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Vorwürfe gegen US-Tageszeitung„New York Times“ streitet um Kurs

Eine Meinungsredakteurin beklagt ein „illiberales“ Klima bei der „New York Times“ – und kündigt. Zwischen Jungen und Alten herrsche ein „Bürgerkrieg“.

Exemplare der internationalen Ausgabe Foto: Kin Cheung/ap

In einem 1.500 Wörter langen Brief verkündete die Meinungsredakteurin Bari Weiss am Dienstag ihr Ausscheiden bei der New York Times. Adressiert an den Herausgeber A. G. Sulzberger kritisierte sie im offenen Brief eine „illiberale Umgebung“ in der Redaktion und dass sie als konservative Redakteurin keinen Rückhalt erfahren habe, nachdem sie bei Twitter gemobbt wurde.

Die NYT bestätigt die Kündigung von Weiss und reagierte am Mittwoch mit einem Bericht, in dem auch auf Angestellte verwiesen wurde, die die Sichtweise von Weiss nicht teilten.

Weiss war in den vergangenen Jahren für ihre Tweets und Texte stark kritisiert worden. In ihren Meinungsstücken warnte die 36-jährige Konservative beispielsweise vor einer ausufernden #MeToo-Bewegung, kritisierte Intersektionalität als „Kastensystem“ oder feierte kulturelle Aneignung.

Bürgerkrieg oder redaktionelle Unterhaltung?

Seit 2017 arbeitete Weiss unter James Bennett in der Meinungsredaktion der NYT. Bennett selbst trat kürzlich von seinem Chefposten zurück. Grund dafür war die Veröffentlichung eines Textes vom Senators Tom Cotton. Dieser warb darin für den Einsatz des Militärs gegen die Black-Lives-Matter-Proteste. Die Redaktion entschuldigte sich später für den Text und schrieb, dass er nicht den Standards der Zeitung entspräche und nicht hätte veröffentlicht werden dürfen.

Bari Weiss war seit 2017 Redakteurin im Meinungsressort Foto: Brian Cahn/Zuma/imago images

Die Kontroverse, die nach der Veröffentlichung des Textes in der Redaktion entstand, bezeichnete Weiss als „Bürgerkrieg“ zwischen jungen „Social Justice Warriors“ und älteren (über 40 Jahre alten) „Free Speech Advocates“. Dafür wurde sie intern – auch von älteren Kolleg:innen – kritisiert. Ihr Kollege Max Strass schrieb bei Twitter: „Es ist kein Bürgerkrieg, es ist eine redaktio­nelle Unterhaltung und diese verläuft nicht entlang von Generationslinien.“

Vergangene Woche hatte Weiss gemeinsam mit rund 150 Unterzeichnern einen offenen Brief gegen „Cancel Culture“ im Harper’s Magazine veröffentlicht. Ebenso wie Weiss hatte auch Andrew Sullivan den Brief unterzeichnet. Wenige Stunden nach ihrer Kündigung schrieb er bei Twitter, dass auch er Ende der Woche seine Arbeit als Kolumnist beim New York Magazine niederlegen werde und solidarisierte sich mit Weiss. Zuletzt hatte er ebenfalls immer wieder kritisiert, dass das aktuelle politische und kulturelle Klima keine offene Debatte zulasse.

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9 Kommentare

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  • Nein, ein „Bürgerkrieg“ scheint mir das wirklich nicht zu sein. Ein Bürgerkrieg ist schließlich ein bewaffneter Konflikt, bei dem wenigstens eine Partei mindestens eine regionale Autonomie, gern auch die Herrschaft über den ganzen Staat anstrebt, evtl. zum Zwecke des Anschlusses an einen anderen. In der (nach außen jederzeit offenen) New York Times scheint lediglich ein stinknormaler interner Machtkampf um die politische Ausrichtung stattzufinden, wie er systemtypischer kaum sein könnte. Die Verlierer gehen freiwillig, wenn auch unter Schaffung von „Verbrannter Erde“. Waffen im engeren Sinne spielen dabei offenbar (noch) keine Rolle.

    Was auffällt ist allerdings, dass es tatsächlich ein Missverständnis zwischen den Generationen zu geben scheint. Die U-40er gehen offenbar mehrheitlich davon aus, dass autoritäres Verhalten nicht grundsätzlich problematisch ist, sondern nur in den Fällen, in denen nicht sie selbst es praktizieren. Frei nach dem Motto: „Ich bin kein alter weißer Mann. Ich kann also nicht scheiße sein. Schon gar nicht, wenn ich das beste will.“ Identitätspolitik vom Feinsten.

    Aus einer konstruierten Identität leiten diese Leute das Recht ab, Regeln zu brechen, deren Einhaltung sie von anderen strikt einfordern. Zuwiderhandlungen bestrafen sie mit Liebes- bzw. Solidaritätsentzug. Ich nenne sowas Machtmissbrauch. Das Alter schützt vor den Verführungen der Macht offenbar nicht. Vor allem dann nicht, wenn für selbstkritisches Reflektieren im alltäglichen Konkurrenzgerangel keine Zeit bleibt.

    Wobei. Wenn ich so drüber nachdenke, erkenne ich dann doch keinen Generationenkonflikt mehr. Auch den gibt’s nur in einer ideologisch verzerrten Wahrnehmung. Der Ödipus-Komplex ist schon in der Antike thematisiert worden. Die Jungen konnten es noch nie abwarten, ihre (reichen) Väter zu beerben. Und wenn sie dann den H of erst einmal übernommen hatten, waren sie genau so konservativ wie ihre einst so verachteten Alten. Gelernt ist halt gelernt.

  • Liebe Leser der taz, erkennen sie das nicht teilweise auch in Deutschland. Ich als Konservativer lese taz online. Lesen sie auch die Welt oder die FAZ?

    • @Christoph Greis:

      Ich lese eine ganze Reihe von Medien von links bis rechts. Dabei gibt es ein paar Publikationen die doch immer wieder überraschen können. Die taz gehört meines Erachtens dazu.

      Weitgehend vollständig verzichte ich aufs Fernsehen. Das ist langweilig und komplett vorhersehbar. Die Gebühr dafür erfüllt ihren Zweck nicht.

    • @Christoph Greis:

      Oh ja.



      Und am interessantesten ist, was überhaupt berichtenswert erscheint - die Schnittmenge ist recht klein.



      Noch kleiner ist allerdings die Schnittmenge zwischen den LeserInnen beider Zeitungen, da gebe ich Ihnen recht.

    • @Christoph Greis:

      Warum ich sollte ich als taz-Leser nicht auch Artikel in der FAZ ,den Spiegel oder andere Medien lesen? Aber die Welt vom Axel Springer Verlag lese ich ganz gewiss nicht.



      Was soll man erkennen? Ihre Vorurteile gegenüber taz-Lesern?

  • Jacob Heilbrunn (Chefredakteur des Debattenmagazins „The National Interest“) im Gespräch mit Malte Lehming, Tagesspiegel

    „Es hat gefährliche Züge, wenn nur einige wenige entscheiden, was 'wahr' ist“



    "Aufstand bei der 'New York Times', Trump gegen Twitter, Rebellion bei Facebook: Ist in den USA die Meinungsfreiheit bedroht?"



    www.tagesspiegel.d...-ist/25897470.html

  • Glanz und Elend der NYT

    Kern des Konflikts bei der NYT ist die Frage, ob die Zeitung in der Ära Trump mit einer moralischen Mission auftreten oder eher Chronist sein solle. Chefredakteur Baquet scheint zu Letzterem zu neigen, in den Augen der anderen Fraktion angesichts von Trumps Regierungsstil sei dies unmöglich. Das berührt die Frage nach der Rolle der 4. Gewalt in der Demokratie und stellt sich in den USA nicht erst „in der Ära Trump“, sondern prinzipiell, unabhängig davon, welche der jeweiligen Machtgruppierungen nun gerade die temporäre Regierungsgewalt ausübt. Daran gemessen gab es in der NYT-Geschichte sowohl Glanzstücke wie die „Pentagon-Papers“ als auch miserable journalistische Katzbuckeleien wie die Nummer mit Husseins MDW als verlogene Kriegsbegründung gegen den Irak, um nur diese zu nennen. Im übrigen die Kritik der Trump-Administration auf eine Stilfrage zu reduzieren wäre eine Euphemisierung der US-Politik seit der Monroe-Doktrin, deren gesamte Infrastruktur Hannah Arendt zufolge auf einem „Flugsand unwahrer Behauptungen aller Art, von Täuschungen und Selbsttäuschungen“ beruhe.


  • Rechte Meinungen sind ja bei den (amerikanischen) Medien auch total unterrepräsentiert...



    Vielleicht lässt sich ja bei Vox noch ein lukratives Plätzchen finden, da ist dann sicher auch das gesuchte offen liberale Klima...



    Dass sich ausgerechnet Autoritärreaktionäre über Illiberaliät beklagen, ist schon zum bezeichnend für deren schräges Weltbild.

    • @guzman:

      Aha, Bari Weiss ist also eine Autoritärreaktionäre? Gut dass hier im Forum jemand mal schön die Welt anhand von Linien (oder waren es Grenzen?) einzuteilen weiß.

      en.wikipedia.org/w...ss#Political_views