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Vorwürfe gegen UNRWASchlechte Helfer

Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks stehen unter Verdacht, Verbindungen zur Hamas zu haben. Das ist untragbar, gerade für die Hilfsbedürftigen.

UNRWA-Mitarbeiter in der Westbank-Außenstelle in Ost-Jerusalem Foto: Ammar Awad/reuters

W er angesichts der jüngsten Enthüllungen rund um das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA überrascht oder erschrocken ist, hat die vergangenen Jahre in einem stark komatösen Schlaf verbracht – oder bewusst weggeschaut.

Mitarbeiter des Netzwerks, das eine klare Aufgabe hat, nämlich unter anderem die Bewohner im Gazastreifen mit Hilfslieferungen zu versorgen, die Kinder zu unterrichten, medizinische Versorgung zu leisten, stehen nun unter Verdacht, Verbindungen zur palästinensischen Terrororganisation Hamas zu haben.

Die Vorwürfe, über die die New York Times sowie das Wall Street Journal unter Berufung auf ein entsprechendes israelisches Geheimdienstdossier berichtet hatten, sind so massiv, dass man sie gar nicht oft genug wiederholen kann:

Ein UNRWA-Arabischlehrer soll als Hamas-Befehlshaber an dem Massaker an 97 Be­woh­ne­r:in­nen des Kibbuz Be’eri beteiligt gewesen sein, aus dem außerdem 26 Menschen nach Gaza verschleppt worden sind.

Munitionslieferungen organisiert

Ein anderer soll daran beteiligt gewesen sein, die Leiche eines israelischen Soldaten nach Gaza zu bringen. Für die Hamas soll er Lastwagen und Munitionslieferungen organisiert haben.

Unzählige weitere Mitarbeiter feierten und unterstützen zudem öffentlich sowie in einer Telegram-Chatgruppe die Taten vom 7. Oktober. Letzteres dokumentiert der jüngste Bericht der NGO UN Watch. Zum Mitschreiben: Diese Mitarbeiter einer UN-Organisation drückten Freude darüber aus, dass israelische Babys geköpft und in Öfen gesteckt, israelische Frauen vergewaltigt und teils bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und gefoltert, Eltern vor ihren Kindern exekutiert, ganze Kibbuzim verbrannt und zerschossen worden sind.

Der 7. Oktober sei ein „gesegneter Tag“, schrieb ein Mitarbeiter. Ein anderer: „Israels Zeit ist abgelaufen.“ Und eine weitere unterstützte die Aufforderung, sich als menschliche Schutzschilde für die Hamas zur Verfügung zu stellen, und schrieb dazu: „Bei Allah, nein, wir leben hier, und wir werden hier sterben oder in unser Land zurückkehren.“

Im Status ewiger Flüchtlinge zu verharren

Seit langer Zeit weisen Kritiker auf die Probleme des UNRWA hin. Ausgeblendet wurde, dass es unabhängiges Arbeiten an einem Ort wie dem Gazastreifen, der seit 2007 von den Terroristen der Hamas kontrolliert wurde, nicht geben kann. In jedem Lebensbereich war diese Terrororganisation irgendwie präsent. Eine Organisation wie das UNRWA konnte dort schlicht nicht arbeiten, ohne mit den lokalen Behörden, also der Hamas, zu arbeiten. In jedem anderen autoritären Regime wäre das genauso. Doch wer dies noch weit vor den aktuellen Enthüllungen vorbrachte, wurde bezichtigt, rassistisch zu sein.

Während Kinder in Gaza in UNRWA-Schulen zum Hass auf Juden erzogen wurden, weil der in Schulbüchern gepredigt wurde, erzählte sich die Weltgemeinschaft lieber die alte Mär von den armen palästinensischen Opfern; ­Opfern, die angeblich niemals Täter sein konnten, weil sie schließlich Flüchtlinge waren; Opfern, da dieser Status unter Palästinensern über Generationen weitergegeben werde.

So hat das UNRWA mit dazu beigetragen, unzählige Palästinenser im Status ewiger Flüchtlinge verharren zu lassen. Ein desolater, deprimierender Zustand, den auch radikale Gruppen wie die Hamas für sich auszunutzen wussten, die das „Recht auf Rückkehr“ propagierten und somit die Vernichtung Israels und seiner Bevölkerung. Ein Vorhaben, das die Hamas mit dem Angriff am 7. Oktober versucht hatte, in die Tat umzusetzen.

Die Bewohner des Gazastreifens haben ein Recht auf eine Hilfsorganisation, die sich ihrer Bedürftigkeit annimmt. Besonders in diesen Zeiten. Eine Organisation, die ihren Auftrag ernst nimmt. Ohne Terrorverherrlichung, ohne Judenhass.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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6 Kommentare

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  • Neulich habe ich ein Interview gesehen mit einem UNRWA-Mitarbeiter. Logisch ist doch, dass die UNRWA Kontakte zur Hamas haben musste, denn die Hamas stellte dort die Verwaltung. Ohne diese Kontakte lief nichts. Das heißt, Gespräche sind noch lange keine Unterstützung. Mit Unterstützung hört der Spaß natürlich auf. Aber wie viele haben konkret und nachweislich unterstützt? Die UNRWA hat dort Tausende von Mitarbeitern. Auch viele die durch die Bombardierungen ihr Leben verloren.

  • "Eine Organisation wie das UNRWA konnte dort schlicht nicht arbeiten, ohne mit den lokalen Behörden, also der Hamas, zu arbeiten. In jedem anderen autoritären Regime wäre das genauso"

    "Die Bewohner des Gazastreifens haben ein Recht auf eine Hilfsorganisation, die sich ihrer Bedürftigkeit annimmt. Besonders in diesen Zeiten. Eine Organisation, die ihren Auftrag ernst nimmt. Ohne Terrorverherrlichung, ohne Judenhass."

    Nicht möglich solange sie mit einer antisemitischen Terrororganisation zusammenarbeiten müssen. Wobei sich an Attacken zu beteiligen natürlich sehr extrem ist. Menschlicher Schutzschild zu sein müsste beim Gaza-Aufenthalt wohl so oder so eingeplant sein, selbst wenn man nicht weiß in welchem zivilen Gebäude die Kämpfer sitzen

  • Die Hamas ist ein Albtraum und die UNRWA völlig infiltriert. In UNRWA-Institutionen werden seit vielen Jahren immer wieder Waffen entdeckt, und die Kinder werden aufgehetzt. Weg damit! Macht nur das Hamas-Politbüro-Trio, ein Milliardärsclub in Katar, noch reicher.

    Doch was will man machen, die UNRWA ist UN, von UN-Watch zu Recht als institutionaliserter Antisemitismus bezeichnet.

    Der Opferstatus der Palästinenser wird immer weiter vererbt, sogar Adoptionen sind möglich. Aus den 1,2 Millionen Palästinensern in 1948 wurden mittlerweile fast sechs Millionen, die Fertilitätsrate liegt bei über 6,0. Fairerweise muss jedoch gesagt werden, dass diese bei ultra-orthodoxen Juden etwa ebenso hoch ist.

    Dass die Palästinenser auch zwei Generationen nach ihrer Vertreibung noch als Flüchtlinge behandelt werden, behindert ihre Integration in Ländern wie Syrien und Libanon. Allerdings ist dies nicht die Entscheidung der UNRWA, sondern der Wille der arabischen Staaten, die mit Ausnahme von Jordanien eine Einbürgerung der Palästinenser verweigert haben. Bis heute lehnen sie die Regelung der Flüchtlingsfrage ab, solange es keine Gesamtlösung für den Israel-Palästina-Konflikt gibt.

    Es muss unbedingt eine Zwei-Staaten-Lösung her.

    Diese wurde 1948 von den arabischen Staaten unter Federführung der Muslimbrüder insbesondere Mohammed Amin al-Husseini, Mufti von Jerusalem und SS-Mitglied, verhindert. So viel Leid wurde dadurch generiert.

    Vielleicht ist die Zeit jetzt günstiger.

  • 30000 Mitarbeiterinnen davon 12 unter Verdacht.

    • @Tazmahall:

      Es ist etwas größer, als Sie es hier darstellen wollen.

      Es gibt noch die, die das Pogrom gefeiert haben und mindestens einen weiteren Mitarbeiter, der Geiseln auf seinem Dachboden gehalten hat.

      Seit Jahrzehnten sind die Schulbücher der UNRWA die offen Antisemitisch sind und Judenmörder als Märtyrer zelebrieren, ein bekanntes Problem. Dann wären da noch Hamastunnel unter deren Schulen und vieles mehr.

      Die UNRWA ist seit langem reformbedürftig.

  • Höchst zutreffende Kolumne. Unbegreiflich, dass bisher scheinbar niemand auf die Idee gekommen ist, eine Art jährliche Qualitätskontrolle durchzuführen, die folgende Fragen beinhaltet:



    - sind demokratische Strukturen und Eigenverantwortung weiterentwickelt worden?



    - werden den Geflüchteten Fähigkeiten vermittelt, die ihnen Zukunftsperspektiven eröffnen?



    - wie weit ist es gelungen, entwurzelte Geflüchtete in ihre Umgebung zu integrieren?



    Hätte die UN sich damit auseinandergesetzt, hätte sie erkannt, dass ihre Unterorganisation UNWRA in allen diesen Fragen keine Antworten geben konnte und die Situation seit ihrem Gründungsjahr 1949 stetig verschlechtert und nicht verbessert hat.



    Eine Neuorganisation ist bitter nötig!