piwik no script img

Vorwahlen in den USABloßes Schaudern reicht nicht

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Trump gewinnt auch in New Hampshire. Die Welt muss sich auf ihn und seine Diktaturfantasien ganz real vorbereiten.

Sie ist wohl raus dem Rennen: Nikki Haley Foto: ap / Steven Senne

E ndlich auf dem Boden der Realität: Auch im liberalen New Hampshire ist es Donald Trumps letzter verbliebener Herausfordererin Nikki Haley nicht gelungen, diesen zu schlagen. Mit etwas mehr als 40 Prozent hat die Ex-Gouverneurin von South Carolina und Ex-UN-Botschafterin in der Nacht zu Mittwoch zwar nicht schlecht abgeschnitten.

Doch in allen anderen Bundesstaaten liegt Haley im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur weit abgeschlagen. Sie betont, dass sie auch bei den folgenden Vorwahlen antreten will. Die leise Hoffnung, ein Ron DeSantis – der sich inzwischen zurückgezogen hat – oder eine Nikki Haley könnten Trump als Kandidaten verhindern, die Hoffnung auf eine Laune der Geschichte schimmert nur noch ganz, ganz schwach. Nein. Die Welt bekommt es noch einmal mit Trump zu tun, zumindest wenn es nach den republikanischen Wäh­le­r:in­nen in den USA geht.

Zu reibungslos funktioniert noch immer die Kräfteaddition von verblendeten Verschwörungsfans, faschistoiden Ideologen, respekthungrigen Eliteverächterinnen, enttäuschten Demokratenwählerinnen, machtgeilen Reaktionären und kühl kalkulierendem Kapital. Die Vorstellung, die USA müssten bloß aufwachen, erweist sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die Geschehnisse und manche Wahlprognosen in Europa als naiv. Es hat keinen Sinn, darauf zu warten, es möge in den Vereinigten Staaten Hirn oder gar Herz vom Himmel fallen.

Das ist das Gute an diesem Ergebnis: Jetzt muss sich das demokratische Amerika, muss sich Europa und muss sich die Welt darauf einstellen, dass es wieder passieren kann: Donald Trump im Weißen Haus. Und dieses Mal wäre es ein Trump von allen Fesseln befreit, oft auch von denen des eigenen Verstandes, wie es inzwischen immer wieder scheint. Eine Diktatur hat er in Aussicht gestellt. So etwas kann man nicht einfach nur befürchten. Man muss sich auf die Möglichkeit vorbereiten.

In Europa wie in der Nato scheinen solche Fragen schon recht real diskutiert zu werden. Hier wird die Verteidigungsfähigkeit Europas ohne die Großmacht USA gewogen, wird die derzeitige Blockade der Ukraine-Hilfen als Vorbote gesehen. Aber sind die G 20 minus 1 vorbereitet, die G 7 minus 1? Ist etwa die internationale Klimadiplomatie darauf eingestellt, ohne das Commitment der USA zu Vereinbarungen zu kommen, die die Klimakrise abbremsen können?

Kreative Wege nötig

In den USA selbst droht all das zurückgedreht zu werden, was Biden und seine Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act an Investitionen und Dekarbonisierungsschritten auf den Weg gebracht haben. Auch die unzähligen Infrastrukturprojekte der „Bidenomics“ sind alles andere als gesichert. Es müssen jetzt kreative Wege ersonnen werden, wie all dies zu sichern ist.

Und was hat die Ankündigung einer diktatorischen Herrschaft für die Menschen in den Vereinigten Staaten zu bedeuten, insbesondere für Bevölkerungsgruppen, die am Rand der Gesellschaft stehen? Das sind keineswegs so abstrakte Fragen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Es braucht schon jetzt Antworten für den Fall der Fälle. Denn wenn eines die jüngere Geschichte gelehrt hat, dann, dass man sich auf alles gefasst machen muss und nur wenig unvorstellbar bleibt.

Ein Sieg Trumps über den amtierenden Präsidenten ist keineswegs ein Selbstläufer. Die Gefahr ist einfach nur real. Wenn Joe Bidens Strategie der wohltemperierten Mitte wieder greifen sollte und die Mobilisierung verschiedener Spektren gelinge, hätte er durchaus eine gute Chance, wiedergewählt zu werden. Nur darauf verlassen sollte man sich eben nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Bitte nicht vergessen, Nikki Haley vertritt Positionen die in Deutschland von Alice Weidel eingenommen werden !

  • Liebe Frau Junge, vielen Dank, dass Sie in dieser kurzen Ausführung alles zusammenfassen - was letztlich in die Misere geführt hat: "Zu reibungslos funktioniert noch immer die Kräfteaddition von verblendeten Verschwörungsfans, faschistoiden Ideologen, respekthungrigen Eliteverächterinnen, enttäuschten Demokratenwählerinnen, machtgeilen Reaktionären und kühl kalkulierendem Kapital. (...) Es hat keinen Sinn, darauf zu warten, es möge in den Vereinigten Staaten Hirn oder gar Herz vom Himmel fallen." Diese Arroganz, die all die vom System Enttäuschten verdammt, aber die Gründe für ihr Entscheiden weiterhin ignoriert, ist die gleiche Gemengelage - auf die wir in Deutschland treffen. Falsch handeln immer nur die ANDERN. Eigene Fehler kennt man nicht - auch wenn sie uns aktuell gerade den Hals brechen.

    Da kann man nur sagen: Weiter so - wenn man die Trumps der Welt an der Macht will. So billig war der Verlust der Demokratie noch nie zu haben ...

  • Das Problem an der Sache ist doch, dass Biden nichts von seinen Wahlversprechen eingehalten hat.



    Trump wird doch für genau das gewählt, was er tut.



    Bei Biden ist die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität hingegen enorm.

  • Die "wohltemperierte Mitte" ist eiseskalt.

    In Deutschland wäre Biden rechts von Friedrich Merz.

    Da liegt die Temperatur der Herzenswärme um den Gefrierpunkt.

    Das sein Wiedersacher noch schlimmer ist lässt mich Mittleid verspüren für die Wähler:innen der Demokraten.

    Ein 2 Parteiensysthem in dem praktisch nur große Geldgeber die Wahlmöglichkeiten bestimmen ist sowieso schon fragwürdig als politisches Systhem.

  • Nö, es bedeutet 43,2% (Haley) der republikanischen und unabhängigen Wähler in New Hampshire werden Biden wählen.

  • "Kühl kalkulierendes Kapital!", eine Verniedlichung des Einflusses des Großkapitals auf die Wahlkampagnen der Republikaner und Demokraten. Dieses Kapital sichert sich seine Pfründe, bevor die ersten Wahlstimmen abgegeben wurden.

    Das ganze Wahlsystem in den USA ist reformbedürftig, wie auch viele uralte Gesetze. Die Demokratie in den USA wird in den USA abgeschafft, wenn dieses Kapital unter Trump "kühl" seine Interessen abwägt.



    Die urspünglich englischen Kolonien wurden unabhängig, weil ihnen die Zollabgaben an Großbritannien zu viel wurden. Großbritannien wollte verhindern, dass westlich der Appalachen kein Land besetzt wurde.



    Doch wen interessiert in den USA bis heute, dass die USA aus geraubten Land Indigener entstanden, die in Reservate gezwungen wurden und verarmten, während der Rest des Landes der Freiheit und dem Kapital huldigt.

  • "Die leise Hoffnung, ein Ron DeSantis – der sich inzwischen zurückgezogen hat – oder eine Nikki Haley könnten Trump als Kandidaten verhindern"

    Wurde in bisherigen Artikeln nicht DeSantis als die schlimmere Bedrohung dargestellt? Stichwort Trump mit Hirn. Jetzt war er die Hoffnung...

    "Kräfteaddition von verblendeten Verschwörungsfans, faschistoiden Ideologen, respekthungrigen Eliteverächterinnen, enttäuschten Demokratenwählerinnen, machtgeilen Reaktionären und kühl kalkulierendem Kapital."

    Hier fehlen mindestens noch religiöse Fundamentalisten und Sexisten/Antifeministen. Wie Demokraten aus Enttäuschung zu Trump wechseln, kann ich mir bei der polarisierten US-Politik gar nicht vorstellen. "Obamacare hat nicht geklappt, lass ne Mauer bauen." Oder wählen sie danach, ob sie gerade ein rotes oder blaues T-Shirt anhaben?

    "Großmacht USA"

    Haben sie den Supermacht-Status schon offiziell verloren? Dann können sie die Rolle als Schutzmacht Europas wohl eh nicht mehr stemmen.

    "Wenn Joe Bidens Strategie der wohltemperierten Mitte wieder greifen sollte und die Mobilisierung verschiedener Spektren gelinge, hätte er durchaus eine gute Chance, wiedergewählt zu werden."

    Könnten sie nicht einen anderen als Präsidenten für den average Joe aufstellen. Als US-Wähler hätte ich Angst, dass ich so oder so einen Präsidenten kriege, der oben nicht ganz belastbar ist. Ich wundere mich über die Wahl ihrer Kandidat*innen. Erst dachten sie, gegen die Witzfigur Trump könnten sie Hillary durchpressen, obwohl sie in den USA erstaunlich unbeliebt ist und Frausein irgendwie ihr Wahlversprechen war, jetzt präsentieren sie einen möglichst alten weißen Mann. Aber das hat ja auch damit zu tun, wer wessen Leichen im Keller gefunden hat und eine Hand wäscht die andere...

  • "ie leise Hoffnung, ein Ron DeSantis – der sich inzwischen zurückgezogen hat – oder eine Nikki Haley könnten Trump als Kandidaten verhindern, die Hoffnung auf eine Laune der Geschichte schimmert nur noch ganz, ganz schwach."

    Ein Ron De Santis wäre mindestens genauso schlimm, wenn nicht sogar noch schlimmer, was also sollte da bitte die Hoffnung gewesen sein????

  • Wohltemperierte Mitte als Erfolgsrezept? Schon vergessen, dass Sanders vor acht Jahren in Umfragen gegen Trump weit besser dastand als Hillary Clinton? Plus Plädoyer für Rüstungssteigerung - Taz als linke Zeitung RIP…

    • @Makabrezzo:

      Hätte 2016 Trump durch Sanders verhindert werden können?

      Zitat @Makabrezzo: „Schon vergessen, dass Sanders vor acht Jahren in Umfragen gegen Trump weit besser dastand als Hillary Clinton? Plus Plädoyer für Rüstungssteigerung…“-

      Schon 2016 wurde in den Leitplanken-Medien Zweifel gesäht, „dass der linke Senator es mit seinem vergleichsweise radikalen Programm schaffen kann, im November die Mehrheit der Amerikaner hinter sich zu versammeln - und Trump zu besiegen.“ (Tagesspiegel, 23.02.2000)

      Dies war schon damals ein Mythos. Eine CNN-Umfrage vom Febr. 2016, also noch vor der Nominierung von H. Clinton, hatte die beiden Duell-Hypothesen Clinton rsp. Sanders gegen Trump, vorgelegt. Danach hieße bei der ersteren Variante das Verhältnis 52 % zu 44% für die Dems und bei der zweiten 55 zu 43%. Mit 46 % für Trump mit H. Clinton als Kontrahent fiel dann das Ergebnis dann sogar noch um 2 % höher aus. Unterstellt man die gleiche Abweichung bei Sanders als Duellant, hätte Trump nur 45 % der Popular Votes verbuchen können, was für den Sieg des Herausforderers gereicht haben dürfte.

      Wenn auch das Popular Vote nicht unbedingt dem Wahlausgang entsprechen muß, wie gesehen, so bliebe doch die Erkenntnis, daß Sanders Chancen gegen Trump a priori größer waren als die H. Clintons. Daraus folgt, die Hauptsorge des DNC galt damals nicht der Wahl Trumps sondern derjenigen Sanders. Um Sanders zu verhindern, wurde Trump in Kauf genommen. Dem MSNBC-Moderator Chris Matthews zufolge „suggests Democratic establishment better off with four more years of Trump than Sanders movement reshaping party.“ (zit. Nach Twitter) Matthews sprach aus, was womöglich tatsächlich einige Parteioberen dachten, (die „Zeit“).



      Merke:

      Das „kühl kalkulierende Kapital“ (eigentlich eine Tautologie) setzt immer auf den Kandidaten, der die besten Verwertungsbedingungen verspricht. Das hieß damals, Sanders rauszukegeln und Trump in Kauf zu nehmen.

  • The next president is: Donald Trump

    Und weil dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit so kommen wird, sollten wir jetzt schon die Vorbereitungen für diesen Fall treffen. Denn kommt Trump nochmals ins Amt, kommen für uns neue Probleme, wirtschaftlich wie militärisch. Unsere Abhängigkeit zur USA, an der wir in großen Teilen selbst schuld sind, wird uns dann noch schwerer treffen wie zu seiner ersten Amtszeit.



    Aber was macht unsere Regierung: Sie verscholzt, sorry verschläft das Problem, welches auf uns zu rollt, wie so vieles andere auch.

  • Die wilden Diktaturphantasien haben doch eher die Demokraten. Man übt auch schon fleißig wie man gegnerische Kandidaten von der Wahl ausschließen könnte. Ich hatte noch nie etwas für amerikanische Superhelden übrig, wenn aber ausgerechnet Woke Joe Biden den größten Schurken der amerikanischen Geschichte besiegen soll.



    Popcorn XXL.



    Trump war schon mal vier Jahre Präsident und der Laden steht seltsamerweise immer noch.

    • @Wes:

      Wenn es Die beruhigt, dass vier Jahre nicht ausgereicht haben (sollen), die Demokratie in den USA abzuschaffen (stimmt) oder zumindest schwer zu beschädigen (ist im Gange), dann haben Sie die dort getroffenen Entscheidungen nicht erfasst.

  • Die "Never-Trumper" in den Reihen der Republikaner sowie die überragende Mehrheit der Swing-Voters der Unabhängigen sind grgen Trjmp und werden Biden, als kleineres Übel, wählen.