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Vor dem AfD-Parteitag in KölnFrauke Petry stellt die Machtfrage

Die Parteichefin fordert, dass sich die AfD zwischen zwei Strategien entscheidet. Man könnte auch sagen: zwischen ihr und dem Gauland-Höcke-Duo.

Frauke Petry fordert eine klare Entscheidung Foto: dpa

Berlin taz | Alexander Gauland scheut sich gewöhnlich nicht, klare Worte zu sprechen. Dieses mal aber hat sich der Vize-Chef der AfD anders entschieden. Er sehe keinen Widerspruch zwischen einer fundamentaloppositionellen und einer realpolitischen Strategie sagte Gauland der taz. „Ich mache Politik im Landtag, ich könnte auch für die realpolitische Strategie stimmen – und nichts würde sich ändern.“

Parteichefin Frauke Petry sieht das anders. Mehr noch: Sie fordert, dass sich die AfD zwischen den beiden Strategien entscheidet – und damit zwischen Gauland und dem Rechtsaußen Björn Höcke auf der einen und ihr auf der anderen Seite. Einen entsprechenden Antrag hat Petry für den Bundesparteitag eingebracht, der am 22. April in Köln zusammenkommt. Gauland wird darin namentlich erwähnt; Höcke, gegen den ein Parteiausschlussverfahren läuft, nicht.

In dem Antrag, über den zuerst der Stern berichtet hat, heißt es: „Die AfD entscheidet sich für den realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei.“ Ziel sei es, relative Mehrheiten in den Parlamenten zu realisieren. Die AfD solle daher perspektivisch auch koalitionsbereit sein. Im Kern ziele diese Strategie auf die emotional heimatlosen, immer noch konservativen Wähler gerade der CDU. „Diese Strategie ist komplexer, stellt höhere Anforderungen an Programm und Personal, könnte aber in kürzerer Zeitspanne zum Erfolg führen“, heißt es weiter.

Im Gegensatz dazu stehe eine langwierige, fundamentaloppositionelle Strategie. Als Beispiel dafür führt Petry ausgerechnet die in der AfD so verhassten Grünen an. Sie benötige für ihre Wirksamkeit „ungefähr eine Generation, also 20-30 Jahre, wenn die Partei sich über diesen langen Zeitraum im politischen Spektrum behaupten kann“. Die Vertreter der fundamentaloppositionellen Strategie wollten vor allem den gesellschaftlichen Diskurs verschieben und so Politik beeinflussen. Dazu würden auch abseitigere Meinungen und Standpunkte vertreten, man sei offen „gerade auch für Äußerungen außerhalb des bürgerlichen Korridors. Ein Verschrecken dieser oftmals mutlosen Klientel wird bewusst in Kauf genommen.“ Hier stellt Petry geschickt einen Zusammenhang zu den sinkenden Umfragewerten der AfD her. „Diese Strategie funktioniere auch mit geringen Prozentsätzen für die eigene Partei“, heißt es weiter.

Die Partei, fordert Petry, müsse sich entscheiden. „Kommen beide Strategien nebeneinander zum Einsatz, zerstört die fundamentaloppositionelle Strategie die realpolitische Strategie.“

Petry als alleinige Spitzenkandidatin?

Nun hat auch Petry selbst in der der Vergangenheit Positionen vertreten, die bürgerliches Klientel abschrecken dürften: Mal forderte sie, in letzter Konsequenz an der Grenze auch auf Flüchtlinge zu schießen, um sie an der Einreise zu hindern, mal dachte sie darüber nach, wie der Begriff „völkisch“ positiv besetzt werden könnte. Auch trifft sie sich gerne öffentlichkeitswirksam mit der Chefin des rechtsextremen Front National aus Frankreich, Marine Le Pen, und anderen europäischen Rechtspopulisten.

Ob Petry mit ihrem Antrag auf dem Parteitag Erfolg haben wird, ist völlig offen. Petry ist bekannt dafür, dass sie Mehrheiten organisieren kann, doch die Zusammenkunft in Köln ist kein Mitglieder- sondern ein Delegiertenparteitag. Auch reagieren AfD-Mitglieder oft negativ auf den Versuch von Machtkonzentration, das mussten gerade der bayerische Landeschef Petr Bystron und die Baden-Württembergerin Alice Weidel schmerzlich erfahren. Zudem weckt ein Erpressungsversuch an der Spitze ungute Erinnerung an Parteigründer Bernd Lucke, den die AfD vor zwei Jahren nach einem ähnlichen Versuch vertrieb.

Zunächst müssen Petry und ihre Unterstützer es schaffen, dass der Antrag, der inzwischen online steht und weitere Unterzeichner sucht, überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt wird. Unterschrieben hatten den Antrag zunächst nur acht Parteimitglieder. Außer Petry ist aus dem Bundesvorstand niemand dabei. Unterzeichnet haben die Fraktionschefs aus Rheinland-Pfalz und Mecklenburg Vorpommern, Uwe Junge und Leif-Erik Holm.

In der Partei wird der Vorstoß so gedeutet, dass Petry sich doch noch als alleinige Spitzenkandidatin durchsetzen will. Dazu passt ein Antrag, den der Rheinland-Pfälzer Junge eingebracht hat. Er fordert, Top 10 der Tagesordnung, wo es bislang um die Kür „der Spitzenkandidaten“ geht, auch die Möglichkeit eines einzelnen Spitzenkandidaten zu eröffnen. Anträge gibt es aber auch von der anderen Seite: In einem wird gefordert, das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke aufzuheben.

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18 Kommentare

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  • 1G
    1074 (Profil gelöscht)

    Eigentlich immer das Gleiche bei neuen Parteien. Das war damals bei den Grünen so, wo

    Karrieristen wie Fischer & Schily, die mit Ökologie nichts am Hut hatten, das Kommando übernahmen.

    Bei den Piraten führte es sogar zur Eliminierung. Na, und auch die AfD bildet hier keine Ausnahme.

     

    Dazu fällt mir nur dieses Zitat ein:

    «Das ist eine Art Strategie für Idioten, die Zuflucht im kollektiven Martyrium suchen. » (aus dem Roman „Brainstorming eines Rasenden)

  • Frau Petry hat doch – öffentlich – mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören. Oder war das nur wieder gelogen? Die Glaubwürdigkeit der AfD wird mit der Zeit weiter sinken, auch bei rechtspopulistischen Wählern.

  • Machtgehabe hin oder und her.

    Was bringt es Eseln, wenn es

    nichts mehr zu" tragen" gibt, in dem ihnen das Wahlvolk wegläuft ?

    Persönliche Befindlichkeiten (Befindlichkeitsstörungen) haben

    nichts in einer Partei, rein gar nichts, egal in welcher Kaste, zu suchen.

  • Ach, ich überlege gerade, ob wir alle Proteste gegen die NSAfD in Köln am Wochenende davor machen, damit die NSAfD sich da zerlegen kann. Mit dem Antrag kommt die Petry bei den Schreihälsen "Lügenpresse", "Volksverräter" garantiert nicht an. Ist der der Petry erst jetzt die "Vermögensaufstellung" ihres Ehemannes bekannt geworden und sie will mit einem Bundestagsmandat ihre Kinder finanzieren?

  • „Man zeigt nicht mit nackten Fingern auf angezogene Leute“ (Zitat: Oma)

     

    Frau Petry ist sicher darin zuzustimmen, dass „bürgerliche“ Parteien, die gegen alle hetzen, die ihnen nicht „deutsch“ genug erscheinen, hier bislang noch immer zum Erfolg verdammt waren.

  • DIE PETRY UND DER SCHIESSBEFEHL.

    Liebe Sabine, haben Sie das faule Ei des Mannheimer Morgens immer noch im Kühlschrank?

    Ist es Ihnen nicht gelungen den Wortlaut des Interviews einzusehen?

    Zum „Schiessbefehl“ ein Beispiel an der Grenze Slowakei/ Ungarn: Polizei versuchte 4 PKWs, die illegal in der Nacht die Grenze passierten, zu stoppen.

    3 blieben stehn, der 4. fuhr weiter. Er wurde mit Schüssen gestoppt, eine Frau verwundet. Die 4 PKWs waren mit Schutzsuchenden/Migranten besetzt. http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-in-der-slowakei-polizei-schiesst-auf-frau-aus-syrien-a-1091420.html

    Wie hätten Sie als Polizeibeamtin gehandelt?

     

    Wenn die Sabine so weitermacht, dann ist sie nicht meine Sabine.

  • Man kann nur hoffen dass die Petry verliert, damit sich so in der Öffentlichkeit das wahre gesicht dieser Partei zeigt.

    • @Rudolf Fissner:

      Das sehe ich völlig anders.

      Falls es Petry gelänge die AfD in eine Art CSU für Restdeutschland umzuwandeln mit vielleicht 10% im Bundestag wäre mir das lieber als eine 5% Gauland/Höcke Afd.

      Außerdem wird das wahre Gesicht einer Partei meiner Meinung nach auch stark von den Führungspersönlichkeiten beeinfluß.

  • Nach den schlechten Umfragewerten der AfD wird Petry doch wahrscheinlich Konsequenzen tragen müssen. Und wie Lucke wird sie wohl kaum gehen, ohne den eigenen Laden noch einmal als rechtsextrem zu bezeichnen.

     

    Sie sprechen da noch die möglichen Nachfolger an. Und ich stelle mir die spannende Frage, was denn da in Köln vor Ort geschieht angesichts eines Hausverbots für Höcke. Oder ist das Hausverbot schon wieder aufgehoben?

     

    Die Presse muss wohl wieder draußen vor der Tür bleiben - oder? Vielleicht ergibt sich aber die eine oder andere Unterhaltung mit Türstehern und Rausgeworfenen oder vorzeitig abreisenden Personen. Ich hoffe, der Lärmpegel der Gegendemonstranten mahct den Journalisten bei der Arbeit nicht zu sehr zu schaffen. :-D

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    "Sie benötige für ihre Wirksamkeit „ungefähr eine Generation, also 20-30 Jahre, wenn die Partei sich über diesen langen Zeitraum im politischen Spektrum behaupten kann“."

     

    Hahaha, das ist natürlich einen spitzen Angebot für Leute, die bis dahin in der Kiste liegen. Hat ja Humor, die Petry.

  • Petry, mach uns den Lucke!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Spitzbube:

      Höcke, mach auch den Lucke, dann sind wir schon drei oder gar vier Blaue?

  • Durchaus möglich das Frau Petry das selbe Schiksal ereilt, wie seinerzeit Herr Lucke. Selbst Schuld, sage ich mal.

     

    Im "Zauberlehrling" heißt es dazu passend: "Die ich rief die Geister ..."

    • @JensF:

      Gab sie nicht Lucke den Rat: "Wer mit den Rechten ins Bett geht darf sich nicht wundern, wenn man mit ihnen aufwacht"

       

      Mein Rat an Petry: "Wer mit Nazis ins Bett geht darf sich nicht wundern, wenn man gar nicht mehr aufwacht"

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Nochmal so eine kleine Spaltung und wir haben Ruhe.

    • @571 (Profil gelöscht):

      vorsicht !

      Denn wenn sich alle Rechten zusammenschließen, kann dieses

      zum Bollwerk werden und sie werden großen Zulauf bekommen.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @P-et-r-a:

        Diese Befürchtung teile ich nicht. Zumindest für absehbare Zeit ist die Zerstrittenheit unter ihnen viel zu groß, als dass es zu Zusammenschlüssen von der Mächtigkeit eines "Bollwerks" kommen könnte.

  • Frauke Petrys Zeit läuft ab. Wahlkampf, sinkende Umfragewerte (zurecht!) und eine AfD-interne Rechtsopposition, die sich ihrer eigenen Stärke noch nicht komplett sicher ist. In ein paar Monaten lässt die heiße Wahlkampfphase die angedachte Entscheidung nicht mehr zu; in einem Jahr werden die internen Machtverhältnisse wohl zugunsten der Ultranationalen geklärt sein. Jetzt hat Frau Petry noch ein paar Verbündete und ein wenig Manövrierraum. Scheitert sie, ist sie weg vom Fenster als (angebliche) Vertreterin einer realpolitischen Linie, die von der Partei zurückgewiesen wurde. Bin gespannt und hoffe auf zahlreiche Spaltungen der Partei!