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Vorfall in MannheimAutofahrer rast durch Fußgängerzone

Zwei Menschen sterben durch Raser in Mannheims City. Ermittler vermuten psychische Erkrankung des Täters. Der ist wegen rechter Hatespeech verurteilt.

Großer Polizeieinsatz am Montag in Mannheim Foto: Dieter Leder/dpa

Mannheim dpa/afp/taz | Ein Mann aus Rheinland-Pfalz ist mit seinem Auto in eine Menschenmenge in der Mannheimer Innenstadt gerast. Dabei kamen nach Angaben des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU) zwei Menschen ums Leben. Elf weitere wurden verletzt.

Laut Strobl saß ein 40 Jahre alter Deutscher am Steuer des Wagens. Er sei festgenommen worden und liege verletzt in einer Klinik. Die Ermittler gehen nicht von weiteren Tätern aus.

Man habe ein Ermittlungsverfahren wegen zweifachen Mordes und zweifachen versuchten Mordes eingeleitet, sagte Romeo Schüssler, leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Mannheim bei einer Pressekonferenz am Abend.

Ermittle vermuten psychische Erkrankung des Täters

Der Täter, ein Landschaftsgärtner, wohne in Ludwigshafen, so der Staatsanwalt. Er sei in Baden-Württemberg geboren. Man habe bisher keine Anzeichen dafür, dass es ein politisches Motiv für die Tat gebe. Vielmehr gebe es Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Mannes, weshalb sich die Ermittler auf diesen Aspekt konzentrierten, teilte der zuständige Staatsanwalt mit.

Der Mann habe eine Social-Media-Präsenz auf verschiedenen Kanälen, die jetzt gesichert würde, so Staatsanwalt Schüssler. Die Ermittlungen liefen weiter auf Hochdruck. Es habe aber keine Hinweise oder Ankündigungen gegeben, dass er so eine Tat plane.

Geldstrafe wegen rechtsextremem Kommentar auf Facebook

Auf welt.de war am Nachmittag berichtet worden, dass der Halter des genutzten Fahrzeuges einmal wegen des Zeigens verfassungswidriger Symbole aus dem Bereich des Rechtsextremismus aufgefallen sein. Darauf angesprochen sagte der Staatsanwalt, der Täter habe mehrere Vorstrafen, auch wegen Körperverletzung, die aber lange Jahre zurücklägen.

Der letzte Fall sei 2018 gewesen. Da sei er wegen „Hatespeech“ auf Facebook zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die er auch bezahlt habe. Es sei um den Kommentar zu einem Bild aus dem genannten Bereich gegangen, sagte der Staatsanwalt. Man könne derzeit aber nicht beurteilen, ob da „eine Gesinnung oder Dummheit“ dahinterstecke, sagte der Staatsanwalt. „Natürlich haben wir das im Blick“. Aber bisher gebe es keine weiteren Hinweise in diese Richtung. Zur Stunde werde aber noch seine Wohnung durchsucht.

Raser in schnurgerader Fußgängerzone

Der Vorfall ereignete sich nach Polizeiangaben gegen 12.15 Uhr am zentralen Paradeplatz. Das Auto sei mit hohem Tempo durch die Haupteinkaufsstraße Planken über mehrere hundert Meter gerast, sagten die Ermittler.

Planken ist eine breite Fußgängerzone, in der auch Straßenbahnen verkehren. Ein Video aus einer Überwachungskamera zeigt, wie der Kleinwagen, ein schwarzer Ford Fiesta, mit hohem Tempo über die Gleise in der Straße rast. An dieser Stelle waren zum Glück keine Passanten auf der Straße. Im Internet verbreitete Bilder zeigten mutmaßlich Verletzte an mehreren Stellen der insgesamt rund ein Kilometer langen Straße.

Die Mannheimer Innenstadt ist schachbrettmusterartig angelegt. Fast alle Straßen sind schnurgerade, ohne Kurven. Der Fahrer ist offenbar in westlicher Richtung hindurch gerast und hat anschließend Richtung Ludwigshafen zu flüchten. Fotos zeigen, dass das stark beschädigte Fahrzeug an einer Auffahrt zu den Rheinbrücken von der Polizei gesichert wurde.

Erst verlassenes Auto gefunden, dann den Täter

Man habe einen Tatverdächtigen im Laufe der Fahndung festgenommen, hatte ein Polizeisprecher bereits am Mittag gesagt. Am Abend hieß es, man habe zunächst das verlassene und demolierte Fahrzeug bei den Rheinbrücken gefunden. Wenig später sei der Mann im Bereich der Hafenstraße festgenommen worden.

Laut mehreren Medienberichten soll der Mann sich vor der Festnahmen mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben. Am Abend bestätigten die Ermittler, dass es einen Befund gebe, der auf entsprechendes hinweise.

Polizei: Mannheimer Innenstadt meiden

Die Polizei hatte am Mittag die Bürgerinnen und Bürger gebeten, die Innenstadt zu meiden und großräumig zu umfahren. Sie hatte im Warndienst Katwarn eine „lebensbedrohliche Einsatzlage“ gemeldet. Gegen 15 Uhr hatte die Polizei vermeldet, dass die Kontrollmaßnahmen in Ludwigshafen wieder eingestellt worden seien.

In den vergangenen Wochen hatte es mehrere Anschläge gegeben, bei denen Fahrzeuge in eine Menschenmenge gefahren waren. Im Dezember kamen in Magdeburg sechs Menschen ums Leben, als ein inzwischen 50 Jahre alter Arzt über den Weihnachtsmarkt gerast war. Der aus Saudi-Arabien stammende Mann hatte mehrfach Sympathien mit der rechtsextremen AfD geäußert.

Mitte Februar war ein Mann mit seinem Fahrzeug in eine Gruppe von Demonstranten in München gefahren. Dabei kamen eine junge Frau und ein Kind ums Leben. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund hat.

Mannheim liegt im Norden Baden-Württembergs an der Grenze zu Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Stadt ist mit rund 320.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs.

Karnevalsumzug war am Sonntag

Anders als in anderen Städten in Rheinnähe gibt es in Mannheim keinen großen Karnevalsumzug am heutigen Montag. Der Fasnachtsumzug Mannheim-Ludwigshafen war bereits am Sonntag durch die Stadt gezogen. Es waren Hunderttausende Be­su­che­r:in­nen vor Ort.

In der Innenstadt wird auf den Planken aber seit Donnerstag der beliebte Fasnachtsmarkt gefeiert. Er hätte am morgigen Dienstag mit der Straßenfasnacht seinen Höhepunkt haben sollen. Sie wurde jedoch mittlerweile abgesagt, genau wie weitere für Dienstag geplante Umzüge in Mannheim. Auch der Fasnachtsmarkt bleibt geschlossen.

Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ordnete Trauerbeflaggung an den städtischen Dienstgebäuden an. „Diese abscheuliche unmenschliche Attacke auf friedliche Menschen erschüttert uns alle zutiefst“, sagte er.

Anm. der Redaktion: Dieser Text wurde und wird im Laufe des Tages aktualisiert.

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14 Kommentare

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  • Ich finde interessant, das es laut Taz "ein 40 Jahre alter Deutscher" war. Bei einem "40 Jahre alten Syrer" (als Beispiel) hätte man die Nationalität niemals genannt.

  • Mein Mitgefühl den Betroffenen.

    Allerdings zeigt sich hier auch aufs deutlichste: Grenzen schließen ist keine Lösung. Das was die cdU sich bei der afd abgeschaut hat, ist eben nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.







    ..und nun Hr Merz..??

  • Mein Mitgefühl gilt allen Betroffenen.



    Es bleibt zu konstatieren: Gegen durchgedrehte Kranke (egal welcher Nationalität) und das Schicksal, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, gibt es kein Mittel.



    Also sollte man wenigstens beeinflussbare Katastrophentypen verhindern.

    • @snowgoose:

      Ja und Nein, denn was sie sagen stimmt nur zur Hälfte.

      Man kann durchaus Gefährder im Netz erkennen. Viele Taten von Terroristen (egal warum sie abscheulich morden) lassen sich aus meiner Sicht durch effektives Screening der sozialen Medien und eine bessere Politik der inneren Sicherheit verhindern. (Und das hat in der Tat rein gar nichts mit Nationalitäten zu tun sondern ist einfach ein generelles Problem welches durch die momentane Technologiewelle entstanden ist und eingedämmt werden muss.) Da besteht dringender Handlungsbedarf.

  • Traurig, schlimm für die Bekannten und Familien der Toten und Verletzten.



    Was nutzt die Kat-Warn App, wenn die Warnung erst lange nach dem Ereignis zur Vorsicht rät und nicht einmal Auskunft gibt, welche Gefahr besteht, sondern nur "lebensbedrohlich Lage" meldet.

    • @Hans Dampf:

      Die App als Allheilmittel anzusehen, geht fehl, weil kein Allgemeingut.

  • Was sind das nur für Idioten?

    • @aujau:

      Jemand, der die nötige Behandlung nicht bekam - wenn er denn darum nachsuchte. Bin mal gespannt, ob Merz jetzt wieder seinen "Fünf-Punkte-Plan" auspackt oder endlich mal realisiert, daß die Probleme alt und hausgemacht sind und garantiert nicht mit mehr Grenzkontrollen gelöst werden.

    • @aujau:

      Das kommt auf die Ideologie des Attentäters an. Noch ist es zu früh, um Urteile zu fällen.

  • Was soll immer diese Wortwahl, die das Auto zum Subjekt zu machen? Nicht Autos sind in Menschenmengen gefahren, nicht Autos haben versucht zu töten. Das waren Menschen, die ein Auto als Mittel benutzt haben.

    Ihr stellt es da, als wären das alles Unglücksfälle, ja sogar Unfälle gewesen. Das waren Anschläge, das war Terror. Nicht ausgehend von Autos.

    • @JSch:

      Korrekter Einwand

  • Irgendwie bald nicht mehr zu ertragen dieser Planet

    • @Welt Bürger:

      Gegen diesen Planeten hier ist eigentlich nichts einzuwenden und die allermeisten Menschen sind auch völlig okay…die komplett durchgeknallten Zeitgenoss*innen, die sind allerdings ein Problem.

    • @Welt Bürger:

      Der Planet ist gut zu ertragen, es liegt an einigen wenigen, die den Terror bringen.