Vor dem AfD-Parteitag in Köln: Frauke Petry stellt die Machtfrage
Die Parteichefin fordert, dass sich die AfD zwischen zwei Strategien entscheidet. Man könnte auch sagen: zwischen ihr und dem Gauland-Höcke-Duo.
Parteichefin Frauke Petry sieht das anders. Mehr noch: Sie fordert, dass sich die AfD zwischen den beiden Strategien entscheidet – und damit zwischen Gauland und dem Rechtsaußen Björn Höcke auf der einen und ihr auf der anderen Seite. Einen entsprechenden Antrag hat Petry für den Bundesparteitag eingebracht, der am 22. April in Köln zusammenkommt. Gauland wird darin namentlich erwähnt; Höcke, gegen den ein Parteiausschlussverfahren läuft, nicht.
In dem Antrag, über den zuerst der Stern berichtet hat, heißt es: „Die AfD entscheidet sich für den realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei.“ Ziel sei es, relative Mehrheiten in den Parlamenten zu realisieren. Die AfD solle daher perspektivisch auch koalitionsbereit sein. Im Kern ziele diese Strategie auf die emotional heimatlosen, immer noch konservativen Wähler gerade der CDU. „Diese Strategie ist komplexer, stellt höhere Anforderungen an Programm und Personal, könnte aber in kürzerer Zeitspanne zum Erfolg führen“, heißt es weiter.
Im Gegensatz dazu stehe eine langwierige, fundamentaloppositionelle Strategie. Als Beispiel dafür führt Petry ausgerechnet die in der AfD so verhassten Grünen an. Sie benötige für ihre Wirksamkeit „ungefähr eine Generation, also 20-30 Jahre, wenn die Partei sich über diesen langen Zeitraum im politischen Spektrum behaupten kann“. Die Vertreter der fundamentaloppositionellen Strategie wollten vor allem den gesellschaftlichen Diskurs verschieben und so Politik beeinflussen. Dazu würden auch abseitigere Meinungen und Standpunkte vertreten, man sei offen „gerade auch für Äußerungen außerhalb des bürgerlichen Korridors. Ein Verschrecken dieser oftmals mutlosen Klientel wird bewusst in Kauf genommen.“ Hier stellt Petry geschickt einen Zusammenhang zu den sinkenden Umfragewerten der AfD her. „Diese Strategie funktioniere auch mit geringen Prozentsätzen für die eigene Partei“, heißt es weiter.
Die Partei, fordert Petry, müsse sich entscheiden. „Kommen beide Strategien nebeneinander zum Einsatz, zerstört die fundamentaloppositionelle Strategie die realpolitische Strategie.“
Petry als alleinige Spitzenkandidatin?
Nun hat auch Petry selbst in der der Vergangenheit Positionen vertreten, die bürgerliches Klientel abschrecken dürften: Mal forderte sie, in letzter Konsequenz an der Grenze auch auf Flüchtlinge zu schießen, um sie an der Einreise zu hindern, mal dachte sie darüber nach, wie der Begriff „völkisch“ positiv besetzt werden könnte. Auch trifft sie sich gerne öffentlichkeitswirksam mit der Chefin des rechtsextremen Front National aus Frankreich, Marine Le Pen, und anderen europäischen Rechtspopulisten.
Ob Petry mit ihrem Antrag auf dem Parteitag Erfolg haben wird, ist völlig offen. Petry ist bekannt dafür, dass sie Mehrheiten organisieren kann, doch die Zusammenkunft in Köln ist kein Mitglieder- sondern ein Delegiertenparteitag. Auch reagieren AfD-Mitglieder oft negativ auf den Versuch von Machtkonzentration, das mussten gerade der bayerische Landeschef Petr Bystron und die Baden-Württembergerin Alice Weidel schmerzlich erfahren. Zudem weckt ein Erpressungsversuch an der Spitze ungute Erinnerung an Parteigründer Bernd Lucke, den die AfD vor zwei Jahren nach einem ähnlichen Versuch vertrieb.
Zunächst müssen Petry und ihre Unterstützer es schaffen, dass der Antrag, der inzwischen online steht und weitere Unterzeichner sucht, überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt wird. Unterschrieben hatten den Antrag zunächst nur acht Parteimitglieder. Außer Petry ist aus dem Bundesvorstand niemand dabei. Unterzeichnet haben die Fraktionschefs aus Rheinland-Pfalz und Mecklenburg Vorpommern, Uwe Junge und Leif-Erik Holm.
In der Partei wird der Vorstoß so gedeutet, dass Petry sich doch noch als alleinige Spitzenkandidatin durchsetzen will. Dazu passt ein Antrag, den der Rheinland-Pfälzer Junge eingebracht hat. Er fordert, Top 10 der Tagesordnung, wo es bislang um die Kür „der Spitzenkandidaten“ geht, auch die Möglichkeit eines einzelnen Spitzenkandidaten zu eröffnen. Anträge gibt es aber auch von der anderen Seite: In einem wird gefordert, das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke aufzuheben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr