Völkerrecht für Kinder: Kein Umweltschutz unter 18 Jahren
Das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) sieht Mängel bei der deutschen Umsetzung von Völkerrecht. Leidtragende sind die Kinder.
Deutschland setzt umweltbezogene Kinderrechte aus völkerrechtlichen Verträgen nicht ausreichend um. Zu diesem Schluss kommt eine noch nicht veröffentlichte Studie des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU), die der taz vorliegt. Das UfU erhofft sich eine „ambitioniertere und effektivere Umweltpolitik“, wenn sich Kinderrechte und Umweltschutz „gegenseitig stärken und begünstigen“.
Die Studie verweist auf die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) und die Aarhus-Konvention. Die KRK setzt weltweit Standards für Kinderrechte, enthält aber keine spezifischen Umweltrechte. Die Aarhus-Konvention enthält dagegen Rechte auf Information, Beteiligung und Zugang zu Gerichten in Umweltfragen, die aber nicht spezifisch auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet sind.
Zusammengedacht wurden Kinderrechte und Umweltschutz vom UN-Kinderrechtsausschuss 2023 in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 26, auf die sich UfU deshalb vor allem bezieht. Der Ausschuss postuliert ein Recht der Kinder auf eine gesunde Umwelt und auf Information und Beteiligung in Umweltbelangen. Die Äußerungen des Kinderrechtsausschusses sind nicht verbindlich, können von Gerichten aber zur Interpretation herangezogen werden. Im UN-Sprachgebrauch gelten auch Jugendliche bis 18 Jahren als „Kinder“.
Grundrechte gelten auch für Kinder
Die Ufu-Studie räumt ein, dass die Grundrechte des Grundgesetzes auch Kinder umfassend schützen. So sei anerkannt, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit den Schutz vor Umweltbelastungen „auch für Kinder“ einschließt. UfU vermisst aber oft eine ausdrückliche Erwähnung der Kinderrechte.
Spezifische Anforderungen mit Blick auf Kinder und Jugendliche gebe es aber, so UfU, zum Beispiel bei Informationsrechten. Das Umweltinformationsgesetz gebe zwar einen weitreichenden Auskunftsanspruch, allerdings seien die Informationen zur Umweltqualität „meist in technischer Fachsprache verfasst“ und für Kinder nicht verständlich. Im Ergebnis geht es UfU aber wohl eher um „altersgerechte Unterrichtsmaterialien zu Themen wie Klimawandel, Biodiversität und Umweltschutz“ als um den kindgerechten Zugang zu behördlichen Umweltmeßdaten.
Erstaunlicherweise wird Fridays for Future, die größte Jugend-Umweltbewegung, die es in Deutschland je gab, nicht einmal erwähnt. Dabei hatten Jugendliche hier wirklich von 2019 bis etwa 2021 die gesellschaftliche Agenda mitgeprägt. In dieser Zeit beschloss der Bundestag ein relativ fortschrittliches Klimaschutzgesetz, das Bundesverfassungsgericht verkündete ein Recht auf Klimaschutz und die Bundestagswahl 2022 ermöglichte die Bildung der Ampelkoalition.
Dann aber zog die Klimagruppe Letzte Generation die Aufmerksamkeit auf sich. Die internationale Fridays-for-Future-Bewegung um Greta Thunberg wandte sich anderen Zielen zu, insbesondere der Palästina-Solidarität. Und unter deutschen Jugendlichen wurden entsprechend dem Zeitgeist andere Themen wichtiger. Dass Jugendliche heute also nicht mehr die Klimapolitik vor sich her treiben, hat viele Gründe, aber sicher nicht die mangelhafte Umsetzung von umweltbezogenen Kinderrechten.
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