Vorfall im Zug: Zeugen beschuldigen Akbulut
Nach der mutmaßlichen Attacke auf die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut werden Zweifel an ihrer Darstellung laut. Wer hat angefangen?
An der Darstellung der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut, die am Wochenende behauptet hatte, von Fußballfans im Intercity nach Stuttgart sexistisch und rassistisch beleidigt, bedrängt und verletzt worden zu sein, werden Zweifel laut.
Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung, bei der sich Zeugen des Vorfalls gemeldet haben, soll die Abgeordnete, anders als dargestellt, selbst Streit mit den Fußballfans gesucht haben, indem sie die VfB-Stuttgart-Fans, die „laut, aber friedlich“ gewesen seien, ohne Anlass beleidigt habe. Der Streit sei dann eskaliert, berichten die Zeugen der Zeitung, als Akbulut nicht aufgehört habe, die Männer als „dumm“ und „Drecksnazis“ zu beschimpfen. Erst dann hätten die Fußballfans ihrerseits mit Beleidigungen gekontert.
An AfD-Parolen, von denen Akbulut in ihrer Darstellung gesprochen hatte, kann sich keiner der Zeugen erinnern. Zudem soll zuerst die Bundestagsabgeordnete eine kleine Weinflasche auf die Fans geworfen haben, bevor sie von einem Gegenstand getroffen wurde, der sie über dem linken Auge verletzt habe. Auf einige der Zeugen machte Akbulut einen alkoholisierten Eindruck. Die Darstellungen der Zeugen werden in Sicherheitskreisen in Stuttgart weitgehend bestätigt. Die Polizei will sich derzeit offiziell nicht äußern, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.
Aktuell krankgeschrieben
Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei hatte am Wochenende bei Instagram Bilder einer Verletzung sowie das anonymisierte Bild eines mutmaßlichen Fußballfans gepostet und behauptet, von ihnen zunächst mit AfD-Parolen belästigt worden zu sein. Als sie begonnen habe, dies mit ihrem Handy zu dokumentieren, habe man sie mit einer Flasche beworfen. Zuvor sei sie schon beim Weg durch den überfüllten Zug sexistisch und rassistisch beleidigt worden.
In ihrem Instagrampost stellte sie ihre Darstellung bewusst in den Kontext der aktuellen Migrationsdebatte: „Eine aufgeheizte gesellschaftliche Stimmung, in der Migration als das Übel aller Dinge dargestellt wird, macht solche Angriffe auf Menschen mit Migrationsgeschichte erst möglich“, erklärte sie und forderte den VfB Stuttgart auf, klarzustellen, wie er mit rechtsextremen Fans in seinen Reihen umgehen möchte.
Der Post hatte bei Politikern, vor allem innerhalb ihrer eigenen Partei, für Solidaritätsbekundungen gesorgt. Inzwischen ist die Kommentarspalte unter dem Post deaktiviert und kann nicht mehr eingesehen werden.
Von der Deutschen Presse Agentur mit den Widersprüchen zu ihrer Darstellung konfrontiert, erklärte Gökay Akbulut, „Ich wurde bei der Zugfahrt angegriffen und verletzt, niemand bestreitet das. Deshalb habe ich auch Anzeige erstattet. Derzeit bin ich krankgeschrieben. Was ich erlebt habe, habe ich bereits ausführlich geschildert.“ Jetzt gelte es, die Ermittlungen der Behörden abzuwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch im Bundestag
Empörung, um zu spalten
Merz und die AfD
Deutschland ist ein bisschen österreichischer geworden
Bundestag stimmt gegen Unionsantrag
Friedrich Merz scheitert mit seinen Plänen
Merz' Tabubruch im Bundestag
Ohne Not ins Debakel
Konservative Anti-Migrations-Pläne
Dann eben noch schärfer
Offener Brief
Psychiater:innen gegen Merz