Vorwahl im US-Staat New Hampshire: „Er ist eine Pussy“
Mit militärischer Stärke protzen alle konservativen Kandidaten: Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio. Und sonst? Burger, Country, Opern-Arien.
Am Ende sind es nicht mehr als zwei Dutzend, die sich in dem engen Raum mit der niedrigen Decke vor einem kleinen Podium aufstellen und auf ihren Kandidaten warten: Marco Rubio. Es riecht nach fettig gebratenen Burgern – extra für den Tag gibt es einen Rubio-Burger auf der Karte – und der erste Gast hat ein Glas Guinness in der Hand.
Rubio ist für viele nach einem guten dritten Platz beim Caucus in Iowa hinter Ted Cruz und Donald Trump der Kandidat, hinter dem sich das konservative Parteiestablishment versammeln könnte. Der Mann, der den evangelikalen Cruz und den unberechenbaren Trump am Ende überholen könnte. Der Senator aus Florida ist jung, gutaussehend, Kind von Einwanderern und hat für republikanische Verhältnisse nicht nur steile Thesen im Repertoire – beste Voraussetzungen, gegen einen Demokraten gewinnen zu können.
Patti mag Rubio, sie war sich schon sicher, dass sie dem 44-Jährigen ihre Stimme gibt. Doch dann passierte die letzte TV-Debatte der Republikaner am vergangenen Samstag. Rubio sah nicht gut aus, wiederholte immergleiche Phrasen. Deswegen sitzt Patti hier im Restaurant, sie ist unsicher, will ihren Kandidaten einmal live sehen. Klein und unscheinbar steht der dann auf einmal im Raum, niemand kündigt ihn an, kein Mikrofon knarzt. Er braucht keins.
Fast scheint es, als wolle Rubio es einfach hinter sich bringen. Er spricht schnell, hakt einen Punkt nach dem anderen ab. Die USA zu neuer Stärke verhelfen – kann nur er. Die Demokraten schlagen – er ist der Beste, vor ihm haben sie Angst. Das lästige Einwanderungsproblem lösen – wer könnte das besser als das Kind von Einwanderern. Und dann ab in den Nebenraum, noch ein Interview geben. Vielleicht erreicht er damit einen Tag vor der Wahl noch ein paar mehr Menschen.
Das Thema, das für Patti das wichtigste ist, hat Rubio nicht angesprochen: „Pro Life“ zu sein, gegen das Recht von Frauen auf Abtreibung. Pattis Stimme bekommt Rubio am Dienstag trotzdem, zum einen, weil sie weiß, dass Rubio Abtreibungsgegner ist, und „weil er hier so einen guten Eindruck gemacht hat“. Ein schönes Video auf dem Smartphone ist auch entstanden. Es ist ein guter Montag für Patti. Rubio hingegen wirkt nicht besonders siegessicher. Vielleicht ist er gedanklich schon bei der nächsten, für ihn aussichtsreicheren Vorwahl. Denn die Umfragen sehen mal wieder einen Mann bei den Republikanern vorn: Donald Trump.
Anders als Rubio schafft er es, am Vorabend der Wahl Tausende nach Manchester zu locken. Bonnie und Paul sitzen früh in der ersten Reihe, sie mit „Make America Great Again“-Mütze, er mit Donald Trumps Buch auf dem Schoß. Pauls Basecap weist ihn als Veteranen aus, er hofft darauf, dass sich ein Präsident Trump besser um seine Belange kümmert. Ehrlich sei der und kümmere sich um Veteranen. Bonnie gefällt besonders Trumps Aggressivität. Die Mauer an der Grenze zu Mexiko finden sie gut. Es ist eine von Trumps erfolgreichsten Agitationen. Als er später in seiner Rede von einer „Trump Mauer“ spricht, ertönen „USA, USA, USA“-Sprechchöre. Seine Anhänger glauben ihm alles und folgen der großen Trump-Show.
Carl Toepel aus Wisconsin ist nach New Hampshire geflogen, zum vierten Mal erlebt er Trump live, den zukünftigen Präsidenten, davon ist Toepel überzeugt. Er sieht eigentlich nur ein kleines Problem: Das Weiße Haus könnte dem Standard von Trump nicht entsprechen. Ein Trump-Wing gleich neben dem West Wing, das wär’s. Toepel verliebt sich auf der Stelle in seine eigene Idee.
Für den konservativen Ex-Militär Jim wiederum käme das einer Katastrophe gleich, er und seine Frau Susi lehnen diese „Cartoonfigur“, wie sie ihn nennen, ab. Fast alle republikanischen Kandidaten haben sie sich während des Vorwahlkampfs persönlich angesehen, zu Trump zieht sie nichts.
Ted Cruz ist jemand nach ihrem Geschmack, weil er die Verfassung in ihrem ursprünglichen Sinne verteidigt und für einen schlanken Staat eintritt. Viel rechter als Cruz wird es unter den Kandidaten der Republikaner nicht, der Evangelikale wird von der Tea-Party-Bewegung unterstützt und hat im Kern eine Botschaft an seine Zuhörer in Barrington: alles zurückzudrehen, was Obama umgesetzt hat. Von der Gesundheitsreform bis zum jüngsten präsidialen Erlass, der Waffenkäufe erschweren soll. Mit den Waffen punktet Cruz – der in den Umfragen hinter Trump und Rubio liegt – bei seinen Zuhörern.
Ihm zuzuhören erinnert an einen Prediger, er moduliert seine Sätze in einem wogenden Singsang, als spräche er zu einer Gemeinde. In Jeans und Pullover gibt sich Cruz als Kandidat des einfachen Mannes, dem das große Amerika wieder zurückgegeben werden muss.
Empfohlener externer Inhalt
Zum Händeschütteln nach der Rede läuft Country, beseelt steigen die Cruz-Fans danach wieder in ihre Trucks, viele von ihnen haben einen Sticker auf ihren Stoßstangen kleben: „Hart arbeitende Menschen wählen republikanisch.“ Am Ausgang des Firmengeländes steht ein Pick-up mit gebastelten Rakete auf der Ladefläche. „Wie tötet man ISIS?“ steht darauf und gibt die Antwort in großen Lettern: mit der „Cruz Missile“.
Mit militärischer Stärke protzen alle konservativen Kandidaten, auch Trump. Die 62-jährige Pam unterstützt ihn deswegen. Fünf Mal war ihr Sohn in Afghanistan und im Irak im Einsatz. Sie wünscht sich einen Präsidenten, der Patriot ist und das Land sicher macht. Ihr Mann für den Job: Trump. Auf ihrer Wange klebt ein Wahlkampfsticker Trumps, ihr Tuch ist der US-Flagge nachempfunden. „Ich bin Trump“, sagt sie. Ihr letztes Geld aus ihrem Wohlfahrtsscheck hat sie genommen, um von Maine viereinhalb Stunden nach Manchester zu fahren, um Trump live zu erleben. Sie ist schon aufgepumpt, als Trump noch via Lautsprecherdurchsage ausrichten lässt, sich aufgrund des Wetters ein wenig zu verspäten.
Die Opern-Arie „Nessun Dorma“ schallt mehr als einmal durch die bei weitem nicht volle Arena, bis Trump schließlich auf der Bühne erscheint und seine erratische, weil frei gehaltene Rede beginnt. Aber die Leute kommen nicht für eine durchkomponierte Rede, sie kommen für die Show – und Trump liefert verlässlich immer neue Tiefen.
Als er gegen seinen Konkurrenten Cruz wettert, weil der ihm in der letzten TV-Debatte zu zögerlich war, die Foltermethode des „Waterboarding“ als angemessen zu bezeichnen, ruft eine Frau ganz vorne an der Bühne etwas dazwischen. „Wiederhol das noch mal laut, ich will es nicht sagen“, fordert Trump sie auf. Doch natürlich bleibt die Zuschauerin ohne Mikrofon ungehört und so wiederholt Trump es dann doch für sie und macht es sich geschickt zu eigen: „Sie hat gesagt: Er (Cruz) ist eine Pussy.“
Das hat nichts mehr von politischer Auseinandersetzung. Aber Trump ist nicht nach New Hampshire gekommen, um fair zu spielen. Er ist gekommen, um zu gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl