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Volksentscheid übers GrundeinkommenStinkt Geld aus Amerika besonders?

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

In Hamburg macht ein Newsletter Stimmung gegen das Volksbegehren für einen Grundeinkommens-Versuch – weil auch eine US-Stiftung dahintersteht.

Nur mit auswärtiger Unterstützung möglich? Kampagne fürs Grundeinkommen in Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

N och drei Wochen, dann können die Ham­bur­ge­r:in­nen darüber entscheiden, ob ihre Stadt einen dreijährigen Modellversuch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen startet – und finanziert, mit immerhin fast 50 Millionen Euro aus dem Steuersäckel.

Nun hat eine Debatte darüber begonnen, wer die Kampagne finanziert hat, die zu diesem Volksentscheid geführt hat – losgetreten vom „Hamburger Tagesjournal“, eigentlich ein per E-Mail vertriebener News-Aggregator, der im Wesentlichen Links zu anderen Medien mit bisweilen spitzen Bemerkungen garniert; und dankbar aufgegriffen von der Welt.

Das Geld kommt nämlich zum großen Teil von drei Stiftungen, die – Skandal! – gar nicht in der Stiftungshauptstadt Hamburg ansässig sind. Die bekannteste unter ihnen ist die des verstorbenen DM-Drogeriekettengründers Götz Werner, der schon vor Jahrzehnten für ein Grundeinkommen gestritten hat.

Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Tagesjournal jedoch die Eutopia Foundation des deutschstämmigen Investors Albert Wenger mit Sitz in Wilmington, North Carolina. Auch der beschäftigt sich seit langer Zeit mit der Frage, wie die Verteilung von Einkommen nach der Arbeitsgesellschaft organisiert werden kann, ist also thematisch stark motiviert. Für das Zustandekommen des Grundeinkommens-Entscheids hat er 200.000 Euro in die Hand genommen, nicht ganz ein Drittel des Gesamtbudgets.

Ist ausländisches Geld schlimm, oder schon auswärtiges?

Aber darf „ausländisches Geld“ Einfluss auf Gesetzgebung in Hamburg nehmen, fragt das Tagesjournal, das immer seltener ohne einen antiamerikanischen Seitenhieb auskommt. Oder, so der Subtext in der Welt, ist nicht schon Geld aus Berlin, Bochum oder Karlsruhe irgendwie zu auswärtig für unser schönes Hamburg?

Es überwiegen die Hemmungen der direkten gegenüber der parlamentarischen Demokratie

Joy Ponader, Grundeinkommens-Aktivistin

Man muss nicht derartig borniert sein, um Fragen nach der Finanzierung von Volksentscheiden relevant zu finden. „Das ist ein heikles Thema“, sagt Michael Heering, aktiv im Verein Mehr Demokratie, der die Volksgesetzgebung in Hamburg in der heutigen Form erst durchgeboxt hat – per Volksentscheid. „Wir finden es fragwürdig, dass eine Institution aus den USA das Volksbegehren für den Grundeinkommens-Versuch unterstützt. Denn man weiß nicht, aus welchen Motiven das geschieht.“

Die Finanzierung von Volksentscheiden ist in Hamburg, anders als die Parteienfinanzierung, praktisch gar nicht geregelt. Im Gesetz steht nur, dass keine Staatsknete reinfließen darf und dass Zuwendungen oberhalb von 2.500 Euro im Rechenschaftsbericht transparent gemacht werden müssen.

Ohne Groß­spen­de­r:in­nen sei ein Volksentscheid praktisch nicht zu stemmen, heißt es von der Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“, vor allem wegen der hohen Quorums-Hürden und engen, starren Fristen. „Unter dem Strich überwiegen immer noch die Hemmungen der direkten gegenüber der parlamentarischen Demokratie“, sagt Aktivistin Joy Ponader.

Theoretisch könnte man sich einen Volksentscheid kaufen

Auch wenn es beim Grundeinkommen ganz anders ist: Theoretisch könnte sich ein Milliardär von irgendwo einen Volksentscheid in Hamburg „kaufen“, ein paar Hundert Millionen für ein populistisches Thema in die Hand nehmen, eine Armee gut bezahlter Stimmensammler in Marsch schicken, die gezielt in anhand soziodemografischer Daten ausgewählten Quartieren Kampagne machen.

Wenn er zufällig auch noch einen weltweit verbreiteten Kurznachrichtendienst besäße, würde das die Sache sicher erleichtern. Es wäre dann an den Hamburger:innen, dagegen zu mobilisieren und an der Urne zu entscheiden, dass der Gesetzentwurf nicht durchkommt.

Der Stadtstaat Hamburg ist ein gutes Pflaster für so was: Er ist klein und kompakt genug, um die Ausgaben in Grenzen zu halten, verspricht aber durch seinen Status als Bundesland große Aufmerksamkeit. Und er hat eine vergleichsweise weit reichende Volksgesetzgebung.Das wiederum haben auch die Grundeinkommens-Fans verstanden.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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22 Kommentare

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  • Jetzt mal unabhängig von der Finanzierung der Kampagne, gibt es ja schon einige Untersuchungen dazu z.b. hier



    www.mein-grundeinkommen.de/



    Wenn man mit den hier angesprochenen 1200€ zurecht kommt müsste man theoretisch nicht arbeiten. Mir wäre das zu wenig außerdem habe ich einen Beruf. Dauerhaftes Abhängen in knappen Verhältnissen ist bei den meisten Menschen jetzt nicht sicher nicht der Lebensplan.

  • Es wird nicht klappen. Geld selbst hat ja keinen inhärenten Wert, knapp sind die Güter und Dienstleistungen die man gemeinhin damit im Tausch erwirbt. Erhöhe ich schlicht die Geldmenge, dann habe ich noch lange nicht mehr Güter und Dienstleistungen. Im Gegenteil dürfte es von beidem sogar weniger geben, wenn Menschen meinen angesichts des BGE nicht arbeiten und damit Werte schaffen zu müssen. Folglich werden schlicht die Preise steigen und es ist nichts gewonnen. Eigentlich gar nicht so schwierig nachzuvollziehen.

    • @Fran Zose:

      So einfach ist es in der Realität halt nicht.



      Erstes erhöht ein steuerfinanziertes BGE nicht die Geldmenge. Zweitens: In Pilotprojekten im Globlen Süden, wo wirklich Geld "von außen" reinkam, hat sich die Produktion einfach an die höhere Nachfrage angepasst (Wirtschaft angekurbelt).



      Drittens schafft nicht jede bezahlte Arbeit Werte, Stichwort "Schadarbeit" (Günther Moewes). Es gibt auch keine Evidenz dafür, dass Menschen aufhören zu arbeiten, insbesondere was die wirklich sinnvolle/notwendige Arbeit angeht.



      Wenn Sie sich mit dem Thema wirklich auseinandersetzen wollen, sollten Sie Scott Santens' Text "17 Key Variables That Determine UBI’s Inflationary Impact" lesen, wir werden das auch noch übersetzen.

      • @Eric Manneschmidt:

        Wenn es so einfach ist wie Sie sagen, warum hat dann noch niemand das BGE? Sind die alle dumm und wollen keinen anstrengungslosen Wohlstand? Wir kommen nicht daran vorbei: Werte müssen erwirtschaftet werden; nur was ich erwirtschafte kann ich auch verteilen. Welchen Rahmen wir für die Verteilung schaffen, ob wir überhaupt etwas verteilen und nach welchen Kriterien unterliegt einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess und das ist auch gut so. Aber das reine Verteilen von Geld schafft nun mal keinen Wert. Würde man mir ab morgen mein Gehalt einfach ohne Gegenleistung zahlen, dann würde ich ziemlich sicher aufhören zu arbeiten und ich nehme stark an ich wäre nicht der Einzige. Selbst wenn nur 30% es mir gleich tun würden, würde es zu einem großen Einbruch im Angebot führen, damit zu einer Verknappung der Güter und in Folge zu höheren Preisen. Alternativ kann das BGE so niedrig festgelegt sein, dass ich lieber weiter mein gutes Gehalt beziehe. Aber genau das haben wir ja letztlich bereits mehr oder weniger mit dem Bürgergeld.

        • @Fran Zose:

          Haben Sie meinen Kommentar überhaupt gelesen?

          Ich habe den Eindruck, dass Sie die Grundidee des BGEs nicht im Ansatz verstanden haben. Der große Witz ist, dass Sie - egal wie hoch oder niedrig das BGE ist - auf jeden Fall finanziell IMMER besser stehen mit einem zusätzlichen Gehalt/Erwerbseinkommen. Das BGE deckt Grundbedürfnisse, wie der Name schon sagt, alles weitere müssen Sie selbst finanzieren.



          Das haben wir heute eben nicht, weil z.B. beim Bürgergeld Erwerbseinkommen zum größten Teil angerechnet wird, d.h. es lohnt sich HEUTE eben kaum, etwas dazuzuverdienen.

  • Ausländisches Geld hin oder her: Die ganze Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist ohnehin absurd. Wo sollte denn die Finanzierung herkommen, wenn sich das Volk ganz im Stil spätrömischer Dekadenz vom Staat alimentieren lässt? Und ein Test über drei Jahre schon erst recht, weil er keine Aussage über die Finanzierbarkeit bei Umsetzung im großen Stil erlaubt.

    • @PeterArt:

      Dazu gibt es Berechnungen, wie das ganze funktionieren könnte. Wenn es Sie interessiert, dann lesen Sie sich mal ins Thema rein...

    • @PeterArt:

      Absurd ist daran gar nichts. Das Grundeinkommen ist ja nicht nur bedingungslos, sondern auch niedrig genug, um die meisten Menschen zur Arbeitssuche zu motivieren. Sozialhilfe kostet den Staat mehr und "normale" Menschen haben gern etwas mehr Kohle.

    • @PeterArt:

      Ist übrignes immer witzig, wenn das BGE (oder andere Transferleistungen mit der Zielsetzung, dass es den weniger Begüterten besser gehe) mit "spätrömischer Dekadenz" assoziiert werden. Denn die war ja ein Phänomen der Reichen, der Oberschicht (und heute ist das auch so).



      Das BGE hat sicherlich viel mehr mit dem Urchristentum zu tun als mit spätrömischer Dekadenz, wenn man sich schon mit historischen Parallelen beschäftigen will.

  • Offenbar können Befürworter eines Grundeinkommens nicht rechnen. Hier mal eine Musterrechnung für einen Alleinstehenden, BGE 1200€. Und es muss klar sein - BGE heisst, es gibt NUR das, und nichts on Top. Keine Erstausstattung, keinen Mietzuschuss, keine Ermässigungen irgendwo.



    - Miete mind. 600€ - in Hamburg eher 700-800€



    - Krankenversicherung + Pflegeversicherung 200-220€ (Mindestbeitrag heute)



    - also bleiben je nach Wohnort zwischen 380€ und 200€ - für den ganzen Rest. Uuups - das ist ja deutlich weniger als Bürgergeld....

    50% der Bürgergeldempfänger haben keinen deutschen Pass - also gibts auch kein BGE. Kinder fallen vermutlich auch raus und bekommen deutlich weniger.



    Wo ist dann da der Fortschritt?

    • @Sandra Becker:

      An alle Kritiker von Sandra Becker. Faktisch stimmt schon, was sie sagt. Quellen hätte sie natürlich angeben können. Logischerweise findet man das bei der Initiative selbst bzw. dem dort verlinkten Konfigurator: finanzierung.mein-...en.de/konfigurator

      "Das Grundeinkommen ist eine monatliche Zahlung an alle Menschen, die ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben. Hier können Sie einstellen, wie hoch es sein soll. Damit es armutsfest ist, sollte es mindestens 1.200 € pro Monat betragen. Je höher das Grundeinkommen, desto höher sind die Ausgaben des Staates. Den höheren Ausgaben sollten in gleichem Maße Steuereinnahmen gegenüberstehen, damit die Staatsbilanz auch mit dem Grundeinkommen dauerhaft ausgeglichen ist."

      Maximal sind dort 1500,- einstellbar.

      • @Matt Olie:

        Ein cooler Rechner. Vielen Dank für den spannenden Link! Ich habe das für eine fünfköpfige Familie (1200 €, 1/2 für Kinder) mit den möglichen Finanzierungen einmal durchgespielt (also auch 50% ESt, teilweise Anrechnung auf Rente und 100% auf Kapitalerträge usw. -> keine höhere Unternehmensbesteuerung) und die kommt deutlich besser weg als heute. Bei ausgeglichenem Staatshaushalt und einem Rückgang der Armutsgefährdung um 11 Mio. Menschen oO

    • @Sandra Becker:

      An einigen Punkten stellen Sie in Ihrem Kommentar Behauptungen auf, bei denen ich teils große Zweifel habe:



      - "BGE heisst, es gibt NUR das, und nichts on Top" -- so wie ich es verstanden habe bekommt hier in diesem Modellversuch für die 3 Jahre niemand unterm Strich weniger Geld. Andere Tranferleistungen fließen weiterhin und es wird nur bis 1346€ aufgestockt, falls man darunter liegt.



      - welche Ermäßigungen fallen weg?



      - gibt es irgendeinen Hinweis, dass man ohne deutschen Pass von dem Projekt ausgeschlossen wird? Wo steht das? Ich habe das nirgendwo gelesen.



      - Kinder erhalten bis 575 €. Kindergeld und anderes werden verrechnet, es wird aber auch hier nichts weggenommen sondern nur bei Bedarf aufgestockt

      Das waren zumindest die Ergebnisse meiner kurzen Recherche.

      Ich denke man sollte fair bleiben und nicht davon ausgehen, dass hier jemand Anspruch auf das perfekte Modell erhebt. Es ist ein Forschungsprojekt, für das eine Gesetzesänderung notwendig ist, da es aus dem eigenen Haushalt finanziert werden soll. Mit einer großen aber begrenzten Zahl von Teilnehmenden und unterschiedlichen Versuchsgruppen.

    • @Sandra Becker:

      Inwiefern ist Geld fürs Nichtstun überhaupt ein Fortschritt?

    • @Sandra Becker:

      Es ist ja nicht gesagt (und in meinen Augen auch nicht sinnvoll), dass man vom BGE dann nochmal Sozialabgaben bezahlen muss.



      Es gibt auch keinen Grund, das BGE auf deutsche Staatsbürger zu beschränken - und Kinder müssen natürlich auch eins bekommen.



      Der große Fortschritt beim BGE ist aber auf jeden Fall, dass es alle bekommen, also auch die heute verdeckt Armen und die Working Poor. Und dass niemand mehr dafür stigmatisiert wird oder seine Unterwürfigkeit durch das Ausführen von unsinnigen Maßnahmen etc. demonstrieren muss.

      • @Eric Manneschmidt:

        Nachtrag: Hier ein guter aktueller Artikel über das Räderwerk der Jobcenter im nd: www.nd-aktuell.de/...r-maschinerie.html



        Das wäre mit dem BGE Geschichte.

        @Heiner Siegeroth: Das BGE ist nicht "Geld fürs Nichtstun", sondern Geld zum Leben (siehe GG) und Geld fürs selbstbestimmt Tätigsein. Es gibt nämlich eh genug zu tun, nur meist wird man dafür nicht bezahlt.

    • @Sandra Becker:

      Miete geht auch unter 400€ bei 1 Person.



      Aktuelles Angebot aus Chemnitz: 329€ warm.



      Das wären dann also schon ganze 651€ und damit deutlich mehr als Bürgergeld.

      Zugegeben man muss dann eben in der billigsten Stadt leben (Chemnitz), auf dem Land oder in einer WG, oder in einem Bauwagen, aber man kann durchaus mehr Geld haben , als beim Bürgergeld.

      Aber ja ganz ohne Sozialleistungen geht es in den meisten Fällen nicht.

      • @sociajizzm:

        Chemnitz ist nicht Hamburg. Es geht hier ausschließlich um Hamburg.

    • @Sandra Becker:

      Wenn ein BGU wirklich bedingungslos sein soll, kann die Staatsangehörigkeit kein Kriterium sein.

    • @Sandra Becker:

      Einfach mal ne niedrige Zahl in den Raum werfen um den Befürwortern Blödheit zu unterstellen. 700-800 € für Miete würde eine einzelne Person auch mit Bürgergeld nirgends bekommen. Wieviel und wer steht noch gar nicht fest.

  • Das US-Kapital am Schwitzen.

  • Das Argument der Initiatoren, ohne Großspender gehe es wegen der engen Vorgaben nicht, ist gefährlich: Ob sie aktuell Recht haben oder nicht, ein Volksentscheid muss machbar sein. Wenn es aktuell zu schwierig ist, müssen vielleicht die Fristen länger werden. (Zu niedrige Quoren würden zu zu vielen Volksbegehren ohne ausreichende Relevanz für die meisten führen und wären damit ebenfalls ein Problem.)

    Wenn Volksbegehren eine echte politische Rolle spielen sollen, dann muss die Finanzierung genauso streng überwacht werden wie bei Parteien. Oder man führt das totale Laissez-faire in beiden Fällen ein - alles andere ist Unsinn.