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Von Russland besetztes AtomkraftwerkIAEA will bleiben

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist erneut vom Stromnetz getrennt. UN-Inspektoren drängen auf eine ständige Präsenz auf dem AKW-Gelände.

Atomkraftwerk Saporischschja: Zwei IAEA-Inspektoren sollen länger bleiben Foto: Sergei Malgavko/TASS PUBLICATION

Berlin taz | Die Inspektionsreise der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEA) zum russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine könnte den Weg zu Gesprächen über eine Internationalisierung der Kontrolle über Europas größtes AKW ebnen. Zum einen ist eine dauerhafte Präsenz von IAEA-Inspektoren auf dem Kraftwerksgelände geplant, zum anderem stehen Verhandlungen unter türkischer Vermittlung in Aussicht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan telefonierte am Freitag zum wiederholten Mal mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Wie das Präsidialamt in Ankara mitteilte, bot er an, dass die Türkei im Konflikt um das AKW „eine Vermittlerrolle“ einnehmen könne, „wie sie es bereits beim Abkommen über das Getreide getan“ habe.

Unter Vermittlung der Türkei und der UNO hatten Russland und die Ukraine im Juli in Istanbul separate Abkommen zur Wiederaufnahme der ukrainischen Getreideexporte unterzeichnet. Zuvor waren diese monatelang von Russlands Marine blockiert gewesen. Die Abkommen ermöglichten ihre Wiederaufnahme. Allein am Sonntag verließen nach ukrainischen Angaben 13 Getreideschiffe die ukrainischen Häfen.

Am Donnerstag hatte ein 14-köpfiges IAEA-Expertenteam das AKW Saporischschja besucht, unter Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi. Der reiste am gleichen Tag wieder ab, sechs Inspektoren blieben nach russischen Angaben jedoch in der Anlage, zwei sollen länger bleiben. Grossi sprach von einer „dauerhaften Mission“. Hier gibt es aber wohl Unstimmigkeiten mit den russischen Besatzern, die davon ausgehen, dass die Mission am Montag endet.

„Der Unterschied zwischen der Anwesenheit der IAEA vor Ort und unserer Abwesenheit ist wie Tag und Nacht“, erklärte Grossi am Samstagabend. So habe sein Team zu den jüngsten Entwicklungen „direkte, schnelle und verlässliche“ Informationen erhalten.

Neue Bombardements in der Zone

Denn am Samstag wurde laut IAEA erneut die letzte verbliebene Hauptstromleitung zwischen dem AKW und dem ukrainischen Stromnetz abgeschnitten. Die Leitung sei „nach neuen Bombardements in der Zone“ gekappt worden. Die Verbindung zum ukrainischen Stromnetz werde nun über eine Reserveleitung aufrechterhalten. Bereits am 25. August war die letzte der einst vier Hauptleitungen abgetrennt worden, allerdings nur für einen Tag.

Die IAEA teilte außerdem mit, nur einer der sechs Reaktoren in Saporischschja arbeite noch. Er „liefert über die Reserveleitung Elektrizität mit begrenzter Kapazität an das Energiesystem der Ukraine“ und versorge auch das AKW selbst, erklärte die ukrainische Atombehörde Energoatom. Wegen des „fortgesetzten Beschusses durch die russischen Besatzer“ habe ein anderer Reaktor abgeschaltet werden müssen. Die übrigen vier waren schon abgeschaltet.

Derweil dauerten heftige Kämpfe im Süden und Osten der Ukraine an. In zwei Frontbereichen meldeten ukrainische Streitkräfte Durchbrüche russischer Verteidigungslinien.

Die zunehmenden ukrainischen Erfolge im Feld könnten Russland zu einer Mäßigung seiner politischen Linie bewegen, wird nun in der Ukraine spekuliert. Die Zeitung Ukrainska Pravda meldete am Sonntagnachmittag, in Moskau habe Kremlsprecher Dmitri Peskow Verhandlungen mit der Ukraine in Aussicht gestellt – seit April war davon keine Rede mehr gewesen. (mit afp)

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3 Kommentare

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  • > Er „liefert über die Reserveleitung Elektrizität mit begrenzter Kapazität an das Energiesystem der Ukraine“ und versorge auch das AKW selbst



    Deutsche Kernkraftwerke wurden für jeden Fliegendreck abgeschaltet (richtigerweise und richtliniengemäß) und jede kleine Störung an einem redundanten Nebenaggregat von der Presse zum Beinahegau aufgeblasen. Und hier bleibt ein Kraftwerk unter solchen Bedingungen in Betrieb? Jeder nach westlichem Standard ausgebildete Reaktortechniker würde hier sofort (geordnet und langsam) komplett herunterfahren. In der ersten halben Stunde nach einem Abschalten entsteht massive Abwärme und extreme Strahlung aus kurzlebigen Spaltprodukten. Schon nach 24 h ist beides auf einen sehr niedrigen und leicht beherrschbaren Restwert abgeklungen. Ja, dieselbetriebene Notstromaggregate sind vorhanden und, mit Reserven, für den Fall einer Schnellabschaltung ausgelegt. Trotzdem würde kein Verantwortlicher es mutwillig und bewußt darauf ankommen lassen. Was passiert, wenn geschultes Personal auf Druck von oben gezwungen wird, wider besseres Wissen zu handeln, haben wir in Chernobyl gesehen.



    Und Sie beklagen in Ihrer Diktion mehr die vier abgeschalteten als den einen in dieser Lage weiterbetriebenen Reaktor!

    • @Axel Berger:

      Gerade wenn der Strom von außen fehlt dürfen sie das Kraftwerk unter keinen Umständen abschalten denn dann versagen nach kürzester Zeit die Kühlpumpen.

      Leider haben viele Menschen die Vorstellung ein KKW würde man ausschalten wie einen Rasenmäher oder einen Fön.



      Aber das ist Quatsch. Man unterbindet nur die Bildung neuer radioaktiver Kerne. Mehr kann man nicht tun. Die schon vorhandenen Kerne zerfallen von selbst weiter ohne dass man darauf Einfluß nehmen kann. Und die dabei entstehende Wärme muss weg.



      Sonst kommt es zur Kernschmelze.

      • @Bolzkopf:

        Erstens ist das falsch, die Gründe habe ich oben explizit genannt, und zweitens schaltet man eben deshalb frühzeitig ab, solange die externe Netzverbindung, die letzte von vier(!) noch besteht und hoffentlich die ersten, kritischen 24 Stunden bestehen bleibt.