Vielfalt im Journalismus: Immer die gleichen Nachrichten
Jeden Abend schauen Millionen Menschen in Deutschland Nachrichten. Doch viele Gruppen sind dort kaum zu sehen, belegt eine aktuelle Analyse.
![Der Kopf eines Sportlers im Flutlicht, die Augen sind mit einer Maske bedeckt Der Kopf eines Sportlers im Flutlicht, die Augen sind mit einer Maske bedeckt](https://taz.de/picture/5227557/14/Diversitaet-Paralympics-1.jpeg)
Ob es um Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund oder verschiedene Geschlechter geht: Die Bevölkerung in Deutschland ist vielfältiger als es Nachrichtensendungen abbilden. Auch in der Zeit der Bundestagswahl, in der diverse Perspektiven auf gesellschaftliche Probleme besonders relevant wären. Das ergab eine Analyse der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM).
Die NdM sind ein bundesweit agierendes Netzwerk. In ihm engagieren sich Journalist*innen „of Color und Medienschaffende mit oder ohne Einwanderungsgeschichte“, wie es auf der eigenen Seite heißt.
Die Organisation hat untersucht, welche Personen bei den Nachrichtensendungen Tagesthemen, heute Journal und bei RTL Aktuell im August und September zu Wort gekommen sind und zu welchen Themen sie gesprochen haben. Die NdM veröffentlichten die Analyse am Dienstag.
„Migrantisch wahrgenommene Menschen“ seien in der Zeit deutlich unterrepräsentiert gewesen und hätten sich dabei am häufigsten zu Flucht- oder Migrationsthemen geäußert. Insgesamt seien nur bei rund 10 Prozent der knapp 4.200 Auftritte, die in den zwei Monaten erfasst wurden, Personen mit Migrationshintergrund erkennbar gewesen.
Wie Personen wahrgenommen werden
Als wahrnehmbarer Migrationshintergrund zählten in der Untersuchung neben dem Aussehen auch der „Name, Akzent oder die Benennung als ausländisch“, wie Ferda Ataman, die Vorsitzende der NdM bei der Präsentation der Analyse am Dienstag erklärte. Weiße Schweizer*innen würden ebenso gezählt wie Schwarze Personen oder People of Colour. „Wir haben den Begriff bewusst weit gefasst“, steht ergänzend in der Auswertung.
Aber bei der Sichtbarkeit komme es auch darauf an, wie Personen wahrgenommen würden. Deshalb erfasste die Analyse, in welcher Rolle Personen in den Nachrichtensendungen auftraten. Bei Moderator*innen und Protagonist*innen war der migrantische Anteil mit etwa 20 Prozent am höchsten. Nie als migrantisch wurden hingegen Kommentator*innen erfasst. Expert*innen und Politiker*innen ließen sich ebenfalls unterdurchschnittlich oft als migrantisch wahrnehmen. Dabei seien das „besondere Rollen“ mit höherem Einfluss, so Ataman.
Zu Frauen in Nachrichten ergibt die Analyse, dass sie seltener als Männer in den untersuchten Nachrichtensendungen sprachen. Pro Frau kamen im Schnitt zwei Männer zu Wort. Das stimmt mit den Ergebnissen der Malisa-Studie überein, die im Oktober veröffentlicht wurde. Mit etwa 20 Prozent traten Frauen am seltensten in der Rolle der Expertin auf. Nicht-binäre Personen waren in den ausgewerteten Nachrichtensendungen gar nicht wahrnehmbar. Wie in der Auswertung steht, hätte das Geschlecht dafür aber explizit thematisiert werden müssen.
Menschen mit Behinderung waren ebenfalls kaum sichtbar. Lediglich 0,7 Prozent aller Personen, die in den Nachrichtensendungen vorkamen, hätten eine sichtbare Behinderung gehabt. Der größte Teil davon sei im Zusammenhang mit den Paralympics zu sehen gewesen, die vom 24. August bis zum 5. September in Tokio abgehalten wurden.
Fehlende Perspektiven
Chiponda Chimbelu ist Journalist, beschäftigt sich mit Diversität in den Medien und hat an der Untersuchung mitgewirkt. Während der Präsentation am Dienstag erklärte er, die Sichtbarkeit von Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien würde Rassismus zwar nicht beenden, „wenn aber verschiedene Gruppen in den Medien nicht zu sehen sind, dann fehlen auch ihre Perspektiven.“
Bei den öffentlich-rechtlichen Sendungen schreibt eigentlich der Medienstaatsvertrag vor, die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden. In den Sendungen sprächen aber hauptsächlich weiße Männer, das stehe dem entgegen, fügte Ataman hinzu.
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