Wiederaufbau der Dresdner Carola-Brücke: Vierspurig über die Elbe
Am Donnerstag könnte der Dresdner Stadtrat eine autofreundliche Brückenvariante beschließen. Doch Verkehrsexpert:innen warnen vor den Folgen.

Seit Monaten debattiert die Dresdner Stadtgesellschaft hitzig darüber, in welcher Form die Carola-Brücke wiederaufgebaut werden soll. 1971 errichtet, war das Bauwerk eine der vier Elbbrücken Dresdens. Als Verbindung zwischen Alt- und Neustadt in zentraler Lage war sie entsprechend viel befahren. Im September 2024 kollabierte die 375 Meter lange Brücke im laufenden Betrieb, verletzt wurde zum Glück niemand.
Aufgrund der verkehrspolitischen Bedeutung will Dresdens Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) die Brücke so schnell wie möglich wiederaufbauen. Bislang strebt die Verwaltung einen sogenannten Ersatzneubau an. Durch die entsprechende Richtlinie im Baurecht können einige langwierige Planungsschritte übersprungen werden, solange die Dimensionen des Vorgängerbauwerks nicht überschritten werden.
Da die Anforderungen für die Breite von Rad- und Fußwegen gestiegen sind, plante Kühn, die neue Brücke mit zwei statt vier Spuren für den Autoverkehr wiederaufzubauen. Mit dem Schnellverfahren wäre auch eine breitere Beteiligung des Dresdner Stadtparlaments vom Tisch. Dagegen rebellierte vor allem die CDU, die sich mit der Zweispurigkeit nicht abfinden wollte.
Mehr Mitbestimmung und mehr Spuren
Zusammen mit den rechts-mittigen Fraktionen von FDP und Team Zastrow forderte sie in einem Stadtratsantrag einen Ingenieurswettbewerb und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Auch solle die neue Brücke wie bisher mit vier Spuren für den motorisierten Individualverkehr wiederaufgebaut werden. Der Antrag hat gute Erfolgsaussichten. Am Montag sprach sich bereits der Verkehrsausschuss mit einer knappen Mehrheit für einen Beschluss aus.
„Es geht um Zukunftssicherheit“, sagt Verkehrspolitiker Veit Böhm, der für die CDU im Stadtrat sitzt. Für den Autoverkehr würde sich nichts verändern, zusätzliche Spuren könne man in Zukunft immer noch umwidmen, etwa in Spuren für autonome Busse.
Doch mit den vier Autospuren würde die Brücke deutlich breiter werden als ihr Vorgänger. Statt der bisherigen 34 Meter würde sie auf 41 Meter anwachsen. Das wiederum treibt die Kosten in die Höhe und macht im schlimmsten Fall das reguläre Planungsverfahren notwendig, weil die Ersatzneubauregelung nicht mehr gilt, fürchtet der Dresdner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Florian Wendler, BUND Dresden
„Da wird eine Stadtautobahn hinbetoniert, die einen klaren Anreiz setzt“, sagt Florian Wendler, Geschäftsführer des BUND Dresden. Der umweltpolitische Verein plädiert für eine möglichst schmale Variante. Diese sei nicht nur kostengünstiger für das kürzungsgeplagte Dresden, sondern auch verkehrspolitisch sinnvoller.
Brücken als „verkehrliche Schlüsselstellen“
Bis zuletzt waren die Verkehrszahlen in Dresden rückläufig. Laut aktueller Prognose wäre das Kfz-Aufkommen auf der Carola-Brücke bis 2030 um ein weiteres Drittel gesunken. Wendler fürchtet, dass die vierspurige Variante wieder mehr Verkehr in die Innenstadt lockt. Für die aufwendige Ortsumfahrung, die gerade um Dresden gebaut wird, gäbe es dann für Autofahrer:innen kein Grund mehr.
Die Sorge teilt eine Gruppe von 15 Verkehrsforscher:innen, die sich vergangene Woche mit einem offenen Brief an den Stadtrat wandten und sich deutlich gegen die vierspurige Variante aussprachen: „Brücken sind verkehrliche Schlüsselstellen, dort gesetzte Prioritäten strahlen weit in das regionale Verkehrsnetz hinein.“
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