichkeiten sehen, muss Alternativkultur weichen. Doch es gibt Widerstand.

Polizist:innen stehen vor dem Köpi Wagenplatz

Po­li­zis­t:in­nen bei der Räumung des kurzzeitig wiederbesetzten Köpi-Wagenplatzes Foto: dpa

Wer durch die Straßen Berlins läuft, wird an vielen Ecken Zeu­g*in von Verdrängung. Seit Beginn der Pandemie wurden in der einstigen Hochburg für Haus­be­set­ze­r*in­nen so viele linke Strukturen zerstört wie lange nicht. Unter ihnen auch der Köpi-Wagenplatz, der vor einem halben Jahr von einem Großaufgebot der Polizei geräumt wurde. Mehr als 20 Jahre lang lebten dort Menschen aus allen Teilen der Welt auf einem 2.600 Quadratmeter großen Grundstück ihre selbstverwaltete Utopie. Für sie war der Wagenplatz nicht nur ein kleines Dorf mit vielen verschiedenen Kulturen und Sprachen, in dem sich alle gegenseitig helfen und voneinander lernen, sondern auch ein Freiraum für Künst­le­r*in­nen und Freaks, die sich der kapitalistischen Normalität widersetzen.

Rund 30 Menschen verloren bei der Räumung im Oktober vergangenen Jahres ihr Zuhause – und Berlin war um einen weiteren autonomen kulturellen Ort ärmer. Seitdem steht das Gelände leer, bewacht von einem Sicherheitsmitarbeiter. Der konnte am vergangenen Freitagabend jedoch wenig gegen die Ak­ti­vis­t*in­nen ausrichten, die den ehemaligen Köpi-Wagenplatz für einige Stunden besetzten, bevor sie von der Polizei geräumt wurden. Mittlerweile ist der Platz wieder eine der vielen ungenutzten Brachen in Berlin, die aus Spekulationsgründen leer stehen – und das in einer Stadt, in der linke Freiräume zunehmend Mangelware werden.

Anderen Orten in Berlin droht ein ähnliches Schicksal wie dem Köpi-Wagenplatz. So ist etwa die Gegend rund um das Ostkreuz und die Rummelsburger Bucht massiv von Aufwertung bedroht und viele linke Locations wie der Club „://about blank“ drohen verloren zu gehen oder wurden, wie das Kulturzentrum „Zukunft am Ostkreuz“, bereits gekündigt. Statt lebendiger Kultur sollen dort in Zukunft triste Bürokomplexe und eine Autobahn entstehen, die kei­ne*r braucht und die klimapolitischer Wahnsinn ist.

Um über die Situation vor Ort zu informieren und Widerstand zu organisieren, finden am Donnerstag am Markgrafendamm verschiedene Aktionen gegen die geplante Verdrängung statt. Mit Küfa, Aktionsworkshops, Gesprächen mit Betroffenen und Mucke bis in den frühen Morgen soll Kiezkultur gefeiert und ihre Zerstörung verhindert werden. Der genaue Ort ist noch geheim, Interessierte können sich an hallo@kommakollektiv.berlin wenden, um zu erfahren, wo sich die „kleine Oase“ befindet, an der das Ganze stattfinden soll (Donnerstag 21. April, 19.30 Uhr Markgrafendamm).

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Berlin war jedoch nicht immer in Abwehrkämpfen um linke Strukturen gefangen, in den 1980er und 90er Jahren gehörten Hausbesetzungen vielmehr zum Alltag der Hauptstadt. Auch wenn heute in den meisten Gegenden nicht mehr viel davon übrig ist, ist die Geschichte vielerorts noch präsent. So war Schöneberg in den 80ern eines der Zentren der Besetzer*innenbewegung.

Wer mehr darüber erfahren und sich von der Geschichte inspirieren lassen will, den lädt die linke Hochschulgruppe Risse im Asphalt (RIA) am Samstag dazu ein, durch Schöneberg zu spazieren und die historischen Orte zu erkunden. Den genauen Treffpunkt gibt es nach einer Anmeldung unter ria@mail36.net (Samstag 23. April, 15 Uhr, Schöneberg).

Der Blick in die Vergangenheit von Berlins vielfältigen und vehementen Kämpfen um Freiräume ist jedoch nur der erste Schritt. Wer sich in der Gegenwart für konkrete Veränderungen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn einsetzen will, kann am Montag bei einer Podiumsdiskussion mit Ver­tre­te­r*in­nen aus dem Berliner Mie­te­r*in­nen­kampf über nachhaltige Strategien für eine Stadt für alle diskutieren. Denn wenn Berlin eine lebendige Stadt mit vielfältigen Kultur- und Wohnprojekten bleiben soll, in der auch Menschen mit wenig Geld oder mit alternativen Lebenskonzepten gut leben können, müssen sich ihre Be­woh­ne­r*in­nen dem Ausverkauf der Stadt entgegenstellen (Montag 25. April, 18.30 Uhr in der Zwille in der Fasanenstr. 1).

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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