Von der Leyens Wunsch-EU-Kommission: Männlich, konservativ, ambitioniert

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen stellt ihre neue Wunschkommission vor. Doch einige Kan­di­da­t:in­nen sorgen bereits jetzt für Ärger.

Ursula von der Leyen sitzt auf einem Podium im Straßburger Parlament

Ursula von der Leyen am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg: Hoffen auf ihre Wunschkommission Foto: Johanna Geron/reuters

Brüssel taz | Es war wahrlich eine schwere Geburt: Drei Monate nach der Europawahl – und eine Woche nach dem Zeitplan – hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europaparlament in Straßburg ihre neue, 27-köpfige Kommission vorgestellt. Sie bringt neue Gesichter, neue politische Prioritäten – und Ärger.

Statt um den Klimaschutz, wie noch bei von der Leyens erster Kommission vor fünf Jahren, geht es nun um Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. „Die neuen Schwerpunkte spiegeln wieder, in welcher Zeit wir leben“, sagte von der Leyen. Das Klima sei zwar weiter wichtig, doch der Wettbewerb sei härter geworden. Ihr Programm für die nächsten fünf Jahre hat sechs Prioritäten, darunter schwer verständliche Ziele wie die „technologische Souveränität“ oder den „sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang“, womit offenbar die Fortsetzung des Green Deals gemeint ist.

Ein diffuses Bild ergeben auch die neuen Jobs. Erstmals wird sich ein Kommissar, Litauens Ex-Premier Andrius Kubilius, mit Verteidigung beschäftigen. Dabei ist Brüssel dafür laut EU-Vertrag gar nicht zuständig. Neu sind auch Kommissare für Wohnungsbau (Dan Jørgensen aus Dänemark) und das Mittelmeer (Dubravka Šuica aus Kroatien). Gestrichen wurden die Stellen für Arbeits- und Sozialpolitik und für Gleichstellung. Für Verwunderung sorgte auch, dass von der Leyen ausgerechnet Österreichs Finanzminister Magnus Brunner mit der Asyl- und Migrationspolitik betraut hat, mitten im Wiener Wahlkampf ein fragwürdiges Signal.

Am meisten Ärger gibt es um den italienischen Kommissar Raffaele Fitto. Schon im Vorfeld gab es Widerstand gegen die Nominierung des Rechtsaußen-Politikers. Dass ihn von der Leyen nun zu ihrem Vizepräsidenten macht, sorgt für Unverständnis. Fitto soll sich um die Regionalförderung kümmern, was ihm Zugriff auf milliardenschwere EU-Fördertöpfe sichert.

Konstellation birgt Streit

„Kann ein Europafeind EU-Fördermittel verwalten“, fragt der Chef der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen. Für die Europäische Volkspartei EVP ist dies kein Problem: Fitto sei ein „überzeugter Europäer, ein Christdemokrat, einer aus dem bürgerlichen Lager“, sagt EVP-Chef Manfred Weber.

Als rechtslastig gelten auch der designierte Transportkommissar Apostolos Tzitzikostas aus Griechenland und Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi aus Ungarn. Várhelyi gilt als Gefolgsmann des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, der regelmäßig Front gegen die EU und die „Brüsseler Diktatur“ macht. Doch gegen eine zweite Amtszeit Várhelyi hat sich von der Leyen nicht gesträubt. Dass dies durchaus möglich gewesen wäre, zeigt der Fall des Franzosen Thierry Breton: Fünf Jahre lang war er mächtiger Wettbewerbskommissar. Doch dann schmiss dieser am Montag in letzter Minute hin.

Für Frankreich kommt nun der bisherige Außenminister und frühere liberale Europaabgeordnete Stéphane Séjourné. Er soll sich um die Industriepolitik kümmern. Damit erhält der Vertraute von Präsident Emmanuel Macron ein Schlüsselressort. Allerdings verfügt er über weniger Erfahrung als Breton. Die Estin Kaja Kallas ist als Außenbeauftragte vorgesehen. Sie gilt als Hardlinerin in der Russlandpolitik. Die bisherige spanische Umweltministerin Teresa Ribera soll für die Umsetzung der Klimaziele sorgen. Dabei muss die Sozialistin mit dem konservativen Niederländer Wopke Hoekstra zusammenarbeiten, der für neue Klimagesetze zuständig ist. Da ist Streit programmiert.

Insgesamt fällt die neue EU-Kommission konservativer und männlicher aus als die letzte. Die CDU-Politikerin von der Leyen belohne nicht nur Rechtsnationale, sondern habe nur elf Posten weiblich besetzt, bemängelte der Vorsitzende der Europa-SPD, René Repasi. Sie habe für mehr Frauen gekämpft, rechtfertigte sich von der Leyen. Ob ihr neues Team wie geplant am 1. November die Arbeit aufnimmt, ist nicht sicher. Zunächst werden alle Kandidaten noch vom Europaparlament „gegrillt“. Dabei werden immer wieder Kommissare abgelehnt oder die Aufgaben neu verteilt. Zudem kann es Verzögerungen geben – als realistischer gilt daher ein Start im Dezember.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben