Visegrad-Länder in der Flüchtlingskrise: Die EU soll in Ungarn enden
Die Visegrad-Gruppe bekennt sich zum Abkommen mit der Türkei, um die Zahl der Flüchtlinge zu verringern. Am meisten ging es aber um den Plan B.
In einem gemeinsamen Memorandum, sekundiert von Bulgarien und Mazedonien, die als Gäste am Treffen teilnahmen, übertrug die Visegrad-Gruppe Ficos Erklärung dann in einen diplomatischen Wortlaut. „Die Vorsitzenden der Regierungen der Visegrad-Gruppe drückten den Maßnahmen, die auf EU-Ebene getroffen worden sind, mit dem Ziel ihre Außengrenzen besser zu schützen, ihre volle Unterstützung aus“, heißt es in der Abschlusserklärung.
Sollten sich diese Maßnahmen als ineffektiv erweisen, also die Zusammenarbeit mit der Türkei sich nicht so entwickeln wie erwartet, wird die Visegrad-Gruppe auf einen alternativen Plan bestehen. Denn Mitteleuropa ist sich einig: Wird der Flüchtlingsstrom nicht bald gestoppt, dann „könnten die Grundlagen der Europäischen Union in Zweifel gezogen werden“, was „ernsthafte negative wirtschaftliche, soziale und symbolische Auswirkungen“ mit sich bringen würde.
„Wir wollen alle, dass das Abkommen der EU mit der Türkei funktionieren wird“, sagte der tschechische Staatssekretär für EU-Angelegenheiten, Tomáš Prouza. Denn, so Prouza, es sei besser, den Flüchtlingsstrom in der Türkei aufzuhalten, weiter drin in Europa würde das viel komplizierter werden.
Kein Vertrauen in Griechenland
In ihrem „Plan B“, wie Tschechiens Ministerpräsident Bohuslav Sobotka das Ergebnis des Prager Treffens nennt, fordert die Gruppe auf eine Art Schengen-Notaußengrenze im Süden Ungarns. „Ich bin überzeugt, dass Griechenland nicht fähig ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, wenn es um den Schutz der Schengen-Grenzen gilt“, sagte der slowakische Premier Robert Fico.
Gleichzeitig fordert die Gruppe eine Stärkung der Grenzkontrollen auf dem Westbalkan. „Diese Staaten dürfen in der Krise nicht alleine bleiben, die ganze EU muss ihnen helfen“, sagte Sobotka, der als Gastgeber auch die Regierungschefs Bulgariens und Mazedoniens zum Summit eingeladen hatte.
Seit Beginn des Jahres unterstützen die Visegrad-Länder Mazedonien personell und finanziell bei Grenzsicherung. Für den psychologischen Kopfstreichler sorgte dann das Summit-Memorandum, das Mazedonien Unterstützung bei seinem EU-Beitritt zusicherte.
Im alten Europa fühlte man sich von dem Summit etwas auf die Zehen getreten. Die Visegrad-Gruppe benehme sich unsolidarisch und falle Merkel in den Rücken, kritisierten Beobachter in Brüssel und Berlin. Man sehe die Sicherheitslage eben etwas anders, entgegnete Fico den Kritikern, in üblicher Schärfe: „Mir scheint, vielen europäischen Politikern fehlt in der Migrationskrise der Sinn für die Realität“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?