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Vier-Tage-WocheNicht unter jeder Bedingung

Gastkommentar von Norbert Reuter

An vier Tagen dasselbe leisten wie bisher an fünf? Nicht in jedem Beruf ist das möglich, und nicht jeder kann sich weniger arbeiten leisten.

Ein für alle gleichermaßen „perfektes“ Arbeitszeitmodell kann es nicht geben Foto: Marijan Murat/dpa

N ur noch vier Tage pro Woche arbeiten? Hört sich gut an! Erst recht, wenn Studien aus anderen Ländern zeigen, dass dies sogar ohne Lohnverlust möglich sei. Müssten da nicht gerade die Gewerkschaften sofort mitmachen? Der Teufel steckt aber auch hier im Detail. Denn entscheidend ist die konkrete Umsetzung. So lässt in Deutschland das Arbeitszeitgesetz aus guten Gründen des Gesundheitsschutzes im Durchschnitt nur acht Stunden Arbeit pro Tag zu.

Bei einer 4-Tage-Woche wären also maximal 32 Stunden pro Woche möglich. Das würde eine Arbeitszeitverkürzung von rund 20 Prozent erfordern, da Vollzeitbeschäftigte heute in der Regel 40 Stunden pro Woche arbeiten. Ohne vollen Lohnausgleich könnten sich das aber nur Besserverdienende buchstäblich „leisten“ – und das nicht erst, seit die Inflation so hoch ist.

Es würde also weniger gearbeitet und Arbeitgeber müssten zur Einkommenssicherung rund 20 Prozent höhere Stundenlöhne zahlen. Das ginge laut der eingangs erwähnten Studien auch, da die Beschäftigten in kürzerer Zeit das Gleiche leisten würden. In einzelnen Unternehmen und Berufen mag das auch ganz oder teilweise möglich sein. Im überwiegenden Teil der Dienstleistungsbranchen aber gerade nicht – man denke nur an den wachsenden Pflege-, Bildungs- oder Kitabereich.

Damit fehlt der 4-Tage-Woche aber bereits der viel gepriesene Win-win-Charakter. Denn wo sind die Arbeitgeber, die mal eben 20 Prozent höhere Stundenlöhne zahlen? Wie massiv der Widerstand der Arbeitgeber bereits gegen Lohnerhöhungen von wenigen Prozent ist, zeigen die aktuellen Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post AG und im öffentlichen Dienst.

Norbert Reuter

ist Leiter der Tarifpolitischen Grundsatz­abteilung der Verdi-Bundesverwaltung.

Ein für alle gleichermaßen „perfektes“ Arbeitszeitmodell kann es nicht geben. Am Ende geht es darum, wie die gesellschaftlich notwendige Arbeit sichergestellt wird, die Beschäftigten gut mit ihrer Arbeit klarkommen, dabei gesund bleiben und ein Einkommen erzielen, von dem sie gut leben können. Da dürfte sich die 4-Tage-Woche nicht als „One Size Fits All“-Modell herausstellen.

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4 Kommentare

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  • Wer sagt denn, dass es bei allen funktionieren muss?



    Aber zu den Arbeitgebern sei gesagt: Sie zahlen bei der 4tagewoche bei vollem Lohnausgleich keine 20% Gehaltserhöhung, denn die Leistung der Leute bleibt ja gleich!



    ich weiß, das glaubt niemand. Die Studien, die aber gerade in aller Munde sind, beweisen genau das.



    Und in Kitas oder der Pflege könnten auch Fachkräfte entlastet werden, indem einfache Arbeiten an weniger qualifizierte ausgelagert werden. Weniger Stunden werden das zwar nicht, aber zufriedenere Leute machen bessere Arbeit. Das sollte in diesen Bereichen als argument ausreichen.

  • Ein bisschen merkwürdig ist das schon zum jetzigen Zeitpunkt von 4-Tage Woche zu reden.



    Zur Zeit fehlen überall Arbeitskräfte und der Krankenstand nicht zuletzt bei Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes liegt zum Teil im sehr hohen Bereich. Vielleicht sollte eher über die 6-Tage - Woche nachgedacht werden. Hochbelastete Arbeitnehmer wie einige in der Pflege und ältere Mitarbeiter könnten dafür mit Lohausgleich kürzere Arbeitszeiten erhalten- das wäre vernünftig. Aber alles andere ist doch Unsinn momentan.

    • @StefanMaria:

      das ist unsinn.



      es gibt erfahrungen damit, u. die sind positiv. (googeln!!!)

      daß überall arbeitskräfte fehlen, liegt an der schlechten bezahlung und mangelnden ausbildungsstrategie der herrschenden regierungen in ländern + im bund (und vor allem dem völligen versagen der arbeitgeberInnen diesbezgl.), aber auch der ampel-koaliton, und nicht zuletzt der großen koalition der jüngsten vergangenheit.

      • @Brot&Rosen:

        Ich sehe nicht - nirgends auf der Welt - einen Ansatz, wo das verwirklicht wird.



        Natürlich könnte das mit kürzeren Arbeitszeiten funktionieren, aber es würde in der Praxis nur weitere Ungleichbehandlungen fördern. Folge wäre zusätzlich zur Ungleichheit bei Bezahlung eine Ungleichheit bei der Arbeitszeit.